Oberhausen. Im ausführlichen Interview geht es um schwere Anschuldigungen gegen die Tafel Oberhausen. Was sagt die Tafel-Vorsitzende dazu?

In einer Mail an die Redaktion erhebt eine Bürgerin (Name der Red. bekannt) schwere Vorwürfe gegen den Vorstand der Tafel Oberhausen. Kundinnen und Kunden der Tafel, aber auch Ehrenamtliche würden beschimpft, beleidigt und gedemütigt. Der Vorstand decke ein solches Verhalten, behauptet diese Bürgerin. Die Redaktion hat die Vorsitzende der Tafel Oberhausen, Silvia Willershausen, mit diesen Vorwürfen konfrontiert und dazu ein Interview geführt.

Frau Willershausen, werden bei der Tafel Oberhausen ehrenamtlich tätige Kräfte beschimpft, beleidigt und gedemütigt?

Silvia Willershausen: Nein, das ist nicht der Fall. Bei der Tafel Oberhausen gehen wir auf solch eine Weise nicht mit Menschen um.

Wie erklären Sie sich dann solche massiven Vorwürfe?

Es kommt immer wieder vor, dass ehemalige Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter unzufrieden sind und dann vielleicht meinen, mit anonymen Vorwürfen, mit Internet-Kommentaren oder Mails an Redaktionen reagieren zu müssen. Aber es gibt meiner Meinung nach nichts, über das man in einem solchen Fall nicht persönlich miteinander sprechen kann. Der gesamte Vorstand und ich sind stets gesprächsbereit, auch um einzelne Arbeitssituationen zu klären. Es kann keine Rede davon sein, dass sich der Vorstand gegenseitig deckt und Missstände unter den Teppich kehrt. Aber man muss uns ansprechen. Wenn man miteinander redet, findet man in den meisten Fällen gute Lösungen. Ich selbst leite an zwei Tagen in der Woche zwei Einsatzgruppen, da sind solche Vorwürfe völlig fehl am Platz. Wir haben tolle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen!

Werden Kundinnen und Kunden bei der Tafel beschimpft, beleidigt und gedemütigt?

Nein, auch das ist nicht der Fall.

Wie erklären Sie sich dann diese massiven Vorwürfe?

Wir haben nicht oft, aber gelegentlich mit Beschwerden von Kundinnen und Kunden zu tun. Auch hier gilt: Wir sind jederzeit ansprechbar, um das zu klären. Aber es gibt bei uns Regeln, an die man sich als Kunde oder Kundin in der Wartezeit und bei der Ausgabe der Lebensmittel halten muss. Gerade im Bereich vor der Tafelkirche gelten in der Wartezeit solche Regeln, zumal wir insgesamt sehr wenig Platz auf dem Bürgersteig zur Verfügung haben. Die Transporter mit den gespendeten Waren fahren im Bereich der Warteschlange an der Ecke Buschhausener Straße/Gustavstraße zum Ausladen vor die Tafelkirche. Dort ist es sehr eng. Die wartenden Menschen sollen deshalb in der Warteschlange bleiben, damit niemand gefährdet wird und organisatorisch alles klappt. Das funktioniert auch meistens gut, aber nicht immer. In solchen Fällen müssen wir die Menschen vor Ort darauf hinweisen, in der Warteschlangen-Reihe zu bleiben und sich an die Regeln zu halten. Auch mal mit klaren Worten. Außerdem tun wir alles dafür, dass die Abgabe der Lebensmittel an die Bedürftigen gerecht erfolgt. Das Recht des Stärkeren gab es vielleicht vor der Pandemie mal. Heute jedoch sind wir logistisch so aufgestellt, dass wir strikte Regeln haben und eine gerechte Ausgabe umsetzen können.

Silvia Willershausen, Vorsitzende der Oberhausener Tafel: „Bei uns wird niemand beschimpft und beleidigt.“
Silvia Willershausen, Vorsitzende der Oberhausener Tafel: „Bei uns wird niemand beschimpft und beleidigt.“ © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Wie schaffen Sie es, eine gerechte Ausgabe für mehr als 1100 Kunden zu realisieren?

Wir nutzen ein speziell für uns entwickeltes Computersystem, die Kunden haben eine Kundenkarte, jeder Einkauf wird registriert und wir haben ein Ticketsystem, über das die Reihenfolge des Einkaufs per Zufallsgenerator vorgegeben wird. Derzeit lassen wir gerade eine App entwickeln, die sich unsere Kunden im Frühjahr kostenlos herunterladen können und in der in 20 verschiedenen Sprachen der Tafelbetrieb erklärt wird.

In einem Brief an die Tafel Oberhausen ist jetzt ein Vorstandsmitglied massiv angegriffen worden. Menschen in der Tafel-Warteschlange sollen etwa mit dem Wort „Russenpack“ beschimpft worden sein. Stimmt das?

Wie gesagt: Bei uns wird niemand beschimpft und beleidigt. In unserer Kundenkartei stehen Menschen aus 67 Nationen. Hier wird niemand fremdenfeindlich behandelt, hier ist niemand als „Russenpack“ tituliert worden. Bei uns wird jeder Kunde und jede Kundin gleich behandelt, unabhängig von Nationalität, Sprache, Religion, Hautfarbe, Geschlecht oder Alter. Wenn Waren an viele Menschen verteilt werden müssen, gibt es mitunter lange Wartezeiten und jeder bekommt nicht so viel. Das führt bei manchen Kunden zu Unzufriedenheit. Manchmal machen sie dann ihrem Unmut durch rassistische Äußerungen Luft. Etwa zwei Drittel unserer Kunden sind Ukrainer, das gefällt nicht allen anderen Kunden. Wenn wir sowas mitkriegen, halten wir massiv dagegen und schließen rassistische und respektlose Kunden zeitweise vom Einkauf aus. In dem entsprechenden Schreiben finden sich weitere massive, unwahre persönliche Vorwürfe. Wir haben einen Anwalt eingeschaltet und Strafanzeige erstattet. Hier geht es um den Straftatbestand der Beleidigung und falschen Verdächtigung. Wir werden das nicht einfach akzeptieren.

Blick in die Tafelkirche an der Buschhausener Straße/Gustavstraße in Oberhausen-Lirich.
Blick in die Tafelkirche an der Buschhausener Straße/Gustavstraße in Oberhausen-Lirich. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Wie stressig ist die Arbeit bei der Tafel Oberhausen?

Viele tolle Menschen engagieren sich bei uns. Und diese Zusammenarbeit macht tagtäglich viel Freude. Aber: Der Tafel-Arbeitstag hat zwölf Stunden und mehr. Vom Abholen der gespendeten Lebensmittel über das Ausladen bis zum Sortieren und zur Warenausgabe. Viele unserer Ehrenamtlichen sind 65 bis 70 Jahre alt. Gerade für sie ist das ein körperlich oft sehr harter Job. Deshalb suchen wir auch ständig jüngere Ehrenamtliche, die sich aber leider kaum melden.

Immer mal wieder ist auch der Vorwurf zu hören, sie würden „Müll“ statt guter Lebensmittel an die Menschen ausgeben?

Wir geben niemals „Müll“ an die Kundinnen und Kunden aus, aber der Besuch bei der Tafel ist eben auch kein regulärer Einkauf. Wir sind auf das angewiesen, was wir von den Unternehmen als Lebensmittel gespendet bekommen. Beim Sortieren wird alles sorgfältig gesichtet. Die ausgegebene Ware ist stets überprüft und - so weit wir das sicherstellen können - qualitativ in Ordnung. Wir können aber leider nicht an jedem unserer vier Ausgabetage pro Woche alle Lebensmittel-Wünsche komplett erfüllen. Die Lebensmittelabgaben der Tafel können keine Vollversorgung leisten, sie sind für die Bedürftigen vielmehr eine Hilfe, Geld zu sparen.