Oberhausen. Touristen die Stadt zeigen und damit noch Geld verdienen? In Oberhausen kann man sich zum Gästeführer ausbilden lassen. Es sind noch Plätze frei.
Sie kennen die Stadt so gut wie kaum jemand: Gästeführer. Warum gucken an den Ecken der Backsteinhäuser in Oberhausens ehemaliger Arbeitersiedlung Eisenheim Stahlstangen heraus? Gästeführer Michael Weier kennt die Antwort. Ein Hinweis: Es hat etwas mit der Bergbauvergangenheit des Ruhrgebiets zu tun (Auflösung weiter unten).
Seit 30 Jahren ist Weier Gästeführer – nicht nur in Oberhausen. „Es ist eine schöne und erfüllende Arbeit“, sagt der 66-Jährige. Er leitet Stadtrundfahrten, führt Touristen durch den Duisburger Landschaftspark, die Essener Margarethenhöhe oder das Oberhausener Schloss. Seit etwa 25 Jahren bildet er auch angehende Gästeführer aus. Bei der Oberhausener VHS beginnt der nächste Kurs am 28. Oktober 2023. Es sind noch Plätze frei.
Welche Voraussetzungen müssen angehende Gästeführer erfüllen?
Klassische Zugangsbeschränkungen gibt es bei der Ausbildung zum Gästeführer nicht. Wer Menschen die Stadt und ihre Geschichte näher bringen will, sollte allerdings eine gute Allgemeinbildung mitbringen, sagt Michael Weier. Und: „Interesse an der eigenen Stadt muss vorhanden sein.“ Fremdsprachenkenntnisse seien von Vorteil – nach Oberhausen kommen zum Beispiel viele Touristen aus den Niederlanden – aber kein Muss.
Da Führungen auch mal kurzfristig gebucht werden, ist Flexibilität gefragt. Außerdem sollte man „Freude daran haben, mit Menschen etwas zusammen zu machen“, spricht Weier aus Erfahrung. „Auch mit knötterigen Menschen muss man klarkommen.“
Was macht ein Gästeführer genau?
Gästeführer zeigen Touristen oder anderen Personengruppen die Stadt, einen bestimmten Stadtteil, ein Museum, eine Sehenswürdigkeit wie den Gasometer, die Slinky-Brücke oder das Westfield Centro. Stadtrundfahrten dauern etwa zwei Stunden, ein Rundgang – zum Beispiel durch die Arbeitersiedlung Eisenheim – anderthalb. Es gibt außerdem Touren mit E-Scootern und Tagestouren, etwa für Schülerinnen- und Schüler.
Der Gästeführer oder die Gästeführerin ist für die Organisation zuständig: Braucht der oder die Busfahrerin zwischendurch eine Pause? Welche Materialien, Karten, Fotos etc. könnten die Teilnehmenden interessieren? Wo und wie lassen sich diese beschaffen und aufbereiten? Allerdings: Zahlen, Daten und Fakten sind natürlich wichtig, die sollte ein Gästeführer kennen, aber er muss sein Publikum auch unterhalten. „Es geht um die Geschichten, die erzählt werden“, weiß Michael Weier.
Was verdient ein Gästeführer?
Für eine anderthalbstündige Führung bekommt ein Gästeführer etwa 70 Euro (je nach Auftraggeber), für zwei Stunden etwa 90 Euro. Nur auf dieses Einkommen zu setzen, empfiehlt Michael Weier allerdings nicht. Denn in den Wintermonaten gibt es weniger Touristen im Ruhrgebiet – und damit auch weniger Aufträge. Als Nebenverdienst, für Seniorinnen und Senioren oder etwa Studierende sei der Job des Gästeführers aber durchaus geeignet.
Zumal die Beschäftigung diverse Vorteile mit sich bringe: „Er beugt schnellem Altern vor“, sagt Michael Weier. Schließlich bewegten sich Gästeführer viel an der frischen Luft und erweiterten ständig ihr Wissen. Der Austausch mit den Teilnehmenden an einer Führung – alles unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten und Hintergründen – rege außerdem an.
Was lernt man im Zertifikatsseminar Gästeführer?
Die Ausbildung an der Volkshochschule Oberhausen besteht aus 160 Seminarstunden, die sich auf zehn Wochenenden verteilen. Los geht es am Wochenende 28./29. Oktober 2023. In dieser Zeit lernen die Teilnehmenden zum Beispiel Präsentations- und Kommunikationstechniken. Wie spricht man gut verständlich zwei Stunden am Stück, ohne heiser zu werden? Wie stehe ich vor der Gruppe? „Nicht mit verschränkten Armen“, betont Dozent Michael Weier, sondern offen und zugewandt.
Andere Module sind etwa „Der Gästeführer als Unternehmer“, „Inhaltliche und organisatorische Vorbereitung und Gestaltung von Gästeführungen“ und „Rechtliche Grundlagen“. Es werden Fragen beantwortet wie: Was kann ein Gästeführer tun, wenn jemand die Gruppe stört? Wie verhält er sich, wenn jemand alles besser weiß und versucht, die Führung an sich zu reißen? Darüber hinaus stehen regionale und lokale Übungstouren auf dem Plan sowie eine Prüfung zum Abschluss. Am Ende erhalten die neu ausgebildeten Gästeführer ein Zertifikat der IHK. Dieses werde von manchen Städten, in denen die frisch Ausgebildeten ihre Touren anbieten wollen, verlangt, weiß Michael Weier.
Was die Teilnehmenden im Seminar bei der VHS nicht lernen, ist das „Know-what“, wie Weier es nennt. Vermittelt werde vielmehr das „Know-how“, also die Methoden, Mittel und Wege, um eine spannende Gästeführung planen und umsetzen zu können. „Das inhaltliche Wissen muss man sich selbst draufschaffen.“
Zum Beispiel, warum aus den Häusern in der Oberhausener Siedlung Eisenheim Stahlstangen ragen. Der Grund liegt in der Bergbauvergangenheit des Ruhrgebiets, erklärt Michael Weier. Der Bereich der Siedlung Eisenheim war nämlich Bergsenkungsgebiet. Gab es Veränderungen im Boden, könnte es passieren, dass die Backsteinbauten aus dem Lot gerieten. Dann mussten die Bewohnerinnen und Bewohner lediglich an den Metallstangen drehen und die Häuser standen wieder stabil.
>>>Hier gibt es mehr Fotos aus der Arbeitersiedlung Eisenheim
Im Gästeführer-Kurs an der Oberhausener Volkshochschule sind noch Plätze frei. Anmelden können Interessierte sich bei Carsten Weiß unter 0208 825 2477 oder online auf www.vhs-oberhausen.de. Der Kurs kostet 1100 Euro pro Person. Durch einen zu beantragenden Bildungsscheck können die Kosten auf 600 Euro reduziert werden.