Oberhausen. Die Stadt Oberhausen will auf dem früheren Stahlwerksareal am Centro einen neuen Stadtteil bauen – nicht nur die Grünen sind dagegen.

Man muss nur auf die Oberhausener Stadtkarte schauen, um zu erkennen: Das frühere Stahlwerksgelände, südöstlich vom Centro und westlich von Essen gelegen, ist ein 49 Hektar großes Herzstück von Oberhausen. Doch seit dem Verkauf des Areals an den irischen Baumaschinen-Händler „Euro Auctions Immobilien GmbH“ im Jahre 2006 ist dort nur ein Sammelsurium an schuhkarton-ähnlichen Billig-Gebäuden entstanden: Hornbach, Lidl, Poco, Spielhalle, Topgolf, Strauss-Berufsbekleidung, Pflanzengroßhandel Landgard, Hotels, Groß-Restaurants – von architektonischer Schönheit kann man nicht sprechen.

Sieht nicht gerade hochwertig aus – die bisherige Bebauung auf dem Stahlwerksgelände an der Osterfelder Straße und am Brammenring.
Sieht nicht gerade hochwertig aus – die bisherige Bebauung auf dem Stahlwerksgelände an der Osterfelder Straße und am Brammenring. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

In Zukunft soll nun alles anders werden – Oberhausen hat nichts Geringeres vor, als auf dem Stahlwerks- und dem benachbarten Newag-Gelände einen komplett neuen Stadtteil mit kleinen Hochhäusern und Mehrfamilienhäusern aus Mietwohnungen und Geschäften, Einfamilienhäusern, Supermärkten, Kindergärten, Grünzügen und Schulen zu schaffen. „Eine qualitativ hochwertige Bebauung“, verspricht Planungsdezernent Thomas Palotz den Lokalpolitikern bei der Vorlage der Rahmenplanung für das Areal.

Aus dem Oberhausener Stahlwerksgelände soll ein echter lebendiger Stadtteil werden

In der vorletzten Ratssitzung dieses Jahres hat die Mehrheit der Ratspolitiker am Montag (13. November) den Weg für einen echten, neuen und damit vierten Stadtbezirk in Oberhausen frei gemacht: Neben Sterkrade, Alt-Oberhausen und Osterfeld soll dieser städtische Bereich, schon in den 90er Jahren als „Neue Mitte“ tituliert, nun so vollendet werden, wie man sich einen lebendigen Stadtteil vorstellt. Bisher machen Centro, Konzertarena, Kinos, Promenade, Hotels und ein paar Fachmärkte noch keinen lebenswerten eigenständigen Stadtbezirk aus.

Wer in der nach Herne am zweitdichtesten besiedelten Stadt aber Gelände zubauen will, erntet schnell Widerspruch. Muss die Natur nicht besser geschützt werden? Benötigen wir nicht weniger statt mehr Versiegelung in Klimazeiten wie diesen? Und werden hier am Ende nur teure Wohnungen angeboten?

Zumindest versuchte Christdemokrat Thomas Palotz eine breite, fast einstimmige Zustimmung zu dem historischen Projekt im Rat zu erringen. Eindringlich bat er besonders die Grünen, die Weichen für den Masterplan zu stellen: „Es wäre sehr bedauerlich, wenn die Grünen dem nicht zustimmen würden.“

Doch die Grünen schlugen die ausgestreckte Hand aus. Den Bau der geplanten gut 1700 neuen Wohnungen nannte Grünen-Ratsherr Tim Dobnik sogar „ein Verbrechen am Klima“, da bei der Herstellung der Baustoffe und beim Bauaufwand extrem viel klimaschädliches Kohlendioxid erzeugt wird. An dem Konzept fehle vieles, damit Grüne zustimmen könnten, beispielsweise Vorschriften für die Verwendung nachwachsender Rohstoffe bei den Bauten und maximaler Verzicht auf Versiegelung, in dem man etwa Gebäude auf Säulen stelle. Die Haltung der Grünen sei doch durchaus bekannt. „Es ist deshalb schon irritierend, wenn im letzten Stadtplanungsausschuss der Beigeordnete Dr. Palotz die beleidigte Leberwurst spielt, weil wir Grünen den Masterplan Neue Mitte ablehnen.“

Tim Dobnik ist als Ratsherr der Grünen in den Oberhausener Rat nachgerückt, hier bei seiner Einführung am 13. Dezember 2021 durch Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU).
Tim Dobnik ist als Ratsherr der Grünen in den Oberhausener Rat nachgerückt, hier bei seiner Einführung am 13. Dezember 2021 durch Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU). © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Beleidigte Leberwurst? Diese Personenzuschreibung ließ der Stadtplaner in der Ratssitzung nicht auf sich sitzen – sondern agierte mit einem politischen Gegenangriff. „Wir benötigen auf dem Areal dringend eine qualitative Steuerung. In den vergangenen zehn Jahren haben dort Fachmarktzentren die Fläche versiegelt – das ist doch alles in der Zeit passiert, als die Grünen das Planungsressort zu verantworten hatten.“ Für Stadtplanung, Umwelt und Mobilität war die Grünen-Politikerin Sabine Lauxen als Beigeordnete von 2012 bis 2020 zuständig. Sie wurde nicht mehr wiedergewählt, weil selbst politisch nahestehende Verantwortliche ihre Arbeit als suboptimal beurteilten.

Gegen den konkretisierten Masterplan „Neue Mitte“ stimmten auch die Linken. Ratsfrau Heike Hansen befürchtete, dass „das gigantische Gewerbe- und Bauprojekt“ nur für noch mehr Staus rund ums Centro sorgt. Statt teure neue Wohnungen zu bauen, sollte man lieber günstige, aber leerstehende Wohnungen in den drei Stadtbezirken ertüchtigen.

Die dreiköpfige Oberhausener Ratsfraktion der Linken lehnt den konkretisierten Masterplan für das Stahlwerksgelände ab: Heike Hansen, links, und Petra Marx.
Die dreiköpfige Oberhausener Ratsfraktion der Linken lehnt den konkretisierten Masterplan für das Stahlwerksgelände ab: Heike Hansen, links, und Petra Marx. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Auch die AfD bewertete das Masterplan-Rahmenkonzept als negativ – und argumentierte ebenfalls mit der Verkehrslage. „Die Straßen rund ums Centro sind schon jetzt viel zu sehr belastet“, sagte AfD-Ratsherr Jörg Lange. Er erwarte ein zunehmendes Verkehrschaos durch solch eine Bebauung.

CDU-Ratsherr Denis Osmann (ganz rechts) im Gespräch mit seiner Kollegin Gundula Hausmann-Peters. Auf dem Foto links im Ratssaal sitzt CDU-Fraktionsgeschäftsführer Tobias Henrix.
CDU-Ratsherr Denis Osmann (ganz rechts) im Gespräch mit seiner Kollegin Gundula Hausmann-Peters. Auf dem Foto links im Ratssaal sitzt CDU-Fraktionsgeschäftsführer Tobias Henrix. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Dagegen lobten SPD, CDU und FDP die Idee eines neuen vierten Stadtteils als historische Chance für Oberhausen. SPD-Ratsherr Ulrich Real sieht allerdings Nachholbedarf in der Planung von Wohnungen für finanzschwächere Bevölkerungskreise und bei der verkehrlichen Erschließung (Straßenbahn 105, neuer S-Bahn-Anschluss, Seilbahn). Für CDU-Ratsherr Denis Osmann liegt dies schon auf dem Tisch: „Das Verkehrskonzept ist gut. Das gesamte Projekt ist sehr wichtig für die Zukunftsfähigkeit der Stadt.“ Mit der politischen Genehmigung für das Rahmenprojekt kann jetzt die Rathaus-Mannschaft in die einzelnen Detailplanungen gehen: Wege, Straßenbahn, Wohnquartiere, Gewerbefläche „Innovation“, Sozialbedarf.