Schermbeck. . Integration in Zeiten klammer öffentlicher Kassen: Ein wissenschaftliches Modellprojekt will Flüchtlingen die Arbeitssuche erleichtern

  • 236 Flüchtlinge leben aktuell in der Gemeinde
  • Ehrenamtler sollen ihnen helfen, einen Job zu finden
  • Studenten der Uni Würzburg haben das Projekt entwickelt

Sie sind angekommen. Sie haben ein Dach über dem Kopf. Sie lernen Deutsch und üben an der Hand von Ehrenamtlern, wie das Leben in Schermbeck funktioniert. Aber wie geht es nun weiter mit den aktuell 236 Flüchtlingen, die in der Gemeinde leben? Von den jüngsten Anfeindungen wegen seiner engagierten und konstruktiven Flüchtlingspolitik lässt sich Bürgermeister Mike Rexforth nicht abschrecken. Er bleibt seiner Linie treu, die Integration mit großen Schritten voranzutreiben. Und da eine Gemeinde mit klammer Kasse das nicht im Alleingang schafft, hat Rexforth wieder ein neues Projekt aufgetan, das sich mit wenig Geld und der Hilfe von Bürgern realisieren lässt.

„IntegrAI.de“ heißt die Idee, die Studenten der Universität Würzburg entwickelt haben. Es geht darum, Flüchtlinge bei der für sie in einem fremden Land so komplizierten Jobsuche zu unterstützen. Joscha Rieman, einer von 30 Studenten, stellte das Projekt am Mittwochabend in der Ratssitzung vor. Die jungen Denker aus Süddeutschland wollen bis November Schermbecker Ehrenamtler in einer zweitägigen Schulung zu „Job-Coaches“ ausbilden. Dabei geht es um das praktische Rüstzeug für den Weg durch den Bürokratiedschungel - vom Ausfüllen des Lebenslaufes bis zu den rechtlichen Grundlagen. Anschließend können sich die Job-Coaches bei Problemen telefonisch und per Mail in Würzburg Hilfe holen. Parallel dazu wird die Gemeinde Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern aufnehmen. Auch Institutionen wie IHK und Handwerkskammer, die Bundesagentur für Arbeit und das Wirtschaftsministerium sind mit im Boot.

Kein Projekt von der Stange

„Ich finde diese Sache sehr spannend, weil es kein Projekt von der Stange ist“, sagt der Bürgermeister. Auch Guido Busch von der Caritas, die die Flüchtlingshilfe in Schermbeck koordiniert, ist überzeugt davon, dass die Würzburger Idee frischen Wind in die Jobvermittlung bringt: „Ich kann Ihnen versprechen, dass das ein erfolgreiches Projekt ist. Wir haben als Caritas bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen schon sehr gute Erfahrungen mit ehrenamtlichen Vermittlern gemacht.“ Nur am Wort „Job-Coach“ stößt sich Busch. „Ich würde es lieber Kümmerer nennen.“

Egal ob Coach oder Kümmerer - die Gemeinde ist nun darauf angewiesen, dass sich Menschen finden, die dieses Experiment ehrenamtlich wagen. Alle Helfer werden nicht nur vom Team aus Würzburg betreut, sondern auch von der Caritas, die direkt vor Ort im Ecco-Hotel als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Sozialarbeiter Tobias Krause steht den Helfern nicht nur mit Rat zur Seite.

Er hat auch schon Vorarbeit geleistet und sehr detaillierte Informationen zu den Arbeit suchenden Menschen zusammengetragen. Welche Ausbildung haben sie, wo sind ihre Fähigkeiten und Leidenschaften, was macht sie menschlich aus, was passt zu ihnen? Ausgestattet mit diesem Informationspaket und der Theorie aus der Schulung könnten sich die im Idealfall sechs bis acht Job-Coaches noch vor Weihnachten gemeinsam mit den Flüchtlingen auf die Arbeitssuche machen.

Schermbeck ist die erste Gemeinde in NRW, die dieses Projekt ausprobiert. Da die Würzburger Wissenschaftler mit ihrer Idee noch frisch auf dem Markt sind, bieten sie einer solchen Modellkommune den pauschalen Sonderpreis von 3000 Euro an. Eine überschaubare Summe, die die Gemeinde gerne investiert - in der Hoffnung, dass die Integration auf diesem Wege möglichst schnell ein Stück weiter voran kommt.