Oberhausen. Knobelturnier, Kneipenquiz, Bier - und viel Geschichte. Ein Reisebus hat die Freunde von urigen Gaststätten durch Oberhausen gefahren.
Kein Bier vor vier, plaudert der Volksmund so gerne, wenn es um frühes Nippen und Kippen geht. Vielleicht steht deshalb der grüne Linien-Sonderbus pünktlich um 16 Uhr an der Haltestelle vor „Olis Büdchen“ am Ebertplatz. Ums Kippen geht es an diesem Freitag weniger. Organisator Heinz Wagner verspricht schließlich eine „Genusstour“ zu den immer rarer werden Eck- und Traditionskneipen in Oberhausen. Sechs Gaststätten in zunächst vier geplanten Stunden. Mit erlesenen Kostproben. Klingt gut, also einsteigen - und los!
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Knapp 50 Euro pro Person hat das Ticket für die kleine Reisegruppe gekostet. Alle Karten waren schnell vergriffen. Während sich Erkundungswillige im mittleren Alter gegenseitig vorstellen, der Bus in den ersten Gang schaltet, wedelt Heinz Wagner mit wohl bekannten Lederbechern, in denen es bedeutungsschwer raschelt: „Zwischen den Stationen gibt es Programm. Es wird wie in der Kneipe geknobelt!“
„Neue Kneipen kennenlernen!“, „Alte Kneipen wiedersehen!“ oder „Einfach eine schöne Zeit haben“, sagen die Bus-Passagiere zu ihren Erwartungen, nachdem der Transporter am Dreistädteeck von Oberhausen, Essen und Mülheim zum ersten Mal die Türen öffnet. Die Laune ist schon ganz gut. Gerade eben gab es ein kleines Fläschchen „Artilleriefeuer“, den bekannten Fruchtbitter-Likör der Familie Wollberg von der Wehrstraße. 1906 in Kesseln einer Dachdeckerei erfunden.
Kneipen in Oberhausen: Kneipen-Abenteurer entdecken verborgene Schankbetriebe
Rumms! Die erste massive Tür schnellt auf. Bei „Frintrop“ an der Mühlenstraße gluckert feiner Wein ins Glas und landen kleine Probier-Häppchen aus Lachs, Schnitzeln und Salat auf Tellern. „Eine Wucht!“, finden sie am Tisch hinten rechts, während der erste Knobelbecher die Stille durchbricht.
Gastgeber Hermann Frintrop kommt kurz aus der Küche: „Früher hat man den Wirt gefragt, ob geknobelt werden darf“, mimt er den knurrigen Kneipenmeister. Es wird gelacht. In dritter Generation ist das urige Innere gerne gesehen bei Freunden hervorragender Küche (gutbürgerlicher Preis plus ein Euro). Irgendwo angesiedelt zwischen Kneipe und Restaurant. Ganz früher öffnete das Gasthaus schon um 6 Uhr morgens. „Bergleute haben dann ihren Flachmann aufgefüllt.“
Weiter geht‘s! Nach Deftigem, folgt eine süße Zwischenstation. Bei „Café Cordes“ an der Sterkrader Steinbrinkstraße, auch schon 66 Jahre am Ort, stellt Chefin Angelika Cordes ihren Kakao mit Schuss und begleitenden Schokokugeln samt kubanischem Rum auf die Tabletts. Genau die richtige Zutat für ein heiteres Kneipenquiz. „Wie viele Autobahnen kreuzen Oberhausen?“ Es hageln aus den Spielergruppen die Zahlen wie beim Bingo. Zeremonienmeister Heinz Wagner notiert gewissenhaft Punkte für richtige Antworten. „Danke schön, wiedersehen!“
Der Bus nimmt nun Kurs auf den Stadtnorden. Was ein Glück, die Straßen sind an diesem Freitagnachmittag überraschend frei. Vom Höhenweg biegt der Linienbus auf eine kleine Nebenstraße. An der Walsumermarkstraße stoppt er vor einem hohen Kneipenschild: Zur alten Hardt! „Kenn ich gar nicht!“, sind einige Kneipen-Abenteurer verblüfft. Für Außenstehende ein Geheimtipp, für die Walsumer Mark ist der kleine, urige Kneipenschlauch wie ein Wohnzimmer. Sogar der ehemalige Oberhausener Oberbürgermeister Burkhard Drescher soll hier gerne sein Jägerschnitzel speisen.
Kneipen in Oberhausen: Camembert-Schnittchen, Mettbrötchen und Kneipen-Friko
Wirtin Verena Hoffmann klärt auf: „Wenn unsere Kneipen-Hardt im Internet manchmal mit zwei A geschrieben wird, ist das nicht richtig.“ Auf der Hardt bedeute übersetzt: Auf der Höhe. Die Kneipe sieht aus wie aus den guten alten Kneipentagen. Wer zum Essen kommen möchte, sollte besser reservieren. Im Sommer öffnet ein Biergarten. Das erste Pils (König-Pilsener 1,90 Euro) landet auf dem Tisch. Daneben stehen Mett- und Käsebrötchen. „Nee, watt schön!“ Doch versacken gilt nicht, der Zeitplan wankt bereits.
Quasi um die Ecke, am Holtener Bahnhof, aber trotzdem noch in Schmachtendorf, wartet Wirt Thomas Küper im Traditionshaus Küper mit 112 Jahre alter Kneipengeschichte. Die Kegelbahn ist hier verschwunden, stattdessen ist an der Schmachtendorfer Straße ein neuer Biergarten hinter dem Haus entstanden. „Wir planen Live-Konzerte und regelmäßige Kneipenquiz-Runden“, sagt der Wirt, während im Plenum nach Pils-Blumen und auch zwei Cola-Gläsern angetoastete Schnittchen mit Camembert und Preiselbeersoße zum Mund geführt werden. Heinz Wagner zückt die Quizkarten. Es wird wieder gelacht...
Wenn‘s am schönsten ist, soll man gehen? Na gut! Der Sonderbus bahnt sich den Weg zur 1846 errichteten Siedlung Eisenheim. An der nahen Kniestraße hat das nicht minder historische „Haus Koopmann“ die Türen geöffnet. Gesangsvereine, Gewerkschaften, Parteien, Geburtstage, Kommunion, Rauen... Hier ist die charmante Eckkneipe mit zwei Sälen noch sozialer Treffpunkt - fast wie früher. Und endlich liegt auch das Leib- und Magengericht von überzeugten Gasthof-Kennern auf dem Teller: die Frikadelle. Es wird gespeist - und bestens temperierter Gerstensaft geschlürft.
Kneipen in Oberhausen: „Alter Osterfelder“ für Kneipenquiz- und Knobelsieger
Endstation? Von wegen. Einer geht! Zuvor verteilt Heinz Wagner aber große Zettel mit Songtexten und tippt auf die Tasten seines Handys. Gitarren-Akkorde erklingen, während der Bus längst wieder rollt. Alle singen „Glück auf, der Steiger kommt“ - und zwar in einer Punk-Version. Passanten lünkern von außen neugierig in den gut gelaunten Bus.
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Zurück am Ebertplatz wartet in der Theaterkneipe bereits RWO-Präsident und Falstaff-Chef Hajo Sommers zum letzten Prost. Ob er den etwas ironisch-kratzbürstigen Wirt nun spielt oder nicht, diese Frage ohne Antwort gehört bei ihm zum Gesamtkunstwerk. Heinz Wagner verteilt die Preise für die Knobel- und Quizgewinner. Darunter: eine Spirituosen-Flasche „Alter Osterfelder“. Dass aus vier geplanten Stunden längst fünf geworden sind, stört nicht wirklich. Die Teilnehmer sind sich einig: Es war ein schöner Nachmittag!
Gute Nachricht gibt es vom Genusstour-Chef: Zwar sind Karten für die weiteren Termine am 5. Juli und 2. August 2024 bereits vergriffen. Doch Heinz Wagner verspricht noch Zusatztermine in diesem Jahr. Die gereichten Kostproben sind übrigens im Fahrpreis (49 Euro) enthalten.
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