Wesel. . Sechs Familien treffen sich stets zwischen den Jahren, um eine alte Tradition aufrecht zu erhalten. Das Rezept hält den Kuhlmann-Clan zusammen.

  • Kinder, Enkel und demnächst auch die Urenkel produzieren jedes Jahr gemeinsam rund 700 der Leckereien
  • Der Teig ist ein Familienrezept, das der Vater Rudolf Kuhlmann schon zu Kriegszeiten Jahr für Jahr buk
  • Jede Tochter der Familie erhält zum 30. Geburtstag ein Eisen, um die Tradition weiterzuführen

Warm ist es bei Bärbel Moree, sehr warm. Ein süßer Duft zieht durch das Haus, mit einem Hauch Anis darin. Elf Menschen sitzen um ihren Esstisch in Büderich, fünf Eisen sind in Betrieb: Einmal im Jahr, zwischen Weihnachten und Neujahr, treffen sich die sechs Familien, alle sind Kinder, Enkel und Urenkel von Maria und Rudolf Kuhlmann. Bis auf Kaplan Dino Kakumanu, der hat sich vor einigen Jahren den Eiserkuchen-Bäckern angeschlossen. „Neujährchen“ heißen die Waffelrollen hier. Und traditionell kommt die Familie zusammen, um sie zu backen. Warum?

„Unser Vater hat das schon im Krieg gemacht, im Kohlenfeuer“, sagt Bärbel Moree. Ihr Bruder Rudolf (70) erinnert sich auch an das Eisen, das an einem langen Stiel gehalten wurde. Leider hat es irgendwann jemand weggeworfen. „Wir haben vier Kilogramm Mehl verarbeitet“, erläutert Bärbel. Das Rezept für den Teig ist in all den Jahren gleich geblieben und wird in der Familie weitergereicht. Es ist geheim – nur soviel sei gesagt: In kochendem Wasser aufgelöster Kandis mit Anissamen spielt eine zentrale Rolle beim Geschmack. „Das Verhältnis muss stimmen, außerdem bekommt der Teig den Segen vom Kaplan“, witzelt die 65-Jährige.

Jedes Mädchen der Kuhlmann-Nachfahren erhält zum 30. Geburtstag ein elektrisches Eisen. Ein durchdringendes Zwitschern unterbricht die Unterhaltung, Bärbels Tochter Andrea Wolfers lacht. Schnell ist die Familie von den Geräten wieder abgekommen, die ein Geräusch machen, wenn das Gebäck fertig ist. Der Lärm wäre kaum zu ertragen.

Die Aufgaben sind klar verteilt: Frauen backen, Männer rollen das Gebäck dann in die typische Form. „Es darf erst an Neujahr gegessen werden“, verrät Ulla Kuhlmann. An so einem Backtag produzieren die Familien gemeinsam rund 700 Neujährchen, die sie untereinander aufteilen. Schon jetzt ist klar, wo 2017 die Eisen in Betrieb gehen, in Heinsberg bei Steffi und Martin Schumacher. Steffi ist eine geborene Kuhlmann. Danach das Jahr geht es nach Budberg oder Hamminkeln, wahlweise nach Rheurdt, in Kirchlengern waren sie 2015. Auf diese Weise stellen Kinder und Enkel der Kuhlmanns sicher, dass sie sich einmal im Jahr treffen und sich die Familie nicht aus den Augen verliert. Während unten die Eisen glühen, tobt im ersten Stock bei Bärbel Moree die nächste Generation. Alle sind sich sicher, dass auch die Kinder diese Tradition fortführen werden. Und nach Silvester Neujährchen genießen. Gern mit Sahne.