Oberhausen. An einem Oberhausener Gymnasium haben Schülerinnen und Schüler eine Probewahl für Europa absolviert - mit einem erstaunlichen Verlierer.

„Und? War langweilig, oder?“, fragt eine Schülerin ihre Freundin auf dem Weg aus der Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums in Oberhausen. „Nein!“, antwortet diese und schüttelt vehement den Kopf. Denn Politik kann auch spannend sein. Erst recht, wenn man erstmals die Chance hat, selbst Einfluss auf diese zu nehmen.

Denn in diesem Jahr können bei der Europawahl erstmals Jugendliche ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben. In Oberhausen kommen 3222 Jugendliche in diesen Genuss. Im Vorfeld haben nun in einer Probewahl 250 Oberstufen-Schülerinnen und -Schüler am Bertha-von Suttner-Gymnasium ihr Kreuzchen gesetzt.

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Es hat am Bertha schon Tradition: Vor jeder Wahl an diesem Gymnasium in Alt-Oberhausen organisiert die Demokratie-AG einen Polittalk mit unterschiedlichen Parteien. So nahmen in diesem Jahr Repräsentanten der Linken, Volt, Grünen, SPD, FDP und CDU auf dem Podium Platz und ließen sich 1,5 Stunden mit Fragen der Schüler löchern - die AfD fehlte. Erst nach der Debatte durften die Schüler ihr Probekreuz auf Wahlscheinen in einer geheimen Wahl machen. Am Ende zeigte sich: Verlierer der Veranstaltung sind bei den Neunt- bis Elftklässlern die Grünen mit nur 9,3 Prozent der Stimmen. Zum Vergleich: Bei der Probewahl am Bertha zur Bundestagswahl 2021 kamen die Grünen noch auf 34 Prozent.

Als Sieger der Europa-Probewahl kann sich die FDP mit 23 Prozent feiern, die mit dem Oberhausener Max Baum vertreten war. Der 23-Jährige ist einer von zwei Oberhausener Kandidaten für das Europäische Parlament. Nicht gerade unwahrscheinlich ist es, dass ihm sein Heimspiel am Bertha äußerst positiv in die Karten gespielt hat. Denn an dieser Schule hat der heutige Journalismus-Student 2018 sein Abitur gemacht. Als Schüler lauschte er den Podiumsdiskussionen; nun ist er in der Rolle, die Fragen der Erstwähler zu beantworten.

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Und es ging direkt und ungehemmt los. Denn eine Tatsache ließ die beiden Abiturientinnen und Moderatorinnen, Talia und Thusara, gleich etwas kritisch in die Runde mit Frank Laubenburg (die Linke), Kai Tegethoff (Volt), Sebastian Girrullis (die Grünen), Jens Geier (SPD), Max Baum (FPD) und Werner Nakot (CDU) blicken. Unter den sechs Politikern befand sich keine Frau auf dem Podium.

Von links: Jens Geier (SPD), Max Baum (FDP) und Werner Nakot (CDU) stellten ihre Wahlprogramme bei der Podiumsdiskussion am Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Oberhausen vor.
Von links: Jens Geier (SPD), Max Baum (FDP) und Werner Nakot (CDU) stellten ihre Wahlprogramme bei der Podiumsdiskussion am Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Oberhausen vor. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Krieg, Migration und Klimakrise beschäftigt die jungen Oberhausener

„Herr Baum, warum liegt der Frauenanteil bei der FDP nur bei 21 Prozent?“, war daher die erste unangenehme Frage, der sich Max Baum stellen musste. Seine ausweichende Antwort: „Das ist ein Problem, das uns auch in der Partei stark beschäftigt.“ Besänftigend versucht er hinzuzufügen, dass der Anteil in Oberhausen bei immerhin fast 30 Prozent läge.

Neben Themen wie Gleichberechtigung und einer Frauenquote interessieren sich die jungen Menschen auch für Themen wie Migration und Krieg. Hitzig wird die Diskussion, als es ums Thema Waffenlieferung in die Ukraine geht. Frank Laubenburg (Linke) positioniert sich klar dagegen und meint: „Waffenlieferung ist keine Unterstützung für die Ukraine. Es besteht keine Chance für die Ukraine, diesen Krieg zu gewinnen, auch nicht mit unseren Waffen.“ Entsetzen auf dem Podium. Kai Tegethoff (Volt) und Sebastian Girrullis (Grüne) kontern vehement: „Wenn Putin aufhört zu kämpfen, ist der Krieg vorbei. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, ist die Ukraine vorbei.“

Waffenlieferung, Klimakrise und das Wahlrecht ab 16: Frank Laubenburg (die Linke), Kai Tegethoff (Volt) und Sebastian Girrullis (die Grünen) standen bei der Podiumsdiskussion am Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Oberhausen den Schülern bei diesen Themen Frage und Antwort.
Waffenlieferung, Klimakrise und das Wahlrecht ab 16: Frank Laubenburg (die Linke), Kai Tegethoff (Volt) und Sebastian Girrullis (die Grünen) standen bei der Podiumsdiskussion am Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Oberhausen den Schülern bei diesen Themen Frage und Antwort. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Wahlalter von 18 auf 16 Jahren herabgesetzt: Das halten Politiker in Oberhausen davon

Auf die Frage, wie die Parteien zu dem auf 16 Jahre gesenkten Wahlalter stehen, bekommen die Schüler von den meisten Parteien die Antwort, die die hören wollen: „Wir finden das gut, dass junge Menschen bereits ab 16 wählen dürfen“, sind sich fast alle einig. Einzig CDU-Ratsherr Werner Nakot spricht sich dagegen aus. Er glaubt aber, dass seine Partei diese Position mittelfristig ändert.

Doch es gibt auch Themen, bei denen sich die Parteien einig sind. Eine klare Haltung müsse gegen rechte Parteien gezeigt werden. Tatsächlich war die AfD als fünftstärkste Fraktion im Bundestag nicht anwesend. Außerdem erachten es alle Parteien als wichtig, wählen zu gehen. Dazu haben sie noch einen Tipp an die jungen Schüler: Echte Veränderung entsteht erst, wenn man sich selbst aktiv in der Politik beteiligt.

Schülerinnen und Schüler der neunten bis elften Klasse versammelten sich in der Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums in Oberhausen, um die Politiker mit ihren Fragen zu löchern.
Schülerinnen und Schüler der neunten bis elften Klasse versammelten sich in der Aula des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums in Oberhausen, um die Politiker mit ihren Fragen zu löchern. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Das wünschen sich junge Menschen in Oberhausen von der Politik

Diese Aussagen unterstützt auch die Moderatorin der Runde, Thusara Mathivathanan, im Gespräch mit der Redaktion. Die 18-Jährige wird definitiv zu ihrer ersten Wahl gehen: „Wir sind die Zukunft der Gesellschaft und sollten diese aktiv mitgestalten. Viele kritisieren die Politik, aber wollen selbst nichts ändern.“ Ihr habe die Diskussionsrunde geholfen, ihre Wahlentscheidung zu festigen. Sie fand es aber auch hilfreich, sich mit den Wahlprogrammen der anderen Parteien auseinander zu setzen.

„Wir wünschen uns, dass die Politiker mehr auf unsere Interessen eingehen. Häufig sitzen in der Politik viele ältere Menschen. Dabei ist es wichtig, auch die jungen Stimmen zu hören.“ Konkret wünscht sich Thusara: „Ich fänd es schön, wenn die Bürger im Allgemeinen mehr Mitbestimmungsrechte hätten. Beispielsweise in Form von einer direkten Demokratie.“

Die Ergebnisse der Probewahl am Bertha-von-Suttner-Gymnasium im Überblick

FDP23,0%
Volt19,4%
SPD14,1%
CDU11,3%
die Linke9,7%
die Grünen9,3%
AfD4,8%
die Partei2%
BSW1,2%
DKP0,4%
NSW0,4%
BündnisD0,4%
Ungültig4,0%