Wesel. . Wenn kleine Kinder plötzlich die Diagnose Diabetes erhalten, ist das erst einmal ein Schock. Hilfe gibt es im Marien-Hospital Wesel.
- Der Befund erreichte die Familie nach einer Vorsorgeuntersuchung
- Jetzt lebt der kleine Paul mit einer Insulinpumpe, einem lebenswichtigen Gerät
- So kann er ein erfülltes und weitgehend normales Leben führen
Paul ist ein fröhlicher Junge. Der Zweieinhalbjährige sitzt am Tisch seines Zimmers in der Kinder- und Jugendmedizin des Marien-Hospitals, löffelt seinen Joghurt und freut sich, als Oberarzt Dr. Dirk Bierkamp-Christophersen hereinkommt. Dass der Junge eine kleine Tasche am Bauch trägt, fällt erst auf den zweiten Blick auf. Darin befindet sich ein für den Knirps lebenswichtiges Utensil: Die Insulinpumpe. Erst seit einigen Wochen wissen die Eltern Dörte und Tobias Hohenberger, dass ihr Sohn unter Diabetes mellitus Typ I leidet.
Bei der Vorsorge fiel es auf
Die Erkrankung wurde entdeckt, bevor erste Symptome auftraten. Das verdankt die Familie der Tatsache, dass sie einen Zweitwohnsitz in Bayern hat und dort im Rahmen einer Studie bei der Vorsorgeuntersuchung auf Antikörper geachtet wird, die einen Diabetes ankündigen. Nun sind Paul und seine Eltern in der Kinderdiabetologie des Marien-Hospitals - und fühlen sich sicher aufgehoben. „Hier bekommen wir eine gute Schulung“, sagt Mutter Dörte.
Seit November weiß das Ehepaar von den Antikörpern in Pauls Blut - und dass die Krankheit über kurz oder lang ausbrechen wird. Tatsächlich sind die Blutzuckerwerte des Jungen in den vergangenen Wochen angestiegen, so dass die Familie nun auf die Station des Weseler Hospitals kam. Mit einer Insulinpumpe, die über eine winzige, elastische Kanüle mit Pauls Körper verbunden ist, bekommt der Zweijährige eine Grundversorgung mit Insulin. Zu den Mahlzeiten muss - abgestimmt auf die Zufuhr an Kohlenhydrateinheiten - zusätzlich Insulin verabreicht werden. Alles kein Problem, finden die Eltern nach einigen Tagen Schulung . „Es gibt schlimmere Diagnosen“, meint Vater Tobias und Paul selbst nennt das Gerät die „coole Pumpe“.
Nicht automatisch Verzicht
Das liegt nicht nur daran, dass Pauls Mutter als gelernte Krankenschwester mit der Diagnose umgehen kann. Ein Leben mit Typ I-Diabetes ist heutzutage nicht mehr automatisch mit Verzicht verbunden, bestätigt Diabetologe Dr. Dirk Bierkamp-Christophersen. „Man kann trotzdem ein erfülltes, gutes Leben führen.“ Die kleinen Patienten können alles essen - auch Süßigkeiten. Wichtig sei, die nötige Dosis Insulin zu berechnen. Das lernen Eltern und ihr Nachwuchs auf der Kinder-Diabetologie und werden dabei von einem ganzen Team aus Ärzten, Diabetesberaterinnen und den Mitarbeiterin des Sozialpädiatrischen Zentrums unterstützt.
Ein kleiner Pieks
Bei vielen der jungen Patienten fällt die Erkrankung erst auf, wenn sich Symptome bemerkbar machen. Wenn Kinder viel trinken, häufig Wasser lassen und an Gewicht verlieren, sollten Eltern hellhörig werden, rät der Oberarzt. Schon Säuglinge ab dem siebten Monat können betroffen sein. In schlimmeren Fällen kann es aufgrund von Überzuckerung zu einem Diabetischen Koma kommen. Meistens werde die Krankheit jedoch erkannt, bevor schwere Entgleisungen des Stoffwechsels auftreten, weiß der Diabetologe. „Die Kinderärzte sind sensibilisiert“. Was die Autoimmun-Erkrankung auslöst, weiß man nicht so genau. Tatsache ist: „Mit der Ernährung hat das nichts zu tun“, betont Dirk Bierkamp-Christophersen.
Rund 100 Kinder mit ihren Eltern werden im Marien-Hospital betreut und geschult - sie kommen nicht nur aus Wesel, sondern aus der ganzen Region. Sie werden nach der Erstdiagnose auf das Leben mit Diabetes vorbereitet, lernen zu berechnen, wie viele Kohlenhydrateinheiten eine Mahlzeit enthält. „Das ist am Anfang ein erheblicher Mehraufwand“, weiß der Oberarzt. Nach einiger Zeit wissen die Betroffenen viele Werte auswendig. Da es auch zu belastenden Situationen kommen kann, etwa durch Begleiterkrankungen, kümmert sich ein ganzes Team um die Familien. Auch müssen die Eltern lernen, mit der Angst zum Beispiel vor nächtlicher Unterzuckerung umzugehen. Denn, so drückt es der Arzt aus: „Sie können keinen Urlaub von Diabetes machen.“
Vorbereitung auf den Alltag
Teil der Schulung ist die ganz praktische Vorbereitung auf den Alltag. „Wir gehen mit den Kindern Eis essen oder ins Kino“. So lernen die Kleinen, das Popcorn zu berechnen. Stolz ist der Oberarzt darauf, dass die Beraterinnen in die Kitas und Schulen gehen, um Erzieherinnen und Lehrkräfte über die Krankheit ihrer Schützlinge aufzuklären. Dafür hat die Selbsthilfegruppe „Diabolinos“ sogar ein Auto zur Verfügung gestellt.
Auch das Fortschreiten der Technik kommt den jungen Patienten zugute. Für Kinder bis zu sechs Jahren ist die Versorgung mit einer Insulinpumpe Standard. Auf dem Markt sind bereits Modelle, die sich bei Unterzuckerung von selbst ausstellen, erklärte Dr. Dirk Bierkamp-Christophersen. Das nächste Ziel: Pumpen, die Insulin automatisch dosieren. Bisher müssen die Patienten zu den Mahlzeiten messen und nachspritzen. Doch das Messen ist nur ein kleiner Pieks, den selbst der kleine Paul schon beherrscht. „Das ist ja auch kein großer Aufwand“, meint sein Vater Tobias, der sicher ist, dass sein Sohn ohne große Beeinträchtigungen aufwachsen kann.
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Diabetes mellitus Typ I ist eine Autoimmunerkrankung, die dazu führt, dass die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört werden. Diese sind für die Produktion von Insulin zuständig. Die Erkrankung ist nicht heilbar und hängt auch nicht mit der Ernährung zusammen. Eine Vermutung ist, dass Viren dabei eine Rolle spielen. Die Häufigkeit hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt.
Die Kinder-Diabetologie des Marien-Hospitals bietet Diagnose, Behandlung, Schulung und psychosoziale Betreuung an. Die Diabetes-Ambulanz ist unter
0281/104-61656 erreichbar. Infos gibt’s auch im Netz unter www.marien-hospital-wesel.de unter dem Menüpunkt Kinder- und Jugendmedizin.