Oberhausen. Früher verdiente der Betreiber eines Antiquitätengeschäfts mitten in Oberhausen gutes Geld. Warum diese Zeiten längst vorbei sind.
Gleich hinter dem Eingang türmen sich alte Wanduhren, Regale, Bilder und Truhen, lassen nur einen engen Durchgang zu. Mehr Platz braucht Andreas Kirchberg auch nicht. In seinem Antiquitätengeschäft ist er meist allein, wenn man mal von Mimi absieht, dem dreijährigen Chow Chow, der ihm stets Gesellschaft leistet. Den Laden hat der Oberhausener schon seit Jahren geschlossen, betreibt aber noch ein wenig Online-Handel. „Mehr lohnt sich einfach nicht“, sagt der 67-Jährige mit dem Ausdruck des Bedauerns. Der Antik-Markt, so kann man seinen Worten entnehmen, befindet sich im freien Fall. Einnahmen bringen gerade mal ein Zubrot ein, davon zu leben, werde immer schwieriger.
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Kirchberg zeigt auf die zahlreichen hübsch gemusterten Truhen, die zu seiner Sammlung gehören. Davon wird er kaum noch welche los. „So etwas will doch heute niemand mehr. Das passt weder zu Möbeln, wie sie der große schwedische Hersteller anbietet, noch zum modernen Stil in heutiger Zeit.“ Aber selbst, wenn noch ein gewisses Interesse bestehen würde, „der Markt wird doch heute regelrecht von gebrauchten Möbeln geflutet“. Der 67-Jähriger meint all die Haushaltsauflösungen, wenn sich ältere Menschen kleiner setzen. Wechselt ein Paar, das mit seinem Hab und Gut vorher ein Haus füllte, in ein betreutes Wohnen auf drei Zimmern, „ist doch so einiges übrig“. Und es handele sich ja beileibe nicht um Einzelfälle. Die Gesellschaft werde nun mal älter und viele Leute wollen oder müssen sich verändern. Dann sind es nicht nur die Truhen, für die es ohnehin kaum noch Verwendung gibt, die man loswerden will. Uhren, Tische, Stühle, Sofas – alles muss raus.
Fast zwei Jahrzehnte hat Andreas Kirchberg davon gelebt, alten Möbeln neues Leben einzuhauchen. Damals hatte er seinen Laden in Sterkrade, den Antik-Handel eingeschlossen, verdiente gutes Geld. Das sollte auch erst noch so bleiben, als er mitten in die Stadt zog. Das Ladenlokal in seinem Eigentum an der Christian-Steger-Straße/Gerichtsstraße bot sich nach dem Auszug einer Kneipe an. Doch der Oberhausener merkte allmählich, dass die Branche bröckelte. Preise, wie er sie über Jahre und Jahrzehnte erzielen konnte, waren jetzt nur noch utopisch. Bekam er früher für eine gepflegte und intakte Wanduhr, die zu jeder vollen Stunde erklang, 2000 Euro, sind es heute gerade mal 200, wenn sie überhaupt jemand haben will. Solche Uhren sind vollkommen aus der Mode gekommen, weiß Kirchberg und vermutet, woran es liegt: „Oftmals sind doch heutige Mehrfamilienhäuser sehr hellhörig. Wenn es dann in einer Wohnung jede Stunde bimmelt, werden sich die übrigen Mieter wohl bedanken“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln.
Abgefunden hat sich der Rentner damit, dass er „diesen alten Schinken“ wohl nicht mehr loswird. Er steht vor einem wuchtigen, dunkelbraunen Schrank mit drei großen Türen. Das Jahr der Anfertigung ist noch in römischen Zahlen geschrieben, „stammt von 1762“. Einst hätte der Verkauf locker 20.000 Euro eingebracht. Wie bei der Wanduhr würden es heute vielleicht noch so eben ein Zehntel sein. „Dafür gebe ich das Schätzchen nicht her.“
Aber nicht nur diesem riesigen Schrank kommt Seltenheitswert zu. Zwischen einem Puppenwagen, dem man sein Alter vor allem wegen des Materials ansieht, er besteht komplett aus Holz, und einem geflochtenen Stuhl, ragt eine braune Kiste hervor. Nein, es handelt sich hier nicht um eine weitere Truhe, „sondern um einen ganz alten Koffer“, lautet die überraschende Antwort. Dass er aus Holz gefertigt ist, hat gute Gründe. Im 19. Jahrhundert reisten die Leute noch mit dem Kutschwagen und mussten auf der Fahrt ihr Habseligkeiten vor Regen schützen. Für Kirchberg ist das Teil längst zum Ladenhüter geworden, auch Sammler fanden bislang keinen Spaß daran.
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Beim Blick auf das Regal gleich nebenan mit seinen Sammeltassen, Messingbechern und Gläsern aus Bleikristall werden Erinnerungen an die 50er und 60er Jahre wach. Da dürfte bei Kirchberg auch Wehmut aufkommen, schließlich florierte der Antiquitätenhandel damals noch. „Mit dem Geschirr lässt sich heute aber kaum noch was verdienen“, sagt der Oberhausener und geht auf die Kostenlast ein, die seit Jahren immer erdrückender wird.
Wenn er als Gewerbetreibender seine Ware auf Ebay anbietet, muss Kirchberg im Gegensatz zu Privatleuten eine Gebühr entrichten. Hinzu kommen das Porto für den Versand und eine Absicherung, falls der Artikel auf dem Weg zum Käufer abhandenkommen sollte. Da er dem Käufer auch immer Garantie auf einwandfreie und funktionierende Ware gibt, hat er sich auch dafür entsprechend abgesichert. Schließlich zahlt der Händler an ein Rechtsportal, mit dem er im steten Kontakt steht. Gerade auf Ebay können juristische Fallen lauern. Davor will der Oberhausener gefeit sein. Rechnet er alle Kosten zusammen, „geht dafür rund ein Drittel der Einnahmen drauf“.
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Das Ende des Verkaufs vor Ort läutete er dann mit dem ersten Lockdown während der Pandemie ein. Zuvor hatte ihm der Ärger über die Ladendiebstähle das Geschäft ohnehin schon arg verleidet. „Da gab es einige dreiste Vorfälle“, erinnert sich der Oberhausener. Während er in dem einen Raum bediente, ließen in einem anderen Kunden Uhren oder auch andere Wertgegenstände mitgehen. Der finanzielle Schaden wuchs und wuchs.
Wenn er jetzt sich nur noch auf den Online-Handel konzentriert, dann hat es auch den Vorteil, „dass ich pro Tag nur noch zwei bis drei Stunden im Laden bin“, sagt der Rentner. Wenn er eines Tages überhaupt keinen Spaß mehr an der Arbeit hat und noch weniger Geld reinkommt, will er versuchen, seine Sachen auf ganz großen Trödelmärkten loszuwerden. Er fragt sich nur, was er mit den Tausenden von CDs und Platten mit klassischer Musik machen soll, die er von seinem Vater geerbt hat. Der starb 2020 im Alter von 95 Jahren, war früher in Essen Kulturredakteur dieser Mediengruppe. Da zeigt er sich noch unentschlossen.