Rheinberg. . Die Leerstände in der Fußgängerzone stehen in der Kritik. Der Handelsverband sieht vor allem im Online-Handel eine zu große Konkurrenz.

Nachmittags in der Rheinberger Innenstadt: Die Geschäfte haben geöffnet, das Wetter ist einigermaßen in Ordnung, doch so richtig viel los ist in der Fußgängerzone nicht. Ein Passant liest sich das Plakat am Schaufenster der Bäckerei Tebart durch und schüttelt den Kopf. Die Nachricht, dass nun auch die Bäckerei in der Gelderstraße schließt und im kleineren Straelen einen wirtschaftlicheren Standort sieht (NRZ berichtete), sorgt für Gesprächsstoff – und das vor allem in den sozialen Medien.

„Rheinberg, wann wachst du endlich auf?“, heißt ein Beitrag in einer Rheinberger Facebookgruppe. Mehrere Dutzend Menschen kommentierten diesen und die Mehrheit macht deutlich: Die Fußgängerzone scheint immer mehr an Attraktivität zu verlieren. „Es ist leider nicht überraschend, dass der Leerstand immer größer wird. Bei den zig Umleitungen, permanenten Baustellen und undurchsichtigen Parkmöglichkeiten ist es einfach kein Wunder, dass der Besuch ausbleibt“, schreibt ein Nutzer.

Kritik am Angebot

„Ein weiterer herber Verlust. Es gibt kein Muss mehr in die Innenstadt, für die Deckung meiner Grundbedürfnisse (Essen, Trinken etc.) zu gehen oder zu fahren. Ob es auch an den ständigen Baustellen liegt? Mein Vater kannte vor mehreren Jahrzehnten schon den Spruch: ‘Operation gelungen, Patient tot.’“, kommentierte ein anderer. Ein weiterer Nutzer äußert sich ebenfalls sehr kritisch: „Rheinberg ist seit Jahrzehnten als Einkaufsstadt auf dem Stand eines Entwicklungslandes.“

Das Angebot wurde kritisiert, besonders für Jugendliche gebe es keine große Auswahl an Geschäften. „Ich würde gerne den Einzelhandel unterstützen. Aber wo nichts Interessantes ist, kann ich auch nichts holen. Dafür muss ich dann nach Wesel oder online shoppen.“ Ein anderer sieht die Stadt in der Verantwortung: „Ich glaube, das Kernproblem liegt darin, dass die Stadt einfach nicht die Kompetenz hat, ein entsprechendes Konzept auf die Beine zu stellen. Nicht falsch verstehen, ich möchte damit nicht eine oder mehrere Personen bei der Stadt kritisieren. Das Problem ist das System in der Verwaltung. Da fehlt es an Expertise in den einzelnen Abteilungen mit entsprechenden Ausbildungen. Ich glaube, ohne externe Fachkompetenz wird das nie was.“

Thomas Bajorat, Wirtschaftsförderer der Stadt Rheinberg, bezog auf Anfrage der Redaktion Stellung. „Rheinbergs Vorteil ist die historische Innenstadt, die zieht auch Touristen von außerhalb an. Gleichzeitig ist das auch unser Nachteil: Aufgrund des historischen Baus sind die Ladenflächen verhältnismäßig klein.“ Das halte vor allem größere Ketten davon ab, ein Ladenlokal in der Fußgängerzone anzumieten. Anfragen gebe es schon. „Wir können als Stadt auch nur ein gewisses Maß an Marketing betreiben, weil wir keinen Maklerauftrag haben. Wir versuchen die Rahmenbedingungen zu schaffen, indem wir durch die Sanierung die Aufenthaltsqualität erhöhen.“

Doch es gibt auch positive Meinungen: „Was „Frau“ gern shoppt sind Klamotten und Schuhe, und da komme ich in Rheinberg (noch) super klar“, schreibt eine Nutzerin. Eine andere stimmte ihr zu. Bei ihr habe vor vielen Jahren ein Umdenken stattgefunden. Sie kaufe nicht mehr online, sondern fast alles was sie benötige, vor Ort in Rheinberg.

Online-Handel: Genau das sei nämlich das große Problem für den hiesigen Einzelhandel, erklärt Wilhelm Bommann, Geschäftsführer des Handelsverbandes Niederrhein. „Die Einzelhändler haben bis zu 30 Prozent Marktanteil gegenüber den Online-Shops verloren.“ Das betreffe vor allem die Kernbranchen, die in Fußgängerzonen zu finden sind: Inhabergeführte Boutiquen, Schuh- oder Ledergeschäfte.

Er verwies auch auf Online-Riesen wie Amazon. „Wenn ich lese, dass der Versandhandel seinen Standort in Rheinberg ausbaut und so auch ein anderes Sortiment abdeckt, ist das kein gutes Zeichen für den Einzelhandel.“ Bommann kann die Kritik, vor allem an der Baustellensituation, teilweise verstehen. „Die Baumaßnahmen sind einerseits zu begrüßen, weil die Stadt etwas für den öffentlichen Raum tut. Nachteil ist die Erreichbarkeit, das schreckt einige Kunden ab.“ Dennoch sieht der Experte Rheinberg nicht auf dem absteigenden Ast, sondern eher in einer Pause. „Die Stadt hat ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal: Die Bausubstanz. Die historische Ansicht, zum Beispiel an der Gelderstraße, muss man mit Marketingstrategien nutzen.“

Eventmanager kommt

Apropos Marketing: In der Politik ist das Thema Leerstände bereits angekommen. Im Hauptausschuss im März brachte die FDP einen Antrag durch, eine Dreiviertel-Stelle für einen Event- und Tourismusmanager zu schaffen. „Es ist eine nachhaltige Investition und könnte die Stadt beleben“, warb FDP-Fraktionschef Herbert Becker damals. Im Laufe des Jahres soll die Stelle ausgeschrieben werden, so Bajorat.

Und dann sind da ja auch noch die Neueröffnungen: In der Gelderstraße eröffnete Ümit Catalköprü sein Teegeschäft „Eudaimonia Tea“. „Wir wollen Rheinberg aufwerten. Wir haben jetzt schon Kunden aus Duisburg, Essen oder Kamp-Lintfort“, sagte der Inhaber zufrieden. An der Rheinstraße tut sich ebenfalls was: Dort eröffnet in Kürze ein Barbershop.