Oberhausen. Industrie-Betriebe bieten Arbeitsplätze und stützen die heimische Wirtschaft. Dennoch fühlen sie sich nicht willkommen. Was sich ändern muss.
- Die lokale Produktion von Waren wird immer wichtiger, Kunden setzen weniger auf globale Beschaffung
- Doch Industrie-Betriebe vor Ort kämpfen mit vielen Standort-Nachteilen
- Sie fordern unter anderem einen Brücken-Strompreis und weniger Bürokratie
Man könnte meinen, bestimmte Industrie-Zweige seien in der deutschen Wirtschaft nicht mehr erwünscht. Dieses Urteil fällt Marcus Korthäuer, Vorstandsvorsitzender des auch für Oberhausen zuständigen Unternehmerverbandes für den Bereich Metall. Betriebe, besonders des produzierenden Gewerbes, müssten mit immer mehr Hürden kämpfen, immer strengere Regeln einhalten und immer mehr bürokratischen Anforderungen entsprechen. Dabei sei die Stärkung der Betriebe gerade jetzt besonders wichtig, um die Wirtschaft auch in Oberhausen auf solide Füße zu stellen. >>> Auch interessant: IHK-Präsidentin: eindringliche Warnung an Oberhausen
Denn die lokale Produktion von Waren werde immer wichtiger, sagt Korthäuer. Wir treffen den Unternehmer und Verbandsvorsitzenden zum persönlichen Gespräch in genau einem solchen Betrieb des produzierenden Gewerbes: dem Oberhausener Traditionsunternehmen Fitscher Guss. Dessen Geschäftsführer Stefan Michel kann die Aussage nur unterstreichen. „Wir merken, dass unsere Kunden weg von der globalen Beschaffung wieder zur lokalen Produktion wechseln“, sagt er mit Blick auf seine Auftragsbücher. >>> Lesen Sie auch: Oberhausen: Dieser Industrie-Betrieb punktet am Weltmarkt
Betriebe wollen Brücken-Strompreis für die Industrie
Was zunächst nach einer guten Nachricht klingt, bereitet den Experten aber Sorgen. Die Betriebe würden gerne Vollgas geben, doch zu viele äußere Faktoren sorgen für eine angezogene Handbremse: Planungsverfahren und Genehmigungen dauern laut Michel und Korthäuer viel zu lange, Brücken und Straßen seien in teils desolatem Zustand, EU-Regeln wie etwa zum Datenschutz zwingen die Chefs zu lange an den Schreibtisch und die hohen Strompreise würden hiesige Betriebe um ihre Wettbewerbsfähigkeit bringen. >>> Zum Hintergrund: Mehrfach-Krisen erschüttern Industriebetriebe im Ruhrgebiet
In der Diskussion um einen vergünstigten Strompreis für die Industrie habe die Politik Scheuklappen auf, beschwert sich Korthäuer. Deutsche Betriebe seien klar im Nachteil, „am Ende lassen die Kunden dann doch wieder im Ausland produzieren, im schlimmsten Fall bei schlechten Umwelt- und Arbeitsbedingungen für die dort tätigen Menschen“.
„Wir brauchen Hilfe, fordern sie aber gar nicht dauerhaft ein“, schlägt Stefan Michel in die gleiche Kerbe – und plädiert für einen Brückenstrompreis für die Industrie, also eine zeitlich begrenzte Vergünstigung für entsprechende Betriebe. Derzeit zahlt er zwischen 13 und 14 Cent je Kilowatt Strom, französische Betriebe zahlen dagegen nur fünf bis sechs Cent. „Pro Cent je Kilowattstunde zahle ich 40.000 Euro mehr im Jahr“ – ein Wettbewerbsnachteil im Kampf um Kunden in einem hart umkämpften Markt. >>> Zum Thema: Oberhausen: Wie der Klimaschutz Arbeitsplätze sichern kann
Oberhausener Betrieb braucht Whistleblower-Beauftragten
„In Deutschland läuft gehörig was schief“, sagt Marcus Korthäuer. Das Brutto-Inlandsprodukt schrumpft, während es in den anderen europäischen Ländern steigt. „Das sollte uns doch Warnung genug sein.“ Er bittet um mehr Verständnis für die Industrie-Branche, gerade bei so mancher „Regulierungswut“. Selbstverständlich müsse sich die Branche an gewisse Regeln halten, sagt Fitscher-Geschäftsführer Stefan Michel. „Die dürfen aber nicht so streng sein, dass sie uns erwürgen. Lieferkettengesetz, Verpackungsgesetz, Batteriegesetz – es gibt praktisch nichts, wofür es nicht auch ein eigenes Gesetz gibt“, sagt er. „Ich brauche sogar einen Whistleblower-Beauftragten.“ >>> Auch interessant: Oberhausen: Industrie-Unternehmen setzt auf Verkehrswende
Für diese Regelungsdichte könne Oberhausen wahrlich nichts für, da sind sich die beiden Experten einig. Grundsätzlich sehen sie Oberhausen sogar auf einem guten Weg; mit dem Masterplan Wirtschaft gehe die Stadt einen Schritt auf die Unternehmen zu. „Man redet endlich miteinander“, sagt Fitscher-Chef Michel. Doch selbstverständlich sehen die beiden Fachmänner auch Verbesserungsbedarf: Genehmigungsverfahren müssten aus ihrer Sicht schneller laufen, die Digitalisierung der Stadtverwaltung dauere zu lange: „Wir brauchen mehr Tempo“, fordert Korthäuer.
„Und mehr Verständnis für unsere Bedürfnisse“, ergänzt Michel. Wenn die Stadt notwendige Baustellen in der Nähe seines Betriebes einrichtet, „dann wünsche ich mir, dass die Stadt sofort weiß, dass hier ein wichtiges Unternehmen sitzt, dass auf Lkw-Lieferverkehr angewiesen ist.“ Stattdessen müsse er jedes Mal darauf hinweisen. „Dann hilft man mir zwar, aber diesen Schritt möchte ich mir eigentlich gerne sparen.“ >>> Lesen Sie auch: Bundespräsident staunt über Oberhausens Wasserstoff-Zukunft
Kritik an Parkplatz-Situation in Oberhausen
Nachholbedarf gebe es auch beim öffentlichen Nahverkehr in Oberhausen und den Parkmöglichkeiten. „Wir sind in einem Transformationsprozess“, sagt Marcus Korthäuer. „So lange der Nahverkehr nicht ausgebaut und attraktiver gestaltet wird, gibt es Individualverkehr. Ich kann nicht Parkplätze streichen oder verteuern und den Menschen keine adäquate Alternative anbieten.“ Unternehmen müssten gerade beim herrschenden Arbeitskräfte-Mangel den Mitarbeitern gute Bedingungen bieten. „Wenn es die in einer Stadt nicht gibt, wandern Betriebe ab, das müssen wir verhindern.“