Rheinberg. .
Heute muss das Innenleben mal draußen bleiben. Scheiben raus, Sitze raus, Armaturen raus. Rein dürfen andere. Stahlplatten, Stützbügel und Haubenbolzen.
Eigentlich ist nur noch das Gaspedal dort, wo es hingehört. Und das Lenkrad. Reicht auch, wenn die Beulenjagd beginnt. Das einzige Ziel dabei: Sein Auto kurz, klein und kaputt zu fahren. Und am besten noch den fahrbaren Untersatz der anderen. Mach kaputt, was nicht dir gehört. Aber vergiss nicht, dafür zu sorgen, dass es dir nicht besser ergeht.
Akka-Raze nennt sich das Vollgas-Festival an diesem Wochenende in Bocholt, bei dem es einzig und allein darum geht, das zu tun, was man im normalen Straßenverkehr tunlichst vermeiden sollte: Autos wegtitschen, im besten Falle auch vom Acker – Entschuldigung, natürlich Akka – zu rammen.
Samstag für
Samstag geschraubt
Ein Fachmann für den Autokontakt mit Folgen ist Michael Bäuml, in Fachkreisen auch „Kupplungs-Michel“ genannt. Der 36-jährige Orsoyer hat einige Rennen in den Niederlanden besucht, bevor ihn im vergangenen Jahr selbst das Fieber packte. Der gelernte KFZ-Mechaniker und Kraftfahrer landete zwar kurz nach dem Start auf der Seite, fuhr aber dann noch weiter. „Bis mich irgendwann der Mut verlassen hat“, schmunzelt der Orsoyer. „Mir haben Muskeln wehgetan, die ich gar nicht kannte.“
In diesem Jahr soll’s aber zumindest mit zwei Läufen klappen. Auch wenn weiterhin die Devise gilt: „Spaß haben und die Karre platt fahren. Im Rennen gibt’s keine Freunde.“ Hat da vielleicht auch Stefan Raab mit seiner Stockcar-Challenge die Begeisterung mit angeschoben? „Nee“, winkt der Kupplungs-Michel ab, „das ist Kindergeburtstag.“ Am Sonntag dagegen ist Autoscooter für Große angesagt. Und wer es mit seinem Gefährt bis zum Demolition Derby („Hier ist rammen Pflicht“) schafft, braucht neben einem robusten Wagen auch jede Menge Glück.
Und ein Team, das zusammenarbeitet. Mit dabei sind Freundin Nicole Goszczynsky, ihr Bruder Oliver und Michaels Arbeitskollege Pierre Mackenbruck. Gemeinsam hat das Quartett seit April Samstag für Samstag in Orsoy geschraubt und gebohrt. An insgesamt drei Autos, denn neben dem Astra F von Michael Bäuml schickt das Orsoyer Racing-Team auch noch einen Astra-Kombi und einen Golf II ins Rennen. Das alte Schätzchen von Pierre Mackenbruck, das Tachometer ist bei 168 951 Kilometern stehen geblieben, muss gleich zweimal ran: Beim Nachtschnecken-Rennen für Frauen morgen Abend setzt sich Nicole ans Steuer. „Ein bisschen Schiss habe ich schon“, verrät die 28-Jährige, „schließlich habe ich mich auch schon mal mit einem Auto überschlagen.“ Das wird morgen aber nicht passieren, denn die Damen werden die Autos möglichst kontaktlos über den Rundkurs fahren.
Am Sonntag wird dann Pierre „Luzi“ Mackenbruck in seinen Golf klettern. „Ich habe längst Blut geleckt und freu mich drauf“, verrät der Essener, der im Kartsport groß geworden ist. Als Chefmechaniker hält Oliver „Kenny“ Goszczynsky die Fäden in der Hand. „Ein bisschen verrückt muss man schon sein“, lacht der Zweiradradmechaniker. Der 23-Jährige ist für die Technik zuständig, hat das Board mit Anschalt-Knopf und Notausschalter für die elektrische Benzinpumpe gebaut.
Der Fahrer ist mit Sechs-Punkt-Gurt, Halskrause und Sturzhelm geschützt – also auch beim Crash von hinten gut geschützt.
Gesponsert wird das Team aus Orsoy vom Telefonbuchverlag Sutter, dessen Mitarbeiter Uwe Keuser Michaels Nachbar ist. Klar, dass die drei Autos deshalb auch in weiß-magenta gestrichen sind.
Egal, wie es für Kupplungs-Michel und seine Freunde am Wochenende läuft – am Ende gibt’s Bocholter Allerlei. Zur Freude der Schrotthändler....