Oberhausen. Die Armut von Kindern in Uganda traf ein reisendes Paar aus Oberhausen ins Herz. Seitdem sammeln sie Spenden für Schüler am Rande des Regenwalds.
Ihre erste gemeinsame Reise führte Katrin Weier und Franz-Josef Hinsken nach Stockholm. Ein Steinwurf entfernt nur von ihrer Heimatstadt Oberhausen, wenn man es mit dem vergleicht, was darauf folgte: Das Paar übernachtete im Zelt hoch oben in der nordostasiatischen Vulkanregion Kamtschatka, bereiste Rumänien, Georgien und die Ukraine – „im Winter, als keine anderen da waren“. Sie schliefen in Jurten in der Mongolei und ritten auf Pferden durchs zentralasiatische Altaigebirge. „Jede Reise war eine besondere“, sagt Katrin Weier rückblickend. An ihrem 50. Geburtstag hatte sie sich vorgenommen, alle Kontinente bereist zu haben, bevor sie 60 wird. Neun Jahre ist das nun her und sie hat es fast geschafft. Die Lust auf neue Abenteuer ist ungebrochen und doch wandern die Gedanken immer wieder zurück zu einer Begegnung im Herbst 2022. Nach Uganda, zu Isaac und seinen Freunden.
Nun also Afrika. Katrin Weier und Franz-Josef Hinsken, beide Lehrer und deshalb an die Schulferien gebunden, machten sich damals auf die weite Reise aus dem Ruhrgebiet in den Osten des Kontinents, nach Uganda, eines der ärmsten Länder der Welt. Höhepunkt für die kleine Reisegruppe, der sie sich angeschlossen hatten, sollte ein Besuch im Bwindi-Regenwald sein, Weltnaturerbe der Unesco und Lebensraum für eine große Population von Berggorillas. Die Menschenaffen faszinierten die deutschen Besucher. „Ich war überrascht, wie entspannt sie sind“, sagt Katrin Weier, während sie im Fotoalbum blättert. Ihre Aufnahmen beweisen, wie nah sie den beeindruckenden Tieren gekommen sind. Die Affenkinder hätten genauso Quatsch gemacht wie Menschenkinder es tun.
Auf Gorilla-Tour in Uganda: Ein Oberhausener Paar und die große Armut afrikanischer Kinder
„Wir hatten noch die Tränen in den Augen“, beschreibt Franz-Josef Hinsken die Rührung, die sie nach dem Besuch der Gorillas empfanden, als es weiterging zum nächsten Programmpunkt. In direkter Nachbarschaft zu den Touristen-Routen ging es in dem kleinen Ort Ruhija, gelegen am höchsten Punkt des Regenwaldes, in eine Grundschule. Die Kinder empfingen die Besucher freudig. „Sie führten einen Gorillatanz für uns auf“, sagt Katrin Weier, „dabei haben die meisten von ihnen noch nie einen gesehen“. Dieses Privileg bleibe den zumeist ausländischen Reisenden vorbehalten, die mehrere hundert Dollar für eine geführte Wanderung durch das Naturreservat zahlen müssen.
Die Armut war in der „Ruhija parents community school“ nicht zu übersehen. Einfache Lehmwände im Klassenraum und ein Schlafzimmer mit Betten aus Stahlgerüst für jene Kinder, deren Eltern es sich leisten konnten, sie hier übernachten zu lassen. Die meisten von ihnen müssen täglich einen zweistündigen Weg aus dem Dorf zur Schule und wieder zurück auf sich nehmen. „Uns wurde ganz anders“, beschreibt Katrin Weier ihre damaligen Gefühle. In der Küche habe sich nur eine Feuerstelle befunden, sonst nichts. Sie gaben den Kindern, was sie an Geschenken mitgebracht hatten: Trikots, Bälle, Springseile. Dann stellte der Schulleiter ihnen Isaac vor, „unser Sorgenkind“, wie die Oberhausenerin ihn liebevoll nennt.
Isaac aus Uganda: Sandflöhe unter den Fußsohlen können für 20 Euro herausoperiert werden
Der Junge litt unter Sandflöhen, die sich unter seinen Fußsohlen eingenistet hatten und dort Eier legten. Die Oberhausener erfuhren, dass eine Operation, die 20 Euro kosten würde, den Zehnjährigen von seinen Qualen befreien könnte. Viel Geld für Isaacs Familie. Sofort hätten sie sich bereit erklärt, den Eingriff zu bezahlen und wären zusammen zur „Klinik“ gefahren. Man müsse dieses Wort in Anführungszeichen setzen, sagt Katrin Weier. Nichts an diesem Ort erinnerte an eine Klinik, wie sie in Deutschland aussieht. „Ohne Licht, ohne Betäubung“ sei das Kind dann operiert worden, anderthalb Stunden lang. Die offenen Wunden zu verbinden hielt der Arzt nicht für nötig. Erst als Katrin Weier danach fragte, habe er ein Stück Mullbinde grob um die Füße gewickelt und den Knoten unter den Sohlen gemacht – „das muss man sich mal vorstellen“.
Erfahrungen wie diese machen das Reisen für Hinsken und Weier so wertvoll. Zu sehen, wie anders das Leben anderswo ist, sagen sie und „wie wenig Aufwand es kostet, etwas zu bewegen“. Noch vor Ort spendeten sie Geld, damit die Schule sich ein dringend benötigtes Wellblechdach leisten konnte. Sie versprachen auch, Isaacs Schulgeld zu zahlen, damit auch er im Internat bleiben konnte. Zurück zu Hause ließ sie das Schicksal der Kinder nicht los. Sie baten Freunde und Verwandte um weitere Spenden und konnten persönliche Paten für einzelne Schüler der Ruhija-Schule gewinnen. An der Schule, an der Katrin Weier und Franz-Josef Hinsken unterrichten, dem Gymnasium Mariengarden in Borken, gab es einen großen Sponsorenlauf, der 9.400 Euro für die Schüler einbrachte.
Von dem Geld konnte die Schule nun auf einem eigenen Grundstück neue Gebäude errichten. Noch schlafen die Kinder zu viert in einem Bett, doch dank der Hilfsbereitschaft aus Deutschland soll auch das bald besser werden. Ihre Reiseführerin und einer der Lehrer schicken regelmäßig Fotos und Nachrichten. Nicht nur Isaac strahlt auf den Fotos, auch Dan, Devis, Betty, Uditor und Peter, die allesamt nicht in die Schule gehen könnten, wenn Katrin Weier und Franz-Josef Hinsken keine Spenden für sie sammeln würden. Und für sie steht fest: Auch wenn sie schon in den Planungen fürs nächste Reiseabenteuer sind, nach Reunion im Indischen Ozean, so werden sie die kleine Schule in Ruhija, Isaac und die anderen nicht vergessen. Weitere Unterstützer sind herzlich willkommen (Kontakt: 0170 - 46 96 046).