Rheinberg/Alpen/Kamp-Lintfort. Die geplanten weiteren Auskiesungen in Rheinberg und Umgebung mobilisierte 2021 Politik und Bürger gleichermaßen. Teil 4 unseres Jahresrückblicks

Egal, ob es die Politik oder die Bürger sind: Bei fast keinem anderen Thema ziehen die Menschen am Niederrhein so an einem Strang, wie sie es im Kampf gegen den Kiesabbau tun. Denn wenn es nach dem Regionalverband Ruhr (RVR) geht, sollen auch in Zukunft einige Hundert Hektar am Niederrhein ausgekiest werden, um den Kiesbedarf der nächsten 25 Jahren zu decken. Auf den aufkommenden Protest im vergangenen Jahr blicken wir im vierten und vorletzten Teil unseres Jahresrückblickes.

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Im Mai regte sich in Rheinberg erstmals Widerstand gegen die RVR-Pläne. Die hiesige SPD-Fraktion hatte sich Karten mit den potenziellen Auskiesungsflächen besorgt. Rheinberg treffe es wieder „richtig dicke“, sagte der Fraktionsvorsitzende Philipp Richter damals. Rund 1000 Hektar sollen in Rheinberg, Kamp-Lintfort, Alpen und Neukirchen-Vluyn ausgekiest werden – über 200 Hektar davon allein in Rheinberg. Die SPD kündigte an, sich politisch mit aller Macht gegen die Auskiesung zu wehren. Dem schlossen sich die ersten Rheinberger Bürgerinnen und Bürger im Juni an.

Bürgermeister rief zur Geschlossenheit auf

Hannah Bollig und Klaus Leonhards gründeten die parteiunabhängige Bürgerinitiative „Kieswende Rheinberg“. Mit Bannern und Flyern wollen sie die Bürger fürs Kies-Thema mobilisieren. Während bei der ersten Online-Auftaktveranstaltung gerade einmal 20 Personen teilnahmen, reichten die wegen der Corona-Pandemie begrenzten Plätze in der Stadthalle bei der ersten Präsenzveranstaltung im August gar nicht aus. 80 Interessierte durften kommen, Anmeldungen gab es fast doppelt so viele. Bürgermeister Dietmar Heyde rief den Niederrhein zur Geschlossenheit auf.

Ebenfalls im August forderte die CDU im Kreis Wesel den Austritt aus dem RVR, um weitere Auskiesungen einzudämmen. Dies sei die einzige Möglichkeit, um die ausgewiesenen Flächen zu schützen. Der SPD warf man mit Blick auf die kommende Landtagswahl einen „populistischen Wahlkampf“ vor. Das Kies-Thema parteipolitisch zu instrumentalisieren – wie es die SPD nach Ansicht der CDU gemacht habe – sei nicht der richtige Weg, um eine konstruktive Lösung für das Kiesproblem zu finden, sagte Sascha van Beek, CDU-Landtagskandidat für Alpen, Kamp-Lintfort, Rheinberg, Sonsbeck, Voerde und Xanten, damals. Mit einem Zehn-Punkte-Plan möchte die CDU im Kreis den Kiesabbau in der Region neu regeln. Unter anderem soll die Bedarfsermittlung geändert, ein größerer Fokus auf Recyclingprodukte gelegt und die Kiesunternehmen stärker in die Pflicht genommen werden – an der Forderung, den RVR zu verlassen, hält die CDU fest.

Abgrabungskonferenz in Essen

Im Oktober lud der RVR zur Abgrabungskonferenz nach Essen. Dort wurde deutlich: Die ausgewiesenen Kiesflächen im Kreis Wesel sind zu wertvoll, als dass sie so einfach aus der Regionalplanung wieder verschwinden. Das Wirtschaftsministerium kündigte einen engen Austausch mit den betroffenen Kommunen an und will mehr Pflichten für die Kiesindustrie. Die Bürgermeister der betroffenen Kommunen in Rheinberg, Alpen, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn nahmen bewusst nicht an der Abgrabungskonferenz, sondern an der parallel in Kamp-Lintfort stattfindenden Großdemo gegen teil und versicherten: Sie wollen alle juristischen und politischen Register ziehen, um die Auskiesungen zu verhindern.

Vier Bürgermeister ziehen an einem Strang gegen die Kiespläne (v.l.): Dietmar Heyde (Rheinberg), Thomas Ahls, (Alpen), Christoph Landscheidt (Kamp-Lintfort) und Ralf Köpke (Neukirchen-Vluyn).
Vier Bürgermeister ziehen an einem Strang gegen die Kiespläne (v.l.): Dietmar Heyde (Rheinberg), Thomas Ahls, (Alpen), Christoph Landscheidt (Kamp-Lintfort) und Ralf Köpke (Neukirchen-Vluyn). © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Welches Ausmaß der Kiesabbau erreichen könnte, wenn an den Plänen festgehalten wird, wurde ebenfalls im Oktober bei einem Besuch in Vierbaum deutlich: Dort sind die Anwohner am Hohen Weg besonders betroffen. 95 Hektar, eine Fläche so groß wie 134 Fußballfelder, soll rund um ihre Häuser abgegraben werden. „Es ist einfach unfassbar, und dann erfährt man als Anwohner so gut wie nichts darüber“, kritisierte Martin Maas.

Unterstützung von Olympiasiegerin Isabell Werth

Im Dezember erlebten die Kiesgegner vom Niederrhein einen Rückschlag: Die RVR-Verbandsversammlung stimmte mit großer Mehrheit für die Offenlage des Regionalplanentwurfs mitsamt den darin formulierten Kiesplänen für den Kreis Wesel. Nun haben die Bürger nur noch drei Monate Zeit, ihre Einwände einzureichen. Die Sitzung in Essen wurde von lautstarkem Protest von Bauern und Mitstreitern verschiedener Bürgerinitiativen aus dem Kreis Wesel begleitet.

Der Kampf gegen den Kiesabbau wird also auch in diesem Jahr weitergehen, das kündigten Bürgermeister Dietmar Heyde und sein Amtskollege aus Neukirchen-Vluyn, Ralf Köpke, im Dezember an. Sie holten sich mit Olympiasiegerin Isabell Werth ein prominentes Gesicht an ihre Seite. Die Rheinberger Dressurreiterin ist selbst von den Auskiesungen betroffen und fordert, alternative Rohstoffe zu fördern, statt weitere Kiesgruben zu schaffen.