Oberhausen. Der Turm im Hauptbahnhof birgt ein Geheimnis: zwei riesige alte Wassertanks. In einem davon entfaltet ein Australier seine Klangkunst.

Träumerei, das Vergessen des Alltags, Eintauchen in die Natur oder in eine Welt der Phantasie, das bringt man eher nicht mit dem funktionellen Gebäude des Oberhausener Hauptbahnhofs in Verbindung. Und doch ist darin Platz für solche Eindrücke. Im Turm nämlich. Der Verein Kultur im Turm (Kitev) hat ihn seit 2006 in Beschlag. Freitagabend hat der australische Medienkünstler Rees Archibald dort seine Klangkomposition „Water Dreams“ (Wasserträume) präsentiert.

Der Weg dorthin führt über ein trist-graues, verwinkeltes Treppenhaus, das immerhin über viele Fenster verfügt. Auf dem Bahnhofsvorplatz spiegelt sich die Lichterwelt in der regennassen Fahrbahn. Weiter oben wird der Aufstieg eng. Es geht in die sechste Etage.

Tanks und Turm: Eigenartige Verbindung von Beton und Ziegelstein

Dampfloks haben einst Unmengen Wasser verbraucht. Das haben sie beim Stopp im Hauptbahnhof nachgetankt. Zu diesem Zweck sind um 1930 herum im Obergeschoss des Turms, von außen nicht zu erkennen, zwei riesige Wasserbehälter aufgestellt worden, etwa zehn Meter hoch. Längsträger aus Beton und klassische Ziegelsteine gehen dort ohnehin eine eigenartige Verbindung ein. Die beiden Wassertanks sind ganz aus Beton. Sie verjüngen sich 18-eckig nach unten.

Allein die nach unten sich verjüngende 18-eckige Basis der beiden Wassertanks ist mannshoch. Daraus wurden die Dampfloks am Hauptbahnhof gespeist.
Allein die nach unten sich verjüngende 18-eckige Basis der beiden Wassertanks ist mannshoch. Daraus wurden die Dampfloks am Hauptbahnhof gespeist. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Noch vor Jahren führten zwei unsichere Leitern etwa zwei Meter hoch zu einem vielleicht einen Quadratmeter großen Durchlass ins Innere eines der Tanks. Inzwischen sind die Leitern durch stabile Gerüste mit Stiegen und Geländer ersetzt. Im ersten von mehreren Durchgängen nehmen es an diesem Abend etwa 20 Besucher auf sich, sich nach dem Treppenaufstieg zu Rees Archibald in den Tank zu begeben. Sie verhalten sich darin fast andächtig, werden von Vite Joksaite und Stefan Schroer von Kitev begrüßt.

Klänge rieseln von oben den offenen Tank herunter

Der Künstler hat auf einem Ständer seinen tragbaren Computer aufgebaut mit einem kleinen Bedienpult daneben. Beiderseits der inneren Stiege leuchten zwei Scheinwerfer das Dunkel aus. Man erkennt, dass der Wassertank nach oben offen ist. Von dort „rieseln“ jetzt auch die elektronischen Klänge ins Innere herunter, die der Australier komponiert hat.

Klangkünstler Rees Archibald aus Australien in der Einstiegsluke zum Inneren des Wassertanks.
Klangkünstler Rees Archibald aus Australien in der Einstiegsluke zum Inneren des Wassertanks. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Dass man mit 20 Personen im Tank nur stehen kann, trübt den Hörgenuss etwas. Denn die Klänge, die für etwa eine Viertelstunde zu hören sind, verlangen eigentlich danach, sie sich im Sitzen oder ganz entspannt im Liegen anzuhören. Man vernimmt das Plätschern von Wasser, das Kreischen von Möwen am Meer, Wind und Wasser wogen auf, dann plötzlich, nach einer kurzen Pause, wähnt man sich im Urwald mit seiner Vielfalt an Tiergeräuschen und schließlich wie in einer Höhle, in der es tropft.

Klänge im Tank wirken am schönsten mit geschlossenen Augen

Es kommen aber auch eindeutig synthetische Klänge zum Tragen, eine rhythmisch akzentuierte Melodie, die an Filmmusik erinnern lässt. Das alles tritt wellenförmig auf, man meint, die Geräusche würden die Seiten wechseln. Der Künstler trägt dazu Erläuterungen vor, die in die gleiche Richtung deuten.

Markantes Trio: Bahnhofsturm, Wasserturm und Gasometer - aufgenommen vom Dach des Hochhauses an der Friedrich-Karl-Straße, dessen Parterre ebenfalls Kitev als „Oberhaus“ bespielt.
Markantes Trio: Bahnhofsturm, Wasserturm und Gasometer - aufgenommen vom Dach des Hochhauses an der Friedrich-Karl-Straße, dessen Parterre ebenfalls Kitev als „Oberhaus“ bespielt. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

„Toll“, sagt nachher unten, im Kitev-Lokal „Leerstand“, Manuela (50) aus Königshardt. „Ich hab‘ die Augen dabei zugemacht und mich wie am Meer gefühlt.“ Ihr Begleiter Eckhard (63) kennt sich mit elektronischer Musik aus. „Das ist alles technisch viel anspruchsvoller, als man ahnt“, erzählt er. Das mache man nicht mal eben so. Es gehe ja von einem einzigen Lautsprecher aus, wirke aber ganz anders.

Die Klanginstallation ist noch bis zum 5. April zu erleben

Die Klanginstallation von Rees Archibald im Turm vom Hauptbahnhof, Willy-Brandt-Platz, Zutritt über „Leerstand“, kann noch bis zum 5. April, mittwochs (12 bis 17 Uhr) und freitags (17 bis 21 Uhr), ausgenommen am Karfreitag, besucht werden. Der Eintritt ist frei.

Die Installation gehört zum Projekt „Tuam – The Urban Art Meltingpott“ (Der Schmelztiegel der urbanen Kunst) und wird vom Land NRW gefördert.