Rheinberg. Jutta Breitkreuz hat ihren Mann Ulrich über ein Gedicht, das 1966 in der NRZ stand, kennen und lieben gelernt. Nun feiern sie Goldene Hochzeit.

„Weil ich es liebe, das Meer, werde ich diese Stadt, diese Gesellschaft verlassen und weg an den weißen Strand des weiten Wassers wandern.“ Die restlichen Verse kann Jutta Breitkreuz problemlos auswendig mitsprechen. Sie selbst nennt es ihr „Schicksalsgedicht“. Und das ist gar nicht mal übertrieben, denn diese Zeilen haben ihr Leben verändert – bis heute.

Ulrich und Jutta Breitkreuz aus Rheinberg-Orsoy haben sich über ein Gedicht in der NRZ kennen und lieben gelernt. Vor 50 Jahren gaben sie sich das Ja-Wort.
Ulrich und Jutta Breitkreuz aus Rheinberg-Orsoy haben sich über ein Gedicht in der NRZ kennen und lieben gelernt. Vor 50 Jahren gaben sie sich das Ja-Wort. © Jasmin Ohneszeit

Es war an einem Samstag, im April 1966. Jutta Albrecht, damals 15 Jahre jung, kehrte wie jeden Samstag vom Grafschafter Gymnasium in Moers zurück nach Orsoy, aß zu Mittag und schnappte sich ihre NRZ. In der Wochenendausgabe hatte es ihr die Seite „Für junge Autoren“ besonders angetan. Aufmerksam studierte sie die dort veröffentlichten Gedichte.

An jenem Samstag im April stieß sie dabei auf ein ganz Bestimmtes. Es waren die leicht melancholisch, aber ehrlich klingenden Worte von einem gewissen Ulrich Breitkreuz aus Essen. „Er ist da bereits öfter in Erscheinung getreten“, sagt sie lachend. Mehr als ein Dutzend Gedichte hatte Ulrich Breitkreuz damals schon in der NRZ veröffentlicht. Und obwohl es kein klassisches Liebesgedicht war, machten diese Verse etwas mit der jungen Dame aus Orsoy. Sie griff zur Schere, schnitt das Gedicht aus und beschloss, dem Autor aus Essen zu antworten. Zum Glück stand die Adresse ja direkt dabei.

„Ich war schon etwas überrascht, dass jemand auf mein Gedicht reagiert“

„Ich hatte das Gefühl, dass derjenige, der das geschrieben hat, traurig ist. Mit 15 Jahren dachte ich, dass er sich bestimmt freut, wenn ihm jemand schreibt“, erzählt Jutta Breitkreuz heute. Mag etwas naiv klingen, hat aber funktioniert. Sie schrieb dem Essener und er antworte schon wenige Tage später.

Das ist das Gedicht

Weil ich es liebe, das Meer, werde ich diese Stadt, diese Gesellschaft verlassen und den Weg an den weißen Strand des weiten Wassers wandern. Dort irgendwo werde ich liegen und das Meer wird mir mehr mitteilen über die Liebe.

Und der Strand wird durch meine Hände rinnen wie die Zeit Was wäre Zeit ohne Sand -- Sand ohne Zeit Und ich werde das Salz des Wassers mischen mit meinen Tränen wird es dann sein Salz oder mein Salz? Aber ach – die grollende Brandung sie wird meinen Traum zerstören und ich werde es nicht mehr lieben das Meer...

„Ich war schon etwas überrascht, dass jemand auf mein Gedicht reagiert“, gibt Ulrich Breitkreuz zu. Es entstand eine Brieffreundschaft. Es wurden Gedanken und wenig später auch Bilder ausgetauscht. Nach einigen Wochen, im Juni 1966, beschlossen die 15- und der 19-Jährige sich erstmals persönlich in Moers zu treffen. Und dann war es um Jutta Albrecht geschehen: „Er sah auch noch so gut aus“, erzählt sie.

Da war sie nicht allein. Auch bei Ulrich Breitkreuz hat es sofort gefunkt. Klingt nach dem perfekten Liebesglück, doch Jutta Albrechts Eltern machten dem einen Strich durch die Rechnung. Sie haben ihrer Tochter den Kontakt zu dem jungen Mann verboten, schließlich steckte diese mitten in den Abiturvorbereitungen und war noch nicht einmal volljährig. Das hielt die beiden Verliebten aber nicht davon ab, sich zu verabreden.

"Dann heiraten wir eben"

Es wurde getrickst und sich heimlich getroffen. Im August knickten die Eltern dann doch ein und gaben der Beziehung grünes Licht. „Aber nur, wenn ich in der Schule nicht schlechter wurde“, erinnert sich Jutta Breitkreuz. Wurde sie nicht. Drei Tage vor der mündlichen Prüfung haben sich die beiden verlobt. Nach dem Abitur ging es mit den Problemen aber irgendwie weiter: Der Traum nach einer gemeinsamen Wohnung, blieb eine Wunschvorstellung. Unverheiratete Paare unter einem Dach? Zur damaligen Zeit undenkbar.

Sie zog allein in eine kleine Wohnung nach Duisburg, studierte auf Lehramt. Die Vermieterin erteilte ihrem Ulrich, der mittlerweile in Essen als Architekt arbeitete, Hausverbot. „Dann heiraten wir eben“, beschlossen sie. Gesagt, getan. Weil das „Fräulein Albrecht“, zukünftige Breitkreuz, erst 19 war, musste Papa auf dem Standesamt die Heiratsurkunde unterzeichnen. Die kirchliche Trauung folgte am 4. Juli 1970, im kleinen Kreis in der evangelischen Kirche in Orsoy. Genau dort findet auch der Gottesdienst zur Goldenen Hochzeit am 4. Juli diesen Jahres statt. Eine kleine Feier mit Familien und Freunden ist geplant. Den Bund fürs Leben haben die beiden vor 50 Jahren geschlossen und er hält bis heute.

Zwei erwachsene Kinder und mittlerweile fünf Enkelkinder gratulieren

Jutta und Ulrich Breitkreuz haben zwei erwachsene Kinder und mittlerweile fünf Enkelkinder. Vor fünf Jahren ist das Ehepaar von Essen zurück in Jutta Breitkreuz‘ Heimat nach Orsoy gezogen. Ein Geheimrezept für ihre ewige Liebe haben sie nicht. Ulrich Breitkreuz hat nur eine Vermutung: „Jeder ließ und lässt den anderen immer noch so sein wie er ist.“ Die Gedichte, die er damals verfasst hat, sind mittlerweile in einem eigenen Band zusammengetragen. Und was findet man direkt auf einer der ersten Seiten? Na klar, das besagte NRZ- „Schicksalsgedicht“.