Oberhausen. Die Ludwiggalerie präsentiert als kleinen Ausschnitt die Werke von 26 Kreativen, die sonst ihre Kunst zum Ausleihen bereitstellen.
Zahlenfetischisten, die sonst dem Kult der vielstelligen Ziffernfolgen frönen, dürfen aufmerken: Denn der Artothek gelingt das gar nicht so kleine Kunststück, mit stetigem, scheinbar bescheidenem Wachstum, groß aufzublühen. Ursula Bendorf-Depenbrock präsentierte ein paar anregende Statistik-Happen, als es galt, eine besondere Ausstellung in der Panoramagalerie des „Kleinen Schlosses Oberhausen“ anzukündigen: Unter dem Motto „Art Upgrade 2024“ stellt sie einige jener Künstlerinnen und Künstler vor, die ihre Werke gerne und kostenfrei an die Artothek geben, damit Kunstfans sie für die eigenen vier Wände ausleihen können - oder um sonst allzu nüchterne Büros und Praxen mit dem Flair des Besonderen zu veredeln.
„An jedem Ausleihtag“, erklärt die Diplom-Designerin und Leiterin der Artothek, „kommen zwei bis drei neue Ausleiher zu uns“ - zusätzlich zu den bereits registrierten Stammkunden. Wer jetzt fragt, „mehr nicht?“, dem kann Bendorf-Depenbrock entgegenhalten, dass sich die Artothek-Räume links vom Museumsshop so einen Bestand von 1919 Ausleihern erarbeitet haben. Und von denen halten nicht wenige dieser besonderen „Leihanstalt“ schon seit Jahrzehnten die Treue. Sie haben - jeweils am ersten Donnerstag des Monats - die Auswahl unter 1082 Werken, präsentiert in erstaunlich kleinen Räumen und einem eng gewundenen Treppenhaus. Wie groß wird die Artothek dann erst auftrumpfen können, wenn der - jetzt auch von Kulturdezernent Apostolos Tsalastras wieder angekündigte - Umzug ins innerstädtische Europahaus erst vollzogen ist? Zudem will man dann auch nicht nur einmal monatlich öffnen.
So gesehen zeigt die „Art Upgrade 2024“-Schau mit 66 Arbeiten von 26 Künstlerinnen und Künstlern zwar nur einen kleineren Ausschnitt des Artothek-Spektrums, bietet andererseits mit ihrer wohlüberlegten Auswahl einen attraktiven Vorgeschmack auf die kommende erste Präsenz der Ludwiggalerie mitten in Alt-Oberhausen - und zwar bis zum 9. Juni. Im schwungvollen Mix ist fast jede zeitgenössische Kunstauffassung dabei. Die farbenfrohesten Werke locken, aufgereiht an der geschwungenen Fensterfront der Panoramagalerie, neugierige Flaneure aus dem Kaisergarten ins kleine Schloss: Jens Oliver Robbes fruchtige Stillleben wirken in ihren markanten Formen und flächigen Farben wie eine Hommage an die späten Scherenschnitte von Henri Matisse. Eine Stellwand weiter leuchten Johanna Heß‘ strahlende Farbbänder mit dem sinnigen Titel „Double Trouble“.
Gewaltiges Format war noch nie in einer Ausstellung zu sehen
Ungleich winterlicher wirken Billie Erlenkamps dynamisch verwischte Naturstudien von kahlen Baumkronen, die in der Kamerabewegung sturmzerzaust daherkommen. Der Titel „AGRO“ in aggressiven Versalien lässt Böses erahnen. Guido Berndsen platzierte neben zwei hochformatigen Teichstücken, die sich als Artothek-Werke problemlos in fast jede Wohnung einfügen ließen, ein gewaltiges Format, das noch nie in einer Ausstellung zu sehen war, wie Ursula Bendorf-Depenbrock stolz betont: Die hier mit Wachs überzogenen Pigmentfarben lassen diese Etüde in Grün aus der Distanz wie eine Keramik-Wandarbeit erscheinen.
Doro Hülder zeigt in gleich drei kleineren Formaten und mit schwungvoller Pinselführung Natur in prächtigster Blüte - und konterkariert diese Farben-Freude mit dem drögen Titel „Dickicht“. Helga Hütten hält‘s ähnlich: Zu ihrer imposanten Keramikbüste könnte man wahrlich bemerkenswerte Biografien erfinden, doch das Schildchen neben der Kunst nennt die ausdrucksvolle Arbeit schlicht „Schlüsselkind“.
Wie abgetrieben im Weltall trudeln drei kleinformatige Bronze-Astronauten von Jörg Mazur in ihrer Vitrine oder ringen mit einem kleinen Fahnenmast, den es in den Boden eines fernen Planeten zu rammen gilt. Der dank seines „Elevated Levitated Elephant“ stadtbekannte Bildhauer kann also nicht nur Wale und andere Schwergewichte. Olaf Stöhr, der sonst für die Ludwiggalerie der Kunst anderer perfekte Passepartouts und Rahmen zumisst, zeigt im Kabinett neben dem Museumsshop ein besonders großes Format seiner vielteiligen Collagen: Über einem Schäferhunde-Fries erheben sich Schönheiten aus Illustrierten und Katalogen der 1960er Jahre.
Für Kunst mit Gardemaß muss nur der passende Van vorfahren
Wer jetzt mutmaßt, solche Werke im Gardemaß ließen sich in der Artothek selbst doch gar nicht unterbringen, der irrt: Wer nachfragt, kann auch Kunst in XXXL ausleihen. Man sollte nur mit einem geeigneten Van vorfahren.
Die (derzeit natürlich nicht ausleihbare) Werkauswahl „Art Upgrade 2024“ ist bis zum 9. Juni in der Panoramagalerie zu sehen: Eintritt frei. Parallel zeigt die Ludwiggalerie im Großen Schloss mit „Hipgnosis. Breathe“ die Kunst für Rockstars und Plattenmillionäre der Londoner Design-Agentur. Dort gilt der Eintritt von 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, Familienticket 12 Euro.