Oberhausen. Das Schöffengericht Oberhausen hat einen jungen Mann wegen versuchten Wohnungseinbruchs verurteilt. Ein spannender Indizienprozess.

An diese Nacht werden sich viele Bewohner von Schmachtendorf und Walsumermark noch gut erinnern: Ein Hubschrauber der Polizei kreiste mit eingeschaltetem Suchscheinwerfer am späten Abend des 23. April 2023 über das nördliche Oberhausen, auch Streifenwagen waren im Stadtteil unterwegs, nachdem es gegen 22.20 Uhr dort an der Tüsselstraße zu einem versuchten Wohnungseinbruch gekommen war. Jetzt musste sich ein Angeklagter (25) deshalb vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Oberhausen verantworten. Das Schöffengericht sah es als erwiesen an, dass der junge Kroate zu den drei Tatbeteiligten jenes Abends gehörte und verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung.

Ein aufmerksamer Zeuge und Nachbar hat damals die Polizei alarmiert. „Ich stand auf dem Balkon und habe dort geraucht“, berichtete der Zeuge im Saal 21 des Amtsgerichts. Plötzlich habe er in der Dunkelheit drei verdächtige Gestalten beobachten können, die sich über einen Garagenhof näherten und dann vor dem Erdgeschoss-Balkon eines benachbarten Hauses stehenblieben. Zwei der Männer seien hinaufgeklettert und hätten mit einer Taschenlampe in die dortige Wohnung hineingeleuchtet. Dann hätten sie sich an der Balkon-Eingangstür mit Werkzeugen zu schaffen gemacht. Der dritte Mann habe sich wieder etwas entfernt und offenbar Schmiere gestanden. Es kam nicht zum vollendeten Einbruch, denn: Der Zeuge alarmierte die Polizei, die kurz darauf mit mehreren Streifenwagen anrückte und einen der Täter vor Ort festnehmen konnte. Dieser Mann ist von der Justiz gesondert verfolgt und bereits verurteilt worden.

Nächtliche Flucht in Linienbussen und mit dem Taxi bis nach Essen

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Den beiden weiteren Beteiligten gelang die Flucht vom Tatort. Einer der Männer ist bis zum heutigen Tag unbekannt. Beim dritten Tatbeteiligten soll es sich um den jetzt angeklagten 25-Jährigen handeln, der dann noch in der Tatnacht gefasst werden konnte. Seine Flucht soll sich an jenem Abend ziemlich abenteuerlich gestaltet haben. Er soll – in verdreckter Kleidung und mit blutverschmierten Händen, die er sich offenbar bei dem Einbruchsversuch zugezogen hatte – den Linienbus der Stoag genutzt haben, um von der Haltestelle Schmachtendorfer Markt zur Haltestelle Olga-Park zu gelangen, soll dort in einen Nachtexpress-Bus Richtung Bottrop umgestiegen sein und ab dem dortigen ZOB mit einem Taxi weiter Richtung Essen gefahren sein, wo es der effizient fahndenden Polizei gelang, ihn festzunehmen. Auch zwei Polizisten sagten dazu nun vor Gericht aus.

Der Angeklagte schwieg dagegen eisern zu den Tatvorwürfen. Das Schöffengericht hatte es also mit einem Indizienprozess zu tun, in dem diverse Details eine wichtige Rolle spielten. So sind im Bereich des Tatorts an der Tüsselstraße Mützen, Handschuhe und Socken aufgefunden worden, die die Täter auf der Flucht offenbar zurückließen und die auf DNA-Spuren hin untersucht worden sind. Daran finden sich Mischspuren mehrerer Menschen, teils auch die DNA des Angeklagten. Bei der Urteilsfindung spielte für das Schöffengericht zudem eine wichtige Rolle, dass der Angeklagte wegen Wohnungseinbruchs vorbestraft ist. Der in diesem Fall bereits gesondert verfolgte und verurteilte Mann ist dabei als Komplize des Angeklagten bei früheren Delikten aktenkundig. Zuletzt hat der Angeklagte eine entsprechende Haftstrafe von 18 Monaten komplett abgesessen. Doch schon kurz danach ist er nach Überzeugung des Gerichts wieder einschlägig in Erscheinung getreten, nämlich an der Tüsselstraße in Walsumermark.

Verteidigung fordert Freispruch: „Gesamte Beweiskette nicht stimmig“

Die Verteidigung des Mannes plädierte auf Freispruch für ihren Mandanten, weil die gesamte Beweiskette nicht stimmig sei und er vor Ort von keinem der Zeugen habe identifiziert werden können. Die Staatsanwaltschaft forderte ein Jahr und sechs Monate. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Alexander Conrad ging dann noch über dieses Strafmaß hinaus und verurteilte den Kroaten zu zwei Jahren und sechs Monaten. Der Vater zweier kleiner Kinder muss allerdings zunächst nicht in Haft, da das Gericht in diesem Fall parallel zum Haftbefehl einen sogenannten Verschonungsbeschluss in Kraft beließ. Der Angeklagte, der nicht in Oberhausen, aber in der Region wohnt, hat eine höhere Kaution hinterlegt. Es besteht nach Überzeugung des Gerichts keine Fluchtgefahr.