Mehr als 60 Termine der Kabarettistin sind ausgefallen. Auftritte in Autokinos sind nicht ihr Ding. Die 51-Jährige schreibt ihr neues Programm
Xanten-Lüttingen. Für den 3. Oktober 2021 ist der erste Auftritt mit dem neuen Solo-Programm geplant. „Von Liebe allein wird auch keiner satt“, lautet der Arbeitstitel. Der Anspruch: Das Publikum mit ihrem Humor für rund eineinhalb Stunden aus dem Alltag entführen. Ingrid Kühne arbeitet bereits an den Texten, die Kabarettistin sitzt mitunter bis tief in die Nacht am Laptop.
In den vergangenen Wochen fielen der 51-jährigen Lüttingerin die Ideen zu den Gags nicht gleich in den Schoß. „In der Corona-Zeit gibt’s Tage, da ist es schwerer, sich lustige Sachen auszudenken.“ Für Frau Kühne steht fest: „Es wird kein Corona-Programm geben. Das wollen die Leute nicht.“
Sie hat viel geschlafen
Nahezu unbeschwert war der Auftritt am 8. März in Bocholt, an dem Abend in der Alten Molkerei – die Pandemie noch ganz weit weg. In den Folgetagen ändert sich das rapide. Corona bestimmte immer mehr die Schlagzeilen. Der nächste Termin am 13. März in Weeze im Bürgerhaus wurde abgesagt. Schließlich kam der Lockdown und schickte auch Ingrid Kühne in den Zwangsurlaub. „Ich habe in der ersten Woche viel geschlafen. Schließlich lag die anstrengende Karnevalssession noch nicht lange zurück.“
Die Komikerin nutzte die hinzugewonnene Zeit, um mehr zu kochen, sich mit der Steuererklärung zu beschäftigen oder aufzuräumen. Mit Ehemann und Sohnemann spielte sie Monopoly oder Canasta. Aber Kühne machte sich auch Sorgen, weil ihre 83-jährige Mutter die Corona-Krise zunächst nicht ernst nahm. „Sie konnte erst gar nicht verstehen, dass ich keinen direkten Kontakt haben durfte und ihr die Medikamente am Balkon übergeben habe.“
Genüsslich auskosten
Andere Sorgen haben viele ihrer Kollegen, denen die Einnahmen fehlen. „Wenn das so weitergeht, stirbt die Kultur langsam aus. Ich kenne ganz viele Künstler, die sagen, dass es nicht mehr lange gut geht, die große Existenzängste haben und an ihre Ersparnisse gehen müssen, die fürs Alter vorgesehen waren.“ Auch Ingrid Kühne sind mehr als 60 Termine flöten gegangen. Kurzarbeit will sie nicht beantragen: „Ich habe in den Karnevalsmonaten sehr gutes Geld verdient und einen Ehemann, der noch berufstätig ist. Das Kurzarbeiter-Geld ist für Menschen, die in Not sind. Ich würde mich schämen, wenn ich es annähme“, erklärt die Kabarettistin.
Zwei größere Auftritte der anderen Art hatte die Humorbeauftragte in den vergangenen Monaten. Für eine halbe Stunde trat sie im Autokino in Herne auf. „Es ist aber nichts für mich, vor Blech zu spielen. Ich möchte mein Publikum schon sehen.“ Lustiger war die Show Anfang Juni im Talbahnhof Eschweiler – einem Event mit Drei-Gänge-Menü und Comedy. Obwohl wegen der Hygieneauflagen statt 220 nur 70 Gäste reindurften, drehte Kühne richtig auf. „Nach 89 Tagen Abstinenz war’s mal wieder ein Auftritt vor Menschen.“ Geplant war ein Stunde Programm, es wurden zwei Stunden. Sie kostete jeden Lacher genüsslich aus.
Aus dem Koffer leben
Ihr Solo-Programm „Okay, mein Fehler!“ soll Ende dieses Monats weiterlaufen. In Mönchengladbach im Hockey-Park. Das Publikum sitzt verteilt in 450 Strandkörben. „Es ein durchdachtes Konzept mit 200-prozentiger Sicherheit. Es gibt unter anderem neun Eingänge.“ Thema ist bei den Kühnes natürlich auch schon der Karneval. In der vergangenen Session kam’s vor, dass die gebürtige Aldekerkerin freitags für sechs, samstags für acht und sonntags nochmal für acht Auftritte gebucht war.
So einen vollen Terminkalender wird die Xantenerin diesmal sicherlich nicht haben. Derzeit würden die Veranstalter in den jecken Hochburgen darüber diskutieren, ob überhaupt und wie gefeiert werden kann. „Wenn in einem riesigen Saal wie dem Kölner Gürzenich statt 1400 Menschen nur die Hälfte oder weniger reindürfen, muss man sich schon fragen, ob es Sinn macht und ob da Spaß aufkommen wird.“ Gesprochen werde zudem über die Höhe der Honorare.
Aus dem Alltag entführen lassen
„Wir Künstler werden jetzt schon oft gefragt, ob wir im Falle des Falles den Veranstaltern finanziell entgegenkommen.“
Ingrid Kühne geht davon aus, dass sie viele der ausgefallenen Auftritte ihres Solo-Programms im nächsten Jahr nachholen kann.
Ihr Mann Ralf hegt bereits Befürchtungen, dass sie nur aus dem Koffer leben wird. Im September 2021 möchte die 51-Jährige dann die Vorpremiere fürs neue Programm spielen. Ohne Corona-Scherze, aber vor erwartungsfrohen Leuten, die sich von ihr bereitwillig aus dem Alltag entführen lassen.