Xanten. Im Mittelpunkt der aktuellen Schau des Xantener Museums steht eine Postkarte, die im Jugendstildekors farbenfroh und äußerst dekorativ daherkommt.
Das SiegfriedMuseum zeigt in wechselnden Kabinettausstellungen ausgewählte Objekte und öffnet die Schatzkiste des Museumsdepots. Im Mittelpunkt der aktuellen Schau steht eine Postkarte, die auf den ersten Blick im Jugendstildekors farbenfroh und äußerst dekorativ daherkommt. Der zweite Blick allerdings offenbart einen ganz anderen Zweck: Ein goldener Rahmen mit schwarzem Schriftzug umschließt einen Ritter in voller Rüstung, der einem aufbäumenden Untier sein goldenes Schwert in den Leib rammt. Nur sein übergroßer Schild trennt ihn von dem Monster.
Als Brosche getragen
Diese martialische Szene des Drachenkampfes und das umlaufende Schriftband mit Swastiken, Eisernen Kreuzen und der Jahreszahl 1915 lassen erahnen, dass es sich um eine Postkarte aus dem Ersten Weltkrieg handelt. Diese Postkarte wurde anlässlich der Kriegsnagelung des „Siegfried in Eisen“ in Wesel im September 1915 verkauft und zeigt das ursprünglich hölzerne und farbig gefasste Relief des kämpfenden Siegfrieds, der durch die Nagelungen zum „Eisernen Siegfried“ wurde.
Die Nägel konnten zu unterschiedlichen Beträgen erworben und an vorgebohrten Stellen eingeschlagen werden. Das Geld sollte den Kriegsversehrten und deren Angehörigen zugutekommen. Für den erworbenen Nagel gab es eine Urkunde, einen Bucheintrag und eine Medaille, sowie einen Schmucknagel, der gut sichtbar an der Kleidung als Brosche getragen werden konnte.
Koloss soll restauriert werden
Solch eine Nadel und Medaille aus Wiesbaden sind dem SiegfriedMuseum freundlicherweise als Leihgaben zur Verfügung gestellt worden und nun zusammen mit Wiesbadener Postkarten zu sehen. Dort wurde eine fast vier Meter hohe und ca. 30 Zentner schwere vollplastische Holzfigur, die Platz für 60.000 Nägel bot, zu den Worten „Jung Siegfried zeige dich“ enthüllt und benagelt. Der Koloss ist im Gegensatz zum Relief aus Wesel erhalten geblieben und soll restauriert werden.
Ebenso erhalten und öffentlich ausgestellt ist der „Eiserne Siegfried“ aus Königswinter am Drachenfels, der in den 1930er Jahren einen Sockel erhielt und zu Propagandazwecken quasi „wiederbelebt“ wurde. Die vierte Siegfried-Nagelfigur stand ursprünglich vor dem Rathaus in Mühlheim an der Ruhr. Dieser Drachentöter ist in den sechziger Jahren Holzwürmern zum Opfer gefallen. Für diese Kabinettausstellung sind aus den vier verschiedenen Orten Bildmaterial und Dokumente aus Archiven und Museen zusammengetragen worden, die die für heutige Betrachter eher befremdlich wirkende Praxis der Kriegsnagelungen erläutern soll.
Nagelungen wurden eingestellt
Neben dem Einwerben von Spenden hatten diese Nagelungen, die feierlich mit Paraden und Musik inszeniert wurden vor allem den Zweck, den Gemeinschaftssinn zu stärken. Vom Frühjahr 1915 bis in den Herbst 2016 fanden im Deutschen Kaiserreich über 1000 Nagelungen statt. Der bevorstehende Hungerwinter, der als so genannter „Steckrübenwinter 1916/17“ in die Geschichte einging, stoppte diese Propagandaveranstaltungen, denn Siegesgewissheit war Resignation gewichen.
Im Dezember 1916 wurden die Nagelungen auf Erlass des preußischen Innenministeriums eingestellt.