Rheinberg. 200 Gäste wollten im Stadthaus hören, wie die klimafreundliche Verkehrswende am Niederrhein gelingt. Die Debatte steht erst am Anfang.
Rheinberg versteht sich als klimafreundlicher Tempomacher. Nun geht man hier den nächsten Schritt. Das Stadthaus entpuppt sich als Keimzelle einer nachhaltigen Verkehrswende am Niederrhein. Dabei geht’s weit über die mit Milliarden aus den Bundeshaushalt angeschobene Abkehr vom Verbrennungsmotor hin zur E-Mobiltät hinaus. Das regionale Klimaschutzbündnis aus 13 Akteuren, die für Mittwochabend zum Vortrag von Professor Heiner Monheim ins Stadthaus geladen hatten, will das Auto als allein selig machendes Fortbewegungsmittel ausbremsen.
Blick richtet sich weitüber die Motorhaube hinaus
Alternativ soll ein attraktives, von den Menschen angenommenes öffentliches Verkehrsangebot auf den Weg kommen. Der Blick weit über die Motorhaube hinaus stieß auf beachtliches Interesse. Annähernd 200 Gäste wollten den Vortrag des Vordenkers hören, sich an Ständen der Aktionsgruppen umschauen und mit diskutieren, wie Mensch künftig auch auf dem platten Land nicht mehr nur fast ausschließlich individuell vom Fleck kommt.
Monheim weiß, wovon er redet. Sein Ansatz sei längst keine graue Theorie mehr. Er habe Stadtbus-Konzepte, die auch Rheinberg gefahrlos für Bürger und Klima gewinnbringend umsetzen könne, Anfang der 90er Jahre in Ostwestfalen auf die Straßen gebracht. Die würden bis heute gut laufen. „Ich habe gehofft, dass das im Land zum Flächenbrand heranwächst“, sagte der Hochschullehrer im Gespräch mit der Redaktion. „Aber der ist leider ausgeblieben.“ Zu stark sei die Fokussierung auf das Automobil.
Angebot muss verlässlichund komfortabel sein
Nun komme durch die E-Mobilität wieder Fahrt in die Debatte. Als er vom Bahnhof zum Stadthaus geradelt sei, seien ihm Busse mit dreistelligen Linienziffern begegnet. Sein System für eine Stadt wie Rheinberg gehe nur von eins bis vier. Vier Linien, bestückt mit acht Kleinbussen, reiche aus, pro Jahr bis zu 1,5 Millionen Fahrgäste innerorts im Halbstundentakt von A nach B zu bringen und so jede Menge Autofahrten – statistisch 2,7 pro Kopf pro Tag – überflüssig zu machen. Das Potenzial auszuschöpfen, setze allerdings ein öffentliches Angebot voraus, das verlässlich und komfortabel sei.
Der Umstieg sei nicht allein Kopfsache. „Er muss den Leuten schmecken“, sagte der Professor.
Als wichtige Partner im Kampf um eine radikale Verkehrswende, die nicht als „Antriebswende“ verkümmere, sieht Monheim die Kirchen mit ihren fast 27 Millionen Mitgliedern. Die würden nicht mehr wie früher Autos segnen, sondern inzwischen der „Bewahrung der Schöpfung“ Vorfahrt einräumen. Die ist auch für Heinrich Klay-Olsen vom Neuen Evangelischen Forum in Moers wesentlich. Ihm geht’s dabei auch um Glaubwürdigkeit der Botschaft: „Kirche muss tun, was sie predigt.“ Auch Michael Terkübel vom BUND Moers ist die Fokussierung aufs Auto zu kurz gesprungen.
Und auch die Globalisierungkritiker von Attac sind mit im Boot bei der Abkehr vom Individualverkehr – aus sozialen Motiven, wie Klaus Kubernus-Perscheid sagte. Ziel sei es, den Nahverkehr im Kreis Wesel so attraktiv zu gestalten, dass sich mehr Leute ein Jahresabo leisten könnten als Autos auf der Straße rollen. Bis dahin seien „noch dicke Bretter zu bohren“.