Alpen/Sonsbeck/Kreis Wesel. In der Krise sind Landwirte auf Unterstützung bei der Ernte angewiesen. Die IG Bau mahnt: Fair bezahlen und die nötige Hygiene sicherstellen.

Was auf den heimischen Feldern in Alpen und Sonsbeck wächst, ist gefragte Ware im Kreis Wesel: „Regionale Produkte stehen ohnehin hoch im Kurs. Dazu kommt noch, dass während der Corona-Pandemie frisches Obst und Gemüse sowieso gut gehen – als willkommene Alternative zu den auf Vorrat gekauften Raviolidosen und Tütensuppen. Und natürlich als Rohstoff für die Lebensmittelindustrie“, sagt Karina Pfau von der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Duisburg-Niederrhein. Allerdings hätten viele Landwirte in der Region ein Problem, das sich durch die Corona-Pandemie nochmals massiv verschärfe: Es fehlen Helfer auf den Höfen, so die AgrarGewerkschaft IG BAU.

Saisonkräfte aus Rumänien oder Bulgarien dürften wegen der Corona-Pandemie nur bedingt einreisen – zu wenige, um eine reibungslose Ernte zu garantieren. „Jetzt geht es darum, ein neues Wort zu entdecken: ‚Ernte-Solidarität‘. Wer aus dem Kreis Wesel zupacken kann, sollte das jetzt tun. Es ist die Chance, Geld nebenbei zu verdienen und die Zeit sinnvoll zu investieren. Spargel, Spinat, Porree … – das April-Gemüse wartet nicht“, so Karina Pfau. Dabei gehe es nicht nur um die Ernte. Es sei auch die Zeit fürs Pflanzen und Säen: Karotten, Blumenkohl, Radieschen, Zwiebeln, Kopfsalat, Kohlrabi & Co. müssten jetzt auf die Felder. Im Mai nehme die Arbeit für Pflanz- und Erntehelfer dann noch einmal deutlich zu.

Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde

„Durch die Corona-Krise ist die Landwirtschaft auf etwas angewiesen, was es schon lange nicht mehr gab: Darauf, dass alle vor Ort mit anpacken. Auf ein ‚Pflanzen und Ernten – zu (fast) 100 Prozent made by Kreis Wesel ‘“, sagt Pfau von der IG BAU Duisburg-Niederrhein. Allerdings dürfe das nicht um jeden Preis geschehen, warnt die Agrar-Gewerkschaft: Lohn und vor allem auch Hygienestandards seien wichtig. „Wer Schüler, Studenten oder Flüchtlinge für die Arbeit auf dem Feld anheuert, der muss sie auch fair bezahlen“, verlangt die Bezirksvorsitzende der IG BAU DuisburgNiederrhein. Auch in der Landwirtschaft gelte der gesetzliche Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde. Zusätzlich fordert die IG BAU für Saisonarbeiter genauso wie für die Stammbelegschaften in Agrarbetrieben eine Erschwerniszulage. „Immerhin setzen sich die Beschäftigten in der Phase der Corona-Pandemie bei ihrer Arbeit auch einem gewissen gesundheitlichen Risiko aus“, so Karina Pfau. Landwirte in der Region sollten eingearbeitete Saisonkräfte daher „mit einem Lohn nicht unter 11 Euro pro Stunde vom Feld gehen lassen“.

Geduld ist gefragt

Viele würden zunächst ohne Vorkenntnisse kommen, was die Arbeit in der Landwirtschaft angeht: „Laien werden die professionellen Handgriffe erst lernen müssen“, so die Gewerkschafterin. Hier brauchten beide etwas Geduld – die Helfer, aber auch die Landwirte. „Schulen, Fachhochschulen und Unis, die geschlossen haben. Menschen in Kurzarbeit oder im Vorruhestand, die sich etwas hinzuverdienen wollen. Oder Beschäftigte, die schon ihre Kündigung bekommen haben. Und auch Geflüchtete, die ihre Chance sehen, an Arbeit zu kommen. – Die aktuelle Situation darf nicht dazu führen, dass Menschen bei der Erntearbeit auf den Feldern über den Tisch gezogen werden“, sagt Pfau. Neben der Bezahlung sei aber auch die Hygiene bei der Arbeit auf den Feldern wichtig – sogar das A und O: Es komme darauf an, auch draußen das regelmäßige Händewaschen und Desinfizieren sicherzustellen. „Das bedeutet, dass die Toilette am Feldrand einen Wasseranschluss braucht. Das sonst übliche Mobil-WC reicht hier nicht. Denn ohne Wasser kein Händewaschen“, macht Karina Pfau deutlich.

Eine Entschädigung bezahlen

Wenn Pflanz- und Erntehelfer in Unterkünften untergebracht werden, dann seien dabei Einzelzimmer notwendig. „Die Corona-Pandemie bedeutet das Aus der sonst üblichen Sammelunterkünfte. Denn dort gilt das gleiche wie auf den Feldern: Der Abstand von mindestens 1,5 Metern ist Pflicht. Besser ist eine ganze Zollstocklänge: also 2 Meter Abstand vom Nebenmann“, erklärt die IG BAU-Bezirksvorsitzende. Zudem müssten Sozial- und Sanitärräume alle zwei Tage fachmännisch gereinigt werden. „Was auch tabu ist: die Sammelfahrt von Feld zu Feld.

Neun-Mann-Bullis dürfen nicht mehr voll besetzt zum Einsatz kommen“, sagt Pfau. Erntehelfer sollten möglichst alleine und mit dem eigenen Pkw, Motorroller oder Fahrrad zur Feldarbeit fahren. Dafür müsse ihnen der Landwirt eine Entschädigung bezahlen.

„Die Corona-Gefahr lauert überall. Pflanz- und Erntehelfer dürfen das bei ihrem Einsatz unter freiem Himmel nicht vergessen. Es ist die Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitsplätze und Unterkünfte so einzurichten, dass die Hygienestandards einfach einzuhalten sind. Wer Fragen und Probleme hat, sollte sich an die IG BAU oder an das örtliche Gesundheitsamt wenden“, so Karina Pfau.

Wichtige Hygieneregeln für die Arbeit in der Landwirtschaft hat die Agrar-Gewerkschaft IG BAU online gestellt: www.igbau.de/Ploetzlich-Erntehelfer.html

Wer sich aus dem Kreis Wesel als Pflanz- oder Erntehelfer bewerben möchte, findet Jobs und weitere Infos unter www.agrarjobboerse.de. Stellenangebote gibt es auch auf dem Portal „Das Land hilft“ vom Bundeslandwirtschaftsministerium: www.das-land-hilft.de