Oberhausen. Die schwierige Wohnungssituation nutzen nach Beobachtung von Mieterschützern einige Vermieter aus, um alte Mieter mit Billigmiete loszuwerden.

  • Dieser Bericht erschien bereits Ende Mai 2024 - und wird wegen des hohen Leserinnen- und Leserinteresses hier noch einmal veröffentlicht.
  • Wer ein Mehrfamilienhaus oder ein Einfamilienhaus kauft, kann bisherige Mieter leicht kündigen, wenn er Eigenbedarf anmeldet. Schließlich ist das Eigentumsrecht ein hohes Gut - und wenn der Eigentümer eine Wohnung selbst oder für seine Familie nutzen will, kann man ihm das nicht verwehren
  • Doch es gibt eben auch Vermieter, die den Eigenbedarf nur vorgeben, und die vor allem eines damit beabsichtigen: Den bisherigen Mieter aus der Wohnung zu bekommen, um die Räume deutlich teurer weiterzuvermieten.
  • Wie können betroffene Mieter da handeln? Wir haben beim Eigentümerverband Haus&Grund sowie bei Mietervereinen nachgefragt.

Die Mieter des Mehrfamilienhauses im Oberhausener Norden leben schon seit vielen Jahren froh und glücklich in ihren vier Wänden. Doch jetzt droht ihnen Ungemach. Das Gebäude hat ein neuer Eigentümer gekauft - und der hat den Bewohnern wegen angeblichen Eigenbedarfs gekündigt. Enge Verwandte von ihm sollen demnächst dort in die Wohnungen einziehen. Gibt der neue Vermieter in seinem Kündigungsschreiben zumindest an.

Mieter wollen höhere Preise durchdrücken

Fälle wie diese häufen sich und es trifft Mieter in Zweifamilienhäusern ebenso wie in Wohnkomplexen, beobachtet Stefan Salecker, Leiter der Oberhausener Beratungsstelle vom Mieterbund Rhein-Ruhr. Der Jurist könnte auf Anhieb noch eine Reihe weiterer Ratsuchenden nennen, die ihre Wohnung verlassen mussten oder sollen, weil der Besitzer Eigenbedarf geltend macht. Vielfach lässt sich auch nichts gegen die Begründung einwenden, betont der Fachmann.

Doch es gibt eben auch Vermieter, die den Eigenbedarf nur vorgeben, und die vor allem eines damit beabsichtigen: Den bisherigen Mieter aus der Wohnung zu bekommen, um die Räume deutlich teurer weiterzuvermieten. Denn die geltenden Mietgesetze erlauben es Eigentümern von Mietwohnungen bei alt eingesessenen Mietern nur äußerst begrenzt, die Miete zu erhöhen. Der aktuelle Mietspiegel, genehmigt von den Eigentümerverbänden, den Mietvereinen und der Stadtverwaltung, setzt hier Obergrenzen - aus Schutz der Mieter, damit die bisherige Wohnung nicht plötzlich unbezahlbar wird.

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Vermietet dagegen der Hauseigentümer eine Wohnung neu, dann darf er deutlich höhere Mieten für die neuen Bewohner der Wohnung verlangen. Neue Mieter zu finden, dürfte nicht so schwierig sein, schließlich ist Wohnraum auch in Oberhausen knapp. Alte Mieter loswerden, neue Mieter hereinholen - auf diese Weise lässt sich also aus dem eigenen Immobilienbesitz mehr Geld herausholen.

Die rechtlichen Hürden schätzt der Anwalt des Mieterbundes Rhein-Ruhr als recht gering ein. Hartmut Bartnik vom Mieterschutzbund, einem weiteren Mieterverein in Oberhausen, pflichtet ihm bei. Eine kurze, knappe Begründung reicht in dem Kündigungsschreiben aus, beispielsweise der Sohn, der wieder nach Hause zurückkehrt, weil er einen Job gefunden hat. Wahlweise kann es auch der Bruder oder der Neffe sein, denn neben der geraden Verwandtschaftslinie (Eltern-Kinder) gilt auch der beabsichtigte Einzug von Verwandten aus der Seitenlinie (Geschwister und Angehörige) als Eigenbedarf.

Der Mietvertrag besteht schon seit Jahrzehnten, doch dann erwischt es die Mieter: Der Hausbesitzer will sie loswerden und schickt ihnen die Kündigung.
Der Mietvertrag besteht schon seit Jahrzehnten, doch dann erwischt es die Mieter: Der Hausbesitzer will sie loswerden und schickt ihnen die Kündigung. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Verwandte werden oftmals nur vorgeschoben

So sehr es sich vielfach auch um in der Realität korrekte Begründungen handelt, wie Salecker und Bartnik hervorheben, lässt sich eines nicht von der Hand weisen: Rein rechtlich betrachtet, können Hauseigentümer hier leicht täuschen. Beispielsweise ziehen eines Tages andere Mieter als der Sohn in die entsprechende Wohnung ein. Nach Erfahrung der Mieter-Juristen heißt es dann einfach, es habe nicht mit dem neuen Arbeitsplatz des Sohnes geklappt. Wahlweise kommt auch die Freundin ins Spiel, der die Wohnung entgegen ersten Beteuerungen dann doch nicht gefallen habe. Unter Umständen ist sie plötzlich schwanger - und die Wohnung bietet für die junge Familie dann doch nicht genug Platz.

Stefan Salecker leitet das Beratungscenter des Mieterbundes Rhein Ruhr: Es gibt einen neuen Hauseigentümer im Oberhausener Norden, der gleich allen bisherigen Mietparteien wegen Eigenbedarfs aus den Wohnungen gekündigt hat.
Stefan Salecker leitet das Beratungscenter des Mieterbundes Rhein Ruhr: Es gibt einen neuen Hauseigentümer im Oberhausener Norden, der gleich allen bisherigen Mietparteien wegen Eigenbedarfs aus den Wohnungen gekündigt hat. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Einen Nachweis zu führen, dass der Einzug ohnehin nie in Rede stand, „ist ein schwieriges Unterfangen“, heben die Vertreter der Mietervereine hervor. „Da bleibt dann meist nur die Möglichkeit, sich im Umfeld des Eigentümers genau umzuhören, um an sachdienliche Informationen zu kommen“, sagt Salecker. Mitunter bleibt auch unklar, ob es sich wirklich bei dem neuen Mieter um den angeblichen Verwandten handelt. Selbst ein gezieltes Nachfragen bringt nicht unbedingt die gewünschte Klarheit.

Hauseigentümer-Wechsel: Gerade ältere Menschen sind zunehmend in Sorge

Dass Menschen zunehmend in Sorge um ihre Wohnung sind, hat Harald Bartnik gerade erst wieder erlebt. Zwei ältere Damen haben erfahren, dass Banker im Haus waren, um den genauen Wert der Immobilie zu ermitteln. Die Seniorinnen befürchten nun, über kurz oder lang eine Kündigung im Postkasten zu finden.

Falls es zu einem Gerichtsverfahren kommen sollte, zählen Krankheiten und körperliche Einschränkungen als gewichtige Argumente für ihren Verbleib. Doch eine Gewähr sei das keineswegs, sagt der Anwalt. „Man mag es kaum glauben, aber es gab außerhalb von Oberhausen den Richterspruch, dass zwei 90-jährige erblindete Frauen wegen Eigenbedarfs ihre Wohnung, in der sie seit Jahrzehnten lebten, räumen mussten.“ Ganz häufig aber, betont Bartnik, erkennen Richter soziale Härtegründe an, etwa wenn der Umzug einer Seniorin oder einem Senior nicht mehr zuzumuten ist und damit auch das Lebensumfeld verloren gehen würde.

Harald Bartnik vom Mieterschutzbund: Ältere Menschen, vor allem wenn sie krank sind, haben vor Gericht in der Regel gute Chancen, sich gegen eine Eigenbedarfskündigung zur Wehr zu setzen.
Harald Bartnik vom Mieterschutzbund: Ältere Menschen, vor allem wenn sie krank sind, haben vor Gericht in der Regel gute Chancen, sich gegen eine Eigenbedarfskündigung zur Wehr zu setzen. © Mara Tröger

Beide Mietervereine vertreten immer wieder Mitglieder vor Gericht, die Rechtsmittel gegen eine Kündigung einlegen. Falls es wirklich gelingt, die Unrechtmäßigkeit des Eigenbedarfs zu untermauern, können Mieter Schadensersatz bekommen, beispielsweise für die gezahlten Umzugskosten oder die Ausgaben für den längeren Weg zur Arbeit von der neuen Wohnung aus. Eines bekommen sie – trotz aller Ausgleichszahlungen – aber nicht zurück: die bisherige Wohnung.

Mahnende Worte des Oberhausener Eigentümverbandes Haus & Grund

Gerade weil Eigenbedarf, so einfach er auch als Kündigungsgrund formuliert sein mag, doch klaren Regeln unterliegt, mahnt der Eigentümerverband Haus & Grund die eigenen Mitglieder zur Vorsicht im Umgang mit diesem Kündigungsgrund. „Der Bedarf sollte auch wirklich bestehen, ansonsten kann es für Eigentümer richtig teuer werden und führt zu Rechtsstreitigkeiten, die sich vermeiden lassen“, sagt Jochen Schütz, Geschäftsführer des Verbandes in Oberhausen. Die Ex-Mieter können Schadensersatzansprüche einklagen und vierstellige Summen einfordern.

Der Oberhausener Haus-und-Grund-Geschäftsführer Jochen Schütz: „Der Bedarf sollte auch wirklich bestehen, ansonsten kann es für Eigentümer richtig teuer werden.“
Der Oberhausener Haus-und-Grund-Geschäftsführer Jochen Schütz: „Der Bedarf sollte auch wirklich bestehen, ansonsten kann es für Eigentümer richtig teuer werden.“ © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Dass Hausbesitzer diesen Weg wählen, um höhere Mieteinnahmen erzielen zu können, sei nicht von der Hand zu weisen, sagt Schütz. Dabei schöpfen sie dann gern die rechtlichen Möglichkeiten auch komplett aus, gehen unter Umständen bei der Mietkalkulation auch darüber hinaus nach dem Motto: wo kein Kläger, da kein Richter. Zulässig ist rechtlich betrachtet bei einer Neuvermietung eine Miete, die 20 Prozent über dem Mietspiegel liegt.

Parteien sehen sich vor Gericht wieder

Wie viel Geld indes der Eigentümer eines Wohnhauses in einem nördlichen Stadtteil wohl nehmen wird, weiß Stefan Salecker momentan noch nicht. Dafür zieht er aber die Begründung, die der Vermieter für den Eigenbedarf anführt, stark in Zweifel. Angeblich soll der Sohn der Lebensgefährtin einziehen, mit der er zum Zeitpunkt der Kündigung noch gar nicht verheiratet war. Somit bestand auch kein Verwandtschaftsverhältnis.

Die Parteien werden sich demnächst wohl vor Gericht wiedersehen. Das ist auch bei den eingangs erwähnten Mietern des Mehrfamilienhauses zu erwarten, die allesamt ausziehen sollen. Salecker sieht aber große Chancen für die Betroffenen aufgrund ihres höheren Alters und des schon recht lang andauernden Mietverhältnisses.

>>>>>>>>>>Rechtliche Hinweise und Service<<<<<<<<<<<<

Wenn eine Mietpartei eine Kündigung erhält, ist die Frist für ihren Auszug von der Dauer des Mietverhältnisses abhängig. Im Falle einer Zeitspanne bis zu fünf Jahren bleiben noch drei Monate, bei fünf bis acht Jahren sind es sechs Monate und im Fall von mehr als acht Jahren handelt es sich um neun Monate.

Peter Heß, Vorstand vom Mieterbund Niederrhein, der ebenfalls in Oberhausen Mitglieder zählt, warnt im Fall einer Kündigung vor übereilten Reaktionen. Manchmal neigen Mieter nämlich dazu, sofort Widerspruch einzulegen, sagt der Fachmann. Dabei sei es immer ratsam, das Schreiben erst einmal auf seine Richtigkeit hin prüfen zu lassen, um dann weitere Schritte zu überlegen.

Kontaktdaten: Mieterschutzbund, Marktstraße 45, 46045 Oberhausen, 0208/802051
Fax: 0208 / 80 20 53, ob@mieterschutzbund.net
Mieterbund Rhein-Ruhr Oberhausen, Willy-Brandt-Platz 4, 46045 Oberhausen, 0208/98992763, oberhausen@mieterbund-rhein-ruhr.de
Mieterbund Niederrhein Goebenstraße 51, 46045 Oberhausen, 0208/299014, info@msb-mbn.de
Haus & Grund Oberhausen, Christian-Steger-Str. 29, 46045 Oberhausen, : 0208/805011,
mail@h-u-g-o.com

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