Rheinberg. Anwohner in Vierbaum sind von den Auskiesungsplänen besonders betroffen: Rund um ihre Häuser soll ein Baggerloch neben dem anderen entstehen.

Wenn Martin Maas und seine Nachbarn Anne Aulbach und Willi Feldmann aus dem Fenster schauen, dann blicken sie auf grüne Felder und gelb blühenden Raps. Dass diese Aussicht bald tiefen Baggerseen, schwerem Gerät und einer Vielzahl von Lkw weichen soll, daran wollen sich die drei am liebsten erst gar nicht gewöhnen. Denn geht es nach dem Regionalverband Ruhr (RVR), dann soll direkt vor den Haustüren der Anwohner an der Straße Hoher Weg in Vierbaum in Zukunft noch mehr ausgekiest werden. Genauer gesagt 95 Hektar. Das entspricht rund 134 Fußballfeldern und einer Fläche, die sich bis zum Feuerwehrgerätehaus Pelden erstreckt.

„Es ist einfach unfassbar, und dann erfährt man als Anwohner so gut wie nichts darüber“, kritisiert Martin Maas. „Die Informationsbeschaffung ist äußert schwierig. Die Pläne des RVR auf der Internetseite sind sehr unübersichtlich“, sagt er. Erst als Grünen-Politiker Ernst Barten auf die Anwohner zukam und ein Transparent zum Protest an ihrem Gehöft aufhängen wollte, ist ihnen das Ausmaß des geplanten Kiesabbaus bewusst geworden.

Direkt an den Häusern vorbei

„Es ist gar nicht dran zu denken, dass jemand von der Planungsbehörde auf uns zukommt und mit uns spricht“, sagt Anne Aulbach enttäuscht. Und wenn man sich die Pläne ganz genau anschaut, dann fallen – je nach Version – die beiden Wohnhäuser in die ausgewiesenen Kiesflächen. „Dann wären unsere Häuser weg. Was bedeutet das für uns?“, fragt sich die Anwohnerin.

An einigen Stellen wird in dem kleinen Rheinberger Stadtteil bereits ganz gehörig abgegraben. Seit wenigen Wochen sind die Bagger zudem am Hohen Weg/Ecke Vierbaumer Weg aktiv und bereiten die nächste Auskiesungsfläche vor. Die Auswirkungen seien schon jetzt spürbar.

Fast bis zum Gartenzaun soll ausgekiest werden

„Der Verkehr hat ziemlich zugenommen. Rund 120 bis 150 Lkw fahren hier pro Tag. Und das ist erst der Anfang“, berichtet Maas. Um fünf Uhr rollen die ersten Lastwagen an, die letzten fahren manchmal erst gegen 21 Uhr wieder ab. Dass das jetzige Ackerland direkt an der Straße in den kommenden Jahren ausgekiest wird, das ist schon beschlossene Sache. Weil aber bekanntlich deutlich mehr Flächen ausgewiesen werden müssen, um den zukünftigen Kiesbedarf zu decken, soll nun aber auch rund um die Häuser und damit fast bis zum Gartenzaun der Vierbaumer ausgekiest werden. Und als wenn das nicht schon genug wäre, verläuft die geplante Amprion-Stromtrasse ebenfalls direkt an den Wohnhäusern vorbei.

Wegziehen ist für die 70-jährige Anne Aulbach und für ihren 85-jährigen Lebensgefährten Willi Feldmann sowie für Martin Maas (52) dennoch keine Option. Die beiden Häuser, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurden, sind seit jeher in Familienbesitz. „Das ist doch klar: Wir hängen an unseren Häusern. Ich habe meinem Vater nach dem Krieg geholfen, unseres wieder aufzubauen“, erzählt Aulbach. Sie bedauert es aber auch, dass die Natur vor ihrer Haustür verloren gehe. „Wir leben hier mit so viel Grün drumherum und haben so oft kleine Vögel und Rehe beobachten können. Das kriegt man so nie wieder hergerichtet.“

Ab 2022 plant die Bürgerinitiative Infoveranstaltungen

Zwar verspreche die Kiesindustrie die Renaturierung der Kiesflächen, doch ob diese wirklich so umgesetzt werde, sei fraglich, so Hannah Bollig, Sprecherin der Bürgerinitiative Kieswende Rheinberg. „Nach den gesetzlichen Kriterien reicht leider schon eine saubere Kante und das Anpflanzen von Brombeersträuchern“, erklärt sie. Ab 2022 plant die Bürgerinitiative Infoveranstaltungen und bereitet für einen Einspruch auch eine allgemeine und eine spezielle Vorlage für die betroffenen Flächen vor, die die Kiesgegner ausfüllen und einreichen können.

Ab Dezember beginnt voraussichtlich die viermonatige Einspruchsfrist gegen die RVR-Pläne. Auch die Anwohner in Vierbaum wollen weiter gegen den Kiesabbau kämpfen: „Man muss aufstehen und sich wehren. Ich denke nicht, dass wir den gesamten Kiesabbau verhindern können, aber eine Verkleinerung der Auskiesungsflächen wäre schon ein großer Erfolg für uns“, sagt Anne Aulbach.