Wesel. . Landwirtschaft im Wandel der Zeiten - das lässt sich am Neuhollandshof in Bislich wunderbar nachvollziehen. Heute werden Bioäpfel produziert.

  • Der runde Geburtstag wird mit mehreren Veranstaltungen gefeiert, auch eine Ausstellung soll es geben
  • Noch sind Thea und Rolf Clostermann damit beschäftigt, den historischen Fundus zu ordnen
  • Dabei hoffen sie, dass auf einem Erntefoto von 1940 die Namen der Personen ermittelt werden können

In diesen Tagen ist der große Esstisch in der guten Stube des Neuhollandshofs übersät mit alten Alben, mit Urkunden, Büchern und vielem anderen mehr. Es wirkt ein bisschen wie in einem ungeordneten Archiv, das zum Stöbern einlädt. Thea Clostermann schwärmt von den historischen Schätzen, die das altehrwürdige Haus am Jöckern in Bislich beherbergt, aber sie weiß auch, dass all dies eine gewaltige Herausforderung ist. Denn wer sind die Menschen auf dem Foto? Wann wurden die Bilder gemacht? Was hier liegt, sieht aus wie ein riesiges Puzzle, das zum Jubiläum im nächsten Jahr zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden will.

Neubau auf der anderen Straßenseite

150 Jahre alt wird der Neuhollandshof mit seiner bewegten Geschichte, wie an der Jahreszahl auf den weiß getünchten Mauern unschwer zu erkennen ist. Es war Berta Holland, die 1867 zusammen mit ihrem Bruder Johann Heinrich vom gegenüberliegenden Hollandshof in den neu gebauten Neuhollandshof zog. Sie sollte - wie es damals üblich war - für ihn sorgen, kochen, waschen, mit allem, was dazu gehört. Für die insgesamt acht Kinder war der alte Hof zu klein und so hatte man sich für diese Lösung entschieden. Damals wurde Landwirtschaft noch mit Pferd und Wagen betrieben, harte Arbeit für alle Beteiligten.

Der heutige Eingang in den Hofladen.
Der heutige Eingang in den Hofladen. © Erwin Pottgießer

Eigentlich hatte damals niemand mehr geglaubt, dass Berta Holland einmal einen Mann kennen und lieben lernen würde. Doch im Alter von etwa 40 Jahren war es mit Wilhelm Overdiek so weit. Zwei Kinder bekam das Paar, Maria und August. August Overdiek, der Großvater vom heutigen Hofchef Rolf Clostermann, studierte Landwirtschaft. Er heiratete später Ilse Bau, eine höhere Tochter aus einer Hutfabrik in Köln. Aus der Beziehung wiederum ging auch Tochter Dorothee hervor, die die Ehe mit Gerd Clostermann einging, Rolf Clostermanns Eltern.

Auf dem Bislicher Neuhollandshof begann alles - wie damals üblich - mit Ackerbau und Viehzucht, sagt der Hofbesitzer. Es folgte der erste Obstanbau in den 20er Jahren. Als Vater Gerd 1959 den Betrieb übernahm, wechselte das Angebot immer wieder. Mal standen in den Treibhäusern Nelken und Rosen, mal wurden Blautannen und Tannengrün, Kirsch- und Forsythienzweige verkauft, auch Gurken züchtete man eine Zeitlang, und Legehennen gab es natürlich auch.

Einer der ersten Hofläden

Was dann Anfang der 60er Jahre passierte, war nahezu revolutionär, sagt Rolf Clostermann schmunzelnd. Es wurde ein Hofladen eröffnet, einer der allerersten am Niederrhein. Das Angebot blieb überschaubar: Äpfel, Eier, Apfelsaft von van Nahmen aus Hamminkeln, Apfelkraut von wechselnden Herstellern - Ende. August Overdiek entwickelte eine Obstsortiermaschine, die ebenfalls als eine der ersten Ende der 60er Jahre in Betrieb ging. Sie sortierte die Äpfel nach Größe und Qualität und kommt noch heute zum Einsatz.

So sah der Neuhollandshof gleich nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Die Einschusslöcher sind noch zu sehen.
So sah der Neuhollandshof gleich nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Die Einschusslöcher sind noch zu sehen. © Erwin Pottgießer

Anfang der 80er Jahre dann die erste Teilumstellung Richtung Bio, 1993, mit der Hofübernahme durch Rolf Clostermann, wurde komplett umgestellt, ein Bioladen entstand. „Wir gehörten zu den ersten 30 Obstbaubetrieben in Europa“, erinnert sich Clostermann an die Wurzeln des Hofs, der heute auf 18 Hektar Äpfel und auf einem halben Hektar Birnen anbaut. Rund 30 Sorten hat er im Angebot, wobei Elstar, Jonagold, Topas und Santana die Masse bestimmen. Alte Sorten und Nebensorten sind etwa Melrose und Ontario oder Boskoop. Letztere machte in den 60er Jahren noch 70 Prozent aus. Am Niederrhein könnte dieser Apfel bald Geschichte sein, denn der Klimawandel hinterlässt Spuren. Die Wärme verträgt der Boskoop nicht, er wird rissig, erklärt Clostermann. Dafür hat der Braeburn Einzug gehalten, eine Sorte, die hier früher nie hätte gedeihen können. Kein Wunder, dass die Clostermanns auch vermehrt mit Sonnenbrand auf ihren Äpfeln zu kämpfen haben. Hat es das Obst einmal erwischt, ist es nicht mehr zu verkaufen. Da helfen dann Hagelnetze oder die Beregnung, die den Apfel kühl hält.

Tochter Leslie möchte übernehmen

Der Hollandshof auf der gegenüberliegenden Seite gehört zu den ersten Höfen am Niederrhein, wurde im Zehntregister des Xantener Domkapitels 1310 erstmals erwähnt. Und noch immer wohnt hier Familie Holland - ganz ohne Landwirtschaft zu betreiben.

Das soll bei den Clostermanns anders sein. Tochter Leslie möchte gern in die Fußstapfen der Eltern treten. Sie hat Management und Design in Hamburg und Düsseldorf studiert, war beim Winzer aktiv, der den Sekt der Clostermanns verperlt, und geht nun zum Demeter-Verband ins Alte Land. Danach möchte die 23-Jährige auf dem Hof aktiv werden. Bei Sohn Linus, der freie Kunst in Kassel studiert, ist der Werdegang noch offen. Doch vielleicht, so die Eltern, sieht der 22-Jährige ja eine Perspektive im Kulturforum auf der anderen Straßenseite, dem ersten Nebengebäude, das Berta und Johann Heinrich zum Unterstellen von Geräten erhielten.

>>>DAS PROGRAMM IM JUBILÄUMSJAHR

„Muzen, Mandeln, Neujährchen“, heißt es zum Auftakt ins Jubiläumsjahr. Es wird eine feine Kaffeetafel im Gutshaus anno 1867 geboten - und mittendrin die Dröppelminna. Leider ist dieser Termin schon ausgebucht.

Das Rosenfest am Sonntag, 18. Juni, steht von 11 bis 18 Uhr im Zeichen alter Rosensorten für moderne Gärten. Dazu gibt’s Poesie im Dachgestühl bei freiem Eintritt.

Ebenfalls kein Eintritt erhoben wird am Sonntag, 3. September, 11-17 Uhr, bei der „Tour de Pomme à la Jubilée“. Das Erntefest 2017 berücksichtigt das Ernten durch die Jahrhunderte.

Eine Geisterstunde im Gewölbekeller steht schließlich am Samstag, 4. November, in der Zeit von 16 bis 18 Uhr an. Für 14 Euro wird dazu eine kräftige Brotzeit für Furchtlose gereicht.

Weihnachten im Gutshaus anno 1867 heißt es am Sonntag, 10. Dezember, 16-18 Uhr, zum Abschluss des Jubiläumsjahres unter dem Motto „Es war einmal...“ Im Mittelpunkt stehen Geschichten und Erzählungen zwischen Gestern und Heute mit Buttermilchsuppe und Prinzenmilch. Kosten: 14 Euro.