VERKEHR. Weniger als 60 Fahrgäste steigen hier pro Tag ein. Aber die lieben ihren "Bocholter".
WESEL. Es ist ein Stück Luxus für Blumenkamp. Dass man einen Haltestelle der Bahn, pardon, einen Bahnhof "sein Eigen" nennen darf, das können nicht viele von sich behaupten, die in Orten ähnlicher Größe leben. So käm Jacqueline Böttger (19) nie auf die Idee, schlecht über den "Bocholter" zu reden. Und bummelt das Gefährt von Wesel nach Bocholt noch so behäbig über die schnurgerade Strecke. Die junge Frau ist eine von weniger als 60 Fahrgästen, die laut Nahverkehrs-Zweckverband Niederrhein (NVN) täglich den Zug in Blumenkamp nutzen. "Ich bin echt froh, dass es die Station gibt", sagt die Berufsschülerin. Missen will auch Axel Voß (32) den "Bocholter" nicht, doch er bleibt gelassen: "Wenn der Zug nicht mehr kommen würde, käme ich auch schon weg."
Grund zur Sorge gibt es aber nicht - vorerst. Die Diskussion um ein Aus der Zugverbindung Wesel-Bocholt sei vom Tisch, sagt NVN-Geschäftsführer Peter Langenberg, "und wir sehen keine Veranlassung, Blumenkamp nicht mehr anzufahren." Neu gemischt werden die Karten in zwölf Jahren. Dann läuft der aktuelle Vertrag der NVN mit der Bahn aus.
Blumenkamp ist einer der kleinsten Bahnhöfe in NRW. Aber nicht der kleinste. Im Sauerland gebe es Haltestellen, so ein Bahnsprecher, wo weniger als 50 Menschen am Tag einstiegen. Zum Vergleich: Im Essener Hauptbahnhof sind es täglich 150 000.
Überwiegend Schüler, Berufspendler und Soldaten der Schill-Kaserne fahren in Blumenkamp Bahn. Manche nutzen sie zum Einfkaufen oder in der Freizeit. Jacqueline Böttger etwa. Sie fährt meist nachmittags nach Bocholt, um Freunde zu besuchen. Oder nach Hamminkeln zum Fußballtraining. Sie könnte durchaus ein Auto nehmen, sagt die junge Frau, aber sie fahre halt gern Zug.
Axel Voß schwingt sich tagsüber gerne aufs Rad, radelt zum Bahnhof und kürzt per Bahn die Stecke nach Wesel ab. Dort geht er bummeln, Eis essen, Zeit vertreiben. "Ich bin sehr unregelmäßig unterwegs", sagt er. "Früher bin ich immer zur Fachhochschule nach Duisburg gefahren." Das Auto brauche die Lebensgefährtin, sagt der Polizeibeamte, der zur Zeit Nachtschicht schiebt. Samstags steigt die ganze Familie samt der Kinder, sieben und neun Jahre, in den Zug, und es geht zum Weseler Wochenmarkt. Warum sie dafür nicht das Auto nehmen? "Weil die Kinder Riesenspaß am Zugfahren haben", sagt Axel Voß, lacht und radelt davon. (tgs)