WOHNEN. In einem Haus, in dem alle Wände rund sind, lebt ein Mann mit Ecken und Kanten. Jürgen Müller hat sich vor über 20 Jahren die Dingdener Turmwindmühle zur Wohnung umgebaut.

Ein Museum? Nein, die Wohnstube von Jürgen Müller. (Fotos: Markus Weißenfels)
Ein Museum? Nein, die Wohnstube von Jürgen Müller. (Fotos: Markus Weißenfels) © NRZ

HAMMINKELN. In diesem Haus kann man eine Reise um die Welt machen. Und in die Vergangenheit. Dabei ist die Turmwindmühle kein Museum, sondern die private Wohnung von Jürgen Müller (65). Dessen bisheriges Leben war so reich und abenteuerlich, dass sich mit den Erinnerungen 170 Quadratmeter bequem füllen lassen.

Der große Raum im Erdgeschoss ist vollgestopft mit Büchern und Kunst aus aller Herren Länder und wirkt doch aufgeräumt. Wenn Müller morgens aufwacht, guckt er direkt auf die vielen Grafiken und Malereien an den hohen Zimmerwänden, denn sein Bett steht mittendrin. Hier hat sich Müller vor mehr als 20 Jahren häuslich eingerichtet. Ein Mann mit Ecken und Kanten in einem Haus, in dem alle Wände rund sind.

Wer die Mühle Etage für Etage hinaufsteigt, taucht zugleich immer tiefer hinab in Jürgen Müllers bewegte Vergangenheit. Im ersten Stock liegt die Galerie, in der Müller regelmäßig Bilder zeigt. An der ersten Ausstellung hat seine Frau Riet noch mitgewirkt. Die Niederländerin starb vor einigen Jahren - kurz nachdem Jürgen Müller selbst einen schweren Sportunfall hatte.

Der damalige Lehrer war halbseitig gelähmt und musste seinen Beruf aufgeben. Heute ist Müller wieder mobil. Behände klettert er über die Wendeltreppe in die zweite Etage: das Arbeitszimmer. Müller hat bis zur Frührente an einer Hauptschule in Borken Englisch unterrichtet. Englisch konnte er gut - aus seiner Zeit als Matrose. Mit 17 ging Müller, gebürtig aus Pommern, in Bremen aufs Schiff.

Alle Kontinente, sagt er, hat er gesehen - bis auf Australien. Japan gefiel ihm besonders gut, erzählt Müller und kramt eine Geburtstagskarte und das Schwarz-Weiß-Foto einer hübschen Asiatin hervor. "Dear Jimmy", schrieb die Frau namens Kyoko über die liebevollen Glückwunsch-Zeilen an ihren Seemann.

Aus Japan hat Jürgen Müller neben der Erinnerung an Kyoko ein bemaltes Tee-Service mitgebracht. Das steht im Gästezimmer im dritten Stock, gleich neben den Masken aus Afrika. Manchmal kommen seine drei erwachsenen Kinder zu Besuch. Einer der Söhne ist in die maritimen Fußstapfen des Vaters getreten und hat lange als Koch auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet.

Noch eine Leiter hinauf und Müller steht unter dem Dach der Mühle, die er 1986 kaufte. Hier hängen unzählige Plakate von Kunst-Ausstellungen, die Müller besucht hat - in Frankreich, Portugal und Italien. Sizilien ist Jürgen Müllers heimliche Liebe. Nur für Syrakus würde er hier weggehen. Bisweilen träumt Müller einen anderen Traum. Alle Anträge auf Förderung liefen ins Leere, aber eines Tages soll es klappen - mit den Flügeln für seine Windmühle.

DIE HISTORIE Erbaut 1853, wurde in der "Mühle Hasselmann" bis nach dem Ersten Weltkrieg Korn gemahlen, später diente sie als Lager für Getreide und Rüben. Mitte der 1960er Jahre erwarb der Kreis Borken die Mühle, die die Katholische Landjugend für gesellige Abende nutzte. 1975 erstand ein Essener Galerist die Mühle, konnte seine Pläne für Museum und Restaurant aber nicht verwirklichen. Von ihm kaufte Jürgen Müller 1986 das denkmalgeschützte Gebäude.