Seit mehr als sechs Wochen ist nichts mehr los in dem Haus an der Xantener Südsee. Nur Leiterin Ursula Hiepler ist vor Ort. Finanzhilfe ist nötig.
Xanten. Alle 72 Stunden geht Ursula Hiepler über die menschenleeren Flure zu den 66 Übernachtungszimmern der Jugendherberge, um die Wasserhähne aufzudrehen. Das macht sie auch in den öffentlichen Bereichen. „Damit sich keine Bakterien wie Legionellen bilden“, sagt die Leiterin der Xantener Herberge. In dem Haus an der Südsee sind alle 236 Betten leer. Normalerweise ist zu dieser Zeit kein Übernachtungsplatz mehr frei. Doch die Corona-Pandemie sorgt auch in den Jugendherbergen für Stillstand. „2020 wäre unser bestes Jahr geworden. Das ließ sich schon im Januar absehen, da gab’s bereits über 50.000 Vorausbuchungen“, meint Hiepler, die seit Wochen allein die Stellung hält. In den Sommerferien, so hofft sie, wird wieder mehr los sein in der Xantener Jugendherberge.
Keine Rücklagen bilden
In Düsseldorf beim Landesverband (LVB) Rheinland im Deutschen Jugendherbergswerk weiß man die Arbeit von Ursula Hiepler zu schätzen. „Sie hat großen Anteil daran, dass Xanten einer unserer erfolgreichsten Standorte ist“, sagt Cathrin Arnemann, zuständig fürs Marketing und den Vertrieb beim LVB Rheinland, der Träger von 33 Jugendherbergen ist. Mitte März sind Hiepler und die anderen über 700 Voll- und Teilzeitkräfte in Kurzarbeit geschickt worden. „Uns blieb nicht anderes übrig. Wir sind ein gemeinnütziger Verein und dürfen laut Rechtslage keine Rücklagen bilden. Von Tag zu Tag wird’s schwieriger, da wir seit dem Erlass der Landesregierung vom 17. März von jetzt auf gleich alle Häuser schließen mussten und keine Einnahmen mehr haben“, schildert Arnemann die dramatische Situation. „Natürlich gibt’s Überlegungen, inwieweit unser Netzwerk mit 33 Jugendherbergen die Corona-Krise überstehen wird.“
Sobald Hiepler ihren Arbeitsplatz erreicht, beschleicht sie ein komisches Gefühl. Der Parkplatz ist verweist, kein Kindergeschrei ist zu hören, kein Chor übt in den Proberäumen. „Eigentlich ist Hochsaison. Viele Schulklassen waren angekündigt.“ Wenn das Telefon mal klingelt, sind’s oft Stornierungen. Buchungen sind allerdings weiter möglich – auch für die Sommerferien. Normalerweise sind die Betten für diese Wochen im Jahr längst belegt. Doch in Corona-Zeiten ist eben alles anders.
Nicht voreilig handeln
Cathrin Arnemann wundert sich darüber, dass jetzt schon Klassenfahrten, die weit nach den großen Ferien geplant waren, von Lehrern abgesagt werden: „Es gibt keinen Erlass, dass man die zu dem Zeitpunkt nicht durchführen darf.“ Sie sagt weiter, dass es in den Herbergen ohnehin „sehr hohe Hygienestandards“ gebe. „Und wir sind derzeit dabei, die Häuser coronatauglich zu machen.“ Arnemann erinnert zudem daran, dass Klassen- oder andere Gruppenfahrten für Kinder wie Jugendliche sehr wichtig seien, da das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werde und die Schulen daher nicht voreilig handeln sollten.
Weil die Einnahmen ausblieben, gerät auch der LVB Rheinland immer mehr in die Bedrängnis. „Wegen der Rechtsform greift bei uns bislang kein Rettungsschirm. Aber die Landesregierung hat Hilfe versprochen, bevor uns die Luft ausgeht“, weiß Arnemann. Ursula Hiepler kann es kaum abwarten, bis sich die Herberge in Xanten wieder mit Leben füllt.