Rheinberg. Mit 40 Sachen in den Kreisel, Vollbremsung bei 80 km/h und eine 180° Drehung: Beim Fahrsicherheitstraining in Rheinberg kann man es testen.
Anfang Januar, dreieinhalb Grad, eingeschränkte Sicht durch prasselnde Regenschauer, eine nasse, rutschige Fahrbahn und böiger Wind. Voraussetzungen, die sich kein Autofahrer und keine Autofahrerin je wünschen würde.
Auf dem Gelände des Fahrsicherheitscentrums Rheinberg sind diese Verhältnisse, bis auf Temperatur und Wind, normal. „Das Wetter ist egal, wir fahren immer auf nasser Fahrbahn“, erklärt Fahrsicherheitstrainer Gerd Pollman. Schläuche wässern die Fahrbahnen des ehemaligen Aumund-Betriebsgeländes im Ortsteil Millingen unaufhörlich, Spritzanlagen simulieren gleichmäßigen Regen, auch wenn das kaum nötig wäre.
Sein eigenes Auto richtig kennen lernen
Zwölf Teilnehmende absolvieren das Fahrsicherheitstraining bei Gerd Pollmann. Eine gemischte Gruppe von jung bis alt. Langjährige erfahrene Autofahrer und Fahranfänger können hier gleichermaßen lernen, wie sich ihr Auto in Extremsituationen verhält. Von 9 bis etwa 17 Uhr dauert ein Training und beinhaltet kurze Theorieanteile und stufenweise praktische Übungen.
Die Praxis beginnt mit Bremsübungen auf verschiedenen Untergründen und variierendem Tempo, bis zu 80 km/h. Dabei muss die Gruppe auch mal so richtig in die Eisen gehen. „Eine Vollbremsung macht man ja im Alltag im besten Fall nicht“, resümiert Astrid Winkels aus Kleve die Übungen positiv. Sie nimmt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern am Training teil.
Richtig Lenken und Bremsen
Im Verlauf des Tages folgen Lenk- und Bremsübungen, bei denen die gelernte Theorie über die verschiedenen Kräfte, die beispielsweise im Kreisverkehr auf ein Auto wirken, ausprobiert werden. Zwischendurch schaltet sich Gerd Pollmann via Funkgerät ein: „Achtet darauf, dass die Hände beim Lenken auf 9 und 3 Uhr bleiben und dass der Blick weit in die Kurve reingeht.“
Andreas Müller aus Wuppertal ist einer der Fahrer, die den Funkspruch mitgeteilt bekommen: „Ich wollte so ein Training immer schon mal machen, weil ich auch beruflich als Garten- und Landschaftsbauer viel mit dem Auto unterwegs bin.“ Er hat die Fahrt im Kreis auch mal ausgereizt und seinen VW SUV mit über 40 km/h in die Kurve gelegt. Ein mal musste er bremsen, um nicht von der Bahn abzukommen. „Das hat sehr viel Spaß gemacht und hatte auch einen großen Lerneffekt. Man fährt ja sonst niemals bei nasser Fahrbahn mit 40 in einen Kreisverkehr“, erklärt der 46-Jährige.
„Gut, dass das nur die Wasserwand war“
Stück für Stück werden die Teilnehmenden mehr gefordert, nun heißt es Vollbremsung mit gleichzeitigem Ausweichen. Bei 40 bis 50 km/h baut sich vor den Autos plötzlich eine Wasserwand auf, in der es nur eine Lücke gibt, durch die die Autos durchpassen. Eine Sekunde Reaktionszeit und häufig landen die Teilnehmenden mitten im nassen Hindernis. „Gut, dass das nur die Wasserwand war“, scherzt Gerd Pollmann ins Funkgerät.
In der Nachbesprechung der Übung wird der ehemalige Polizist aber ernst. Ein paar Rechenbeispiele über Abstand und Bremswege im alltäglichen Stadtverkehr sollen die Teilnehmenden aufrütteln. „Zehn km/h zu viel in der 30er-Zone sind kein Kavaliersdelikt“, erklärt der Ende 60-Jährige und zeichnet Unfallsituationen mit schrecklichem Ende nach. Das wirkt, kurz vor der letzten Übung.
„Jetzt gehts auf die Schleuderplatte“, lacht Gerd Pollmann und die Teilnehmenden gucken verdutzt in die Runde. Was sie nun erwartet, wünscht man sich im Autofahr-Alltag weniger als alles andere zuvor. Die Teilnehmenden fahren mit 40 bis 50 km/h über eine computergesteuerte Platte, welche das Heck beim Drüberfahren entweder nach rechts oder nach links ausschlagen lässt.
Plötzlich schleudern
Reagiert man nicht rechtzeitig und mit heftigen Lenkbewegungen, dreht man sich auch schonmal um 360° um die eigene Achse. Ziel ist es nur durch Lenkung und ohne zu Bremsen die Situation zu entschärfen. Doch das Motto des ganzen Trainings gilt natürlich trotzdem: „Bremsen kann man immer!“
Die Gruppe rotiert in fünf Durchgängen, mal mehr und mal weniger über die rutschige Fahrbahn. „Ich habe den Zweck aller Übungen verstanden, aber warum wir das gemacht haben, da komme ich nicht drauf“, fragt sich ein Teilnehmer im Nachhinein. Gerd Pollmann löst auf: „Das soll euch mal zeigen, was passiert, wenn euch ein anderes Auto am Heck trifft.“
Wie gesagt, eine Situation, die man sich im Alltag nicht wünscht, doch hier konnte man sie mal erleben. Und genau das wird auch von den Teilnehmenden geschätzt: „Ich fand es gut mal die Schrecksekunde zu erfahren und möglichst schnell reagieren zu müssen“, erklärt eine Teilnehmerin im Abschlussgespräch.
Informationen zum Fahrsicherheitscentrum Rheinberg
Termine, Preise und weitere Informationen finden sich auf www.fahrsicherheitscentrum.de/. Kosten werden teilweise von Berufsgenossenschaften gefördert, weshalb viele auch viele Firmen das Angebot in Anspruch nehmen.
Im Schnitt besuchen jährlich etwa 3.500 Teilnehmende das Fahrsicherheitstraining. Neben Kursen für PKWs gibt es auch spezielle Trainings für Motorrad, LKW oder Wohnwagen.
Darüber hinaus gibt es auch extra Kurse beispielsweise für Senioren. Auch die Rettungsdienste wie die Polizei oder Feuerwehr absolvieren Fahrsicherheitstrainings in Rheinberg.