Oberhausen. Da knirschen Oberhausener Politiker mit den Zähnen, sind nicht erfreut - doch einen Spielraum, den Gebührenrekord zu stoppen, sehen sie nicht.
Wer die Ehre hat, in den Rat der Stadt Oberhausen gewählt zu werden, gewöhnt sich eine höfliche, zurückhaltende Sprache an. Gepöbelt wird im Stadtrat glücklicherweise nicht - der sachliche Tonfall könnte im Prinzip ruhig Vorbild für die politischen Debatten im Landtag und im Bundestag sein. In Düsseldorf und Berlin muss man sich sogar gegen Beleidiger im Parlament mit höheren Strafzahlungen wehren.
In diesem Sinne nahmen es die Politiker im Hauptausschuss auf offener Bühne vornehm-gelassen auf, dass eine Musterfamilie in Oberhausen künftig rund zwölf Prozent mehr Gebühren an die Stadt für die Müllabfuhr, die Straßenreinigung und die Abwasser-Beseitigung zahlen muss. Statt bisher 960 Euro sind künftig 111 Euro mehr fällig - ein Plus von exakt 11,6 Prozent auf über 1070 Euro in nur einem Jahr.
„Die Abgabensatzung ist in diesem Jahr keine Freude, ein Anstieg von über 100 Euro ist nicht wenig“, stellt SPD-Ratsherr Manfred Flore nüchtern fest. Auffällig sei, dass der Posten für die Abwasserbeseitigung der Emschergenossenschaft einen bedeutenden Anteil daran hat. Tatsächlich schlagen die Kosten für die Entwässerung des Toiletten- und Duschwassers sowie von Regen und Schnee mit einem Anstieg von 13,9 Prozent zu Buche. Die Musterfamilie zahlt dafür künftig 803 Euro, satte 98 Euro mehr. „Als Mitglied der Genossenschaftsversammlung der Emschergenossenschaft kann ich durchaus nachvollziehen, dass diese Gebührenerhöhung unabwendbar ist. Das hat man uns angesichts der deutlichen Kostensteigerungen in mehreren Bereichen nachvollziehbar erklärt. Wir werden also - nicht erfreut - der Abgabensatzung in der Ratssitzung zustimmen.“
Linken-Fraktionschef Yusuf Karacelik greift allerdings in seinem Wortbeitrag nicht die Emschergenossenschaft an, sondern die Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) und die Müllverbrenner GMVA. Denn schon seit jeher ist den Linken ein Dorn im Auge, dass bei diesen Gesellschaften private Eigentümer, hier der Entsorger Remondis, beteiligt sind. Und die wollten vor allem immer eines: Profit erzielen. „WBO und GMVA machen Gewinne, das kostet die Bürger Geld.“
AfD-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kempkes nimmt sich dagegen die Emschergenossenschaft vor: „Beim Schmutzwasser wird hier schwer zugeschlagen, ein Plus von 18 Prozent halte ich bei den gegenwärtigen Inflationsraten von 5 bis 6 Prozent nicht für nachvollziehbar.“
Konsequenterweise stimmten die Linken und die AfD bei der üblichen Vorabstimmung im Hauptausschuss gegen die Abgabensatzung, die breite Mehrheit allerdings war dafür. Während sich die CDU bei diesem Thema lieber ausschwieg, verteidigte FDP-Gruppenchef Marc Hoff die GMVA und die WBO: „Ich glaube, dass die beiden Unternehmen alles getan haben, um die Kosten nicht stärker zu erhöhen. Wir werden der Abgabensatzung zähneknirschend zustimmen.“
Zuvor hatten auch Oberbürgermeister Daniel Schranz und Rechtsdezernent Frank Motschull darauf hingewiesen, dass in diesem Fall nicht die Stadtgesellschaften Preistreiber sind, sondern die Emschergenossenschaft. „Mit den Wirtschaftsbetrieben haben wir Preisstabilität vereinbart“ (Schranz).
Gleichwohl steigen aber auch die Müllgebühren im Vergleich zu diesem Jahr um 6,9 Prozent. Dies liegt aber nicht an den Müllabholern, sondern an den Verbrennungspreisen der GMVA. „Als Vergleichsjahr sollte man nicht das Jahr 2022 zugrundelegen, das war ein Ausnahmejahr“, erläutert Motschull. Tatsächlich erzielte die GMVA durch den Verkauf des bei der Müllverbrennung erzeugten Stroms 2022 so hohe Einnahmen, dass sich der Verbrennungspreis von den üblichen 90 Euro je Tonne auf ein Rekordtief von 37 Euro pro Tonne reduzierte. Das wirkte sich entsprechend auf die Müllgebühren 2023 aus. „Nun hat sich der Verbrennungspreis wieder auf die Größenordnung der Jahre 2021 und 2020 eingependelt.“
Und die Emschergenossenschaft? Die wehrt sich auf Nachfrage der Redaktion, für die komplette Preiserhöhung von 14 Prozent verantwortlich zu sein. Aus ihrer Sicht sind es „nur“ 8,2 Prozent. Der Anteil der städtischen Beiträge für die Emschergenossenschaft an den finalen Entwässerungsgebühren der Bürger betrage im Schnitt lediglich ein Drittel. Für den Kostensprung von über acht Prozent führt die Emschergenossenschaft zahlreiche Gründe an - alle Verteuerungsfaktoren seien von außen gekommen: strengere Vorschriften für den Hochwasserschutz, höhere Anforderungen an die Klärtechnik durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, Re-Investitionen, der Lohnkostenanstieg im öffentlichen Dienst, die Entwicklung der Energiepreise. Die Emschergenossenschaft betreibt beispielsweise sehr viele Pumpenanlagen mit Strom.
Und auch die Preise im Tiefbau sind explosionsartig nach oben geschossen. „Die Baupreise und die Bauzinsen bewegen sich immer mehr in den roten Bereich, es sind die größten Steigerungen seit über 50 Jahren. Aufgrund unserer hohen Investitionen in der Region, auch in Oberhausen, haben diese Steigerungen entsprechend eine überdurchschnittliche Wirkung“, erläutert Sprecher Ilias Abawi.