Oberhausen. „Zwei halbe Leben“ erzählt die fiktive Reise einer Frau „auf die andere Seite der Mauer“ – gespielt von Torsten Bauer
„Es ist kein Kabarett“, sagt Torsten Bauer. „Aber sehr witzig“ – das darf man von Gerburg Jahnke erwarten. Die Grande Dame des westdeutschen Kabaretts erfüllt dem seit 20 Jahren beim Theater Oberhausen heimischen Allround-Schauspieler ein Herzensanliegen: Gemeinsam sorgen sie für eine außergewöhnliche, ja bisher kaum vorstellbare Premiere am Will-Quadflieg-Platz. Unter dem Titel „Zwei halbe Leben“ steigt am Donnerstag, 30. November, im Studio die Uraufführung von Frau Jahnkes erster Regiearbeit für das Theater Oberhausen. Also für jenen bisweilen spöttisch beäugten, weil hochsubventionierten Nachbarn des sich redlich aus der Kleinkunst nährenden Ebertbades.
Wie es dazu kam? Ein Lebensthema für Torsten Bauer, den gebürtigen Ost-Berliner, ist der 13. August 1961: sein Geburtstag und zugleich das historische Datum des Mauerbaus. „Seit Jahren war er an mir am Baggern“, erzählt Frau Jahnke in schönster Ruhrdiktion – und sie habe stets abgewimmelt. Bis sie schließlich mit etlichen Ideen jonglierte für ein Ein-Personen-Stück und der Funke zündete: „Torsten hat mir seine ganze Geschichte erzählt. Im Spätsommer habe ich ihn tagelang interviewt. Dann hatte ich 50 Seiten Material.“
Die Kabarettistin, dem 62-jährigen Bauer um sechs Jahre Lebenserfahrung voraus, würdigt ausdrücklich auch „das Glück einer neuen Intendantin“ in Oberhausen: Sie hatte noch den ersten Schritt zur Kontaktaufnahme überlegt – „Soll ich mich mal unauffällig ins Falstaff setzen?“ – als sie schon Kathrin Mädlers Einladung im Mailfach fand. So fügte sich, man hört‘s einvernehmlich von Regisseurin und Schauspieler, eins glücklich zum anderen.
Aus Torsten Bauers DDR-Teil seiner Biografie und dem Leben seiner Eltern verwendete die erfahrene Bühnenautorin „nur bestimmte Motive“. Ihre Heldin in „Zwei halbe Leben“ ist eine fiktive Figur: eine Erzieherin, die zunächst im Osten die jüngsten Jungpioniere aufzieht, und die schließlich, nach der Wende, ihrem Schauspieler-Sohn ans Theater nach München folgt, denn dort fehlt es an professioneller Kinderbetreuung. Und dort stoßen feministische Visionen aus Ost und West aufeinander.
„Nicht interessant genug“: Torsten Bauers Stasi-Akte blieb dünn
Er selbst sei als junger Mann „im sozialistischen Fahrwasser mitgeschwommen“, sagt Torsten Bauer. Dem Staat verdächtig war vordringlich sein Schauspielerberuf am Theater in Potsdam. Ganz en passant erzählt er von einer „Freundin bei der Stasi“, die auch ihn aushorchte – aber seine Akte aus der Abteilung „Horch und Lausch“ sei dünn geblieben: „Ich war nicht interessant genug.“
Und jene vom Arbeiter- und Bauern-Staat geprägte Frau, wie sie Gerburg Jahnke nun aus vielen Quellen erdacht hat – und die Torsten Bauer im Studio spielen wird? „Diese Frau hat ihre Haltung“, betont die Regisseurin. Und Torsten Bauer sei eine Idealbesetzung: „Er ist native Sächsisch-Speaker“ – ein erstklassiger Schauspieler obendrein und ein Sänger mit großer Stimme, für die es im intimen Studio keine Verstärkung brauche.
Denn natürlich gibt es auch in dieser Gerburg-Jahnke-Inszenierung – übrigens ihr erster Bühnentext, den sie ohne Co-Autoren geschrieben hat – wieder reichlich Musik. Und zwar ausschließlich aus DDR-Repertoire. „Es gibt alberne pädagogisch-politische Pionierlieder“, hier lässt Frau Jahnke die „Ps“ klangvoll platzen. Aber Torsten Bauer singt auch Nina Hagens punkiges „Unbeschreiblich weiblich“, allerdings als getragene Ballade. Beim Thema Musik kommt natürlich Peter Engelhardt ins Spiel, wer sonst? Dem Meister-Gitarristen genügt seine akustische Wandergitarre, um „Zwei halbe Leben“ ein klangvolles Fundament zu geben. Torsten Bauer jedenfalls schwärmt von einer „Musik, die man nicht kennt, aber die einen sofort mitnimmt“.
Den als „spannendes Puzzle“, wie Gerburg Jahnke sagt, zusammengefügten Abend für Schauspieler und Musiker kann sich die sonst im Ebertbad heimische Regisseurin allerdings weder in der Badeanstalt noch im St. Pauli Theater, ihrer zweiten Vorzugs-Spielstätte, vorstellen. Der Grund ist einfach: Die freien Theater leben auch vom Umsatz während der Pausen – und die gibt‘s nicht bei rund 100 Minuten einer „Reise auf die andere Seite der Mauer“, so der Untertitel von „Zwei halbe Leben“.
Die Premiere ist bereits ausverkauft
Die Premiere ist bereits ausverkauft. Karten zu 15 Euro, ermäßigt 5 Euro gibt es noch für die fünf Termine im Dezember – und zwar am Samstag, 2.12., Mittwoch, 13.12., Samstag, 16.12., Donnerstag, 21.12., und Donnerstag, 28.12, jeweils um 19.30 Uhr im Studio.
Infos beim Kartentelefon des Theaters Oberhausen, 0208 85 78 184 oder per Mail an service@theater-oberhausen.de.