Oberhausen. Die skandalöse Verwahrlosung des früheren Möbelhauses Finke verärgert Oberhausens Politiker dermaßen, dass sie über eine neue Steuer nachdenken.

Das merkwürdige Verhalten des bayerischen Familienunternehmens und Möbelhändlers Segmüller könnte eine drastische Folgewirkung für alle Immobilieneigentümer in Oberhausen haben. Im politischen Raum denkt man darüber nach, eine neuartige Steuer für hiesige Haus- und Grundbesitzer einzuführen – sie soll diejenigen bestrafen, die sich nicht um ihre Immobilie kümmern und Hallen, Geschäfte, Häuser jahrelang ohne Grund leer stehen lassen.

Hintergrund ist der skandalöse Vorgang um das marode ehemalige Möbelhaus Finke mitten in der Sterkrader Innenstadt. 2015 hatten die Segmüllers, ein fast hundert Jahre altes Familienunternehmen, das Gebäude gekauft – mitsamt den Namensrechten von „Finke“. Angeblich soll dabei eine Summe von knapp zehn Millionen Euro geflossen sein. Doch nach vollmundigen Ankündigungen, nach Abriss des in die Jahre gekommenen Mega-Ladens mit großer Verkaufsfläche an gleicher Stelle ein „modernes und erfolgreiches Einrichtungshaus“ zu errichten, folgte erst einmal nichts. Und dann wieder nichts.

Lokalpolitiker in Oberhausen schäumen vor Wut über Verhalten der bayerischen Unternehmer

Segmüller ließ den Standort verkommen, so dass auch die der Wirtschaft zugeneigten Lokalpolitiker vor Wut schäumen. Denn die Bürgerinnen und Bürger beschweren sich über die hässlich-verkommene Fassade und den ständigen Dreck rund ums Gebäude. Die Reise von Oberbürgermeister Daniel Schranz und dem Beigeordneten Thomas Palotz zum Eigentümer nach Friedberg (Augsburg) im März 2023 war jedenfalls bisher nicht von Erfolg gekrönt, die versprochenen Pläne für eine Alternativlösung durch Segmüller wurden im Sommer 2023 nicht vorgelegt.

Der Sterkrader Bezirksbürgermeister Ulrich Real warf der Firmenspitze deshalb Wortbruch vor – und schrieb der Segmüller-Geschäftsführung einen harten Protestbrief: „Sie haben mehrfach versichert, für Sterkrade eine hochwertige, alternative Planung vorzulegen. Tatsächlich haben Sie viele Jahre die Sterkrader Bürgerschaft hingehalten.“

Schön sieht dieses ehemalige Möbelhaus nicht gerade aus: Die Segmüllers aus Bayern lassen das Gebäude am Neumarkt in der Sterkrader Innenstadt verkommen.
Schön sieht dieses ehemalige Möbelhaus nicht gerade aus: Die Segmüllers aus Bayern lassen das Gebäude am Neumarkt in der Sterkrader Innenstadt verkommen. © WAZ Oberhausen | mape

Geantwortet hat jetzt zwar Segmüller, aber nicht der Inhaber des Familienbetriebs, sondern der Standortentwickler Tim Paprzycki. Mit dem saß Real schon 2018 bei einer Tasse Kaffee zusammen, und damals versprach dieser laut Real eine tolle Lösung für Sterkrade. Davon ist in seinem Antwortbrief keine Rede mehr. Darin gibt er klar der Stadtführung und der Stadtpolitik die Schuld daran, dass Segmüller nicht in Sterkrade investiert hat. „Wir hatten vor, in Sterkrade ein schönes und modernes Möbelhaus zu errichten, deshalb hatten wir die Immobilie gekauft. Die Umstände haben sich unmittelbar nach dem Kauf geändert. Es stand unerwartet im Raum, dass die Stadt Oberhausen zur Lösung eines städtebaulichen Problems im Schladviertel den Umzug eines Wettbewerbers auf das Stahlwerksgelände unterstützen würde.“ Gemeint ist hier die bereits eingestielte Verlagerung des Möbelhauses XXXLutz Rück.

Segmüller: XXXL-Umzug aufs Stahlwerksgelände verhindert Sterkrader Möbelhaus-Investment

Sofort habe man die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, heißt es im Segmüller-Brief weiter, dass „damit die Realisierung eines neuen Möbelhauses am Neumarkt ausgeschlossen würde“. Man sei vielmehr ebenso an einem Umzug auf das Stahlwerksgelände interessiert – und man würde dann auch im Gegenzug sich für eine Entwicklung des Sterkrader Standorts engagieren, erstaunlicherweise „nach den Wünschen der Stadt ohne Fokus auf die Wirtschaftlichkeit“. Mit anderen Worten: Weil XXXLutz Rück zum Stahlwerksgelände nahe dem Einkaufszentrum Centro ziehen darf, lassen die Segmüllers ihr Eigentum am Neumarkt in Sterkrade verrotten.

Seit vielen Jahrzehnten verkauft Rück, jetzt XXXLutz Rück, Möbel mitten im Wohnviertel Schlad. Deshalb gibt es seit Jahren immer wieder Pläne, dass das Möbelhaus zum Stahlwerksgelände umzieht. Das ist nun so auch politisch und unternehmerisch beschlossen.
Seit vielen Jahrzehnten verkauft Rück, jetzt XXXLutz Rück, Möbel mitten im Wohnviertel Schlad. Deshalb gibt es seit Jahren immer wieder Pläne, dass das Möbelhaus zum Stahlwerksgelände umzieht. Das ist nun so auch politisch und unternehmerisch beschlossen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Da der Möbelhändler über den sichtbaren Wertverlust seiner Immobilien-Geldanlage auch nicht gerade glücklich ist, bietet Inhaber Segmüller weitere Gespräche mit Oberbürgermeister Daniel Schranz an, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Eine Vorwarnung gibt es in dem Brief aber auch: „Die Situation lässt sich nicht durch Vorschläge der Stadtverwaltung lösen, die allein darauf baut, dass wir als Grundstückseigentümer nach Verlust unserer Ansiedlungsmöglichkeit die Stadtentwicklung finanzieren.“

Bekanntlich steht die Idee im Raum, statt eines Möbelhauses dort in der Sterkrader Innenstadt eine hochwertige Mehrfamilienhaus- und Eigentumswohnungsbebauung zu ermöglichen. Allerdings würde sich dies für keinen Investor rechnen, wenn Segmüller dabei bleibt, die kompletten zehn Millionen Euro Kaufpreis ersetzt zu bekommen.

SPD bringt Leerstandssteuer für Fälle wie Segmüller ins Spiel

Bürgermeister Ulrich Real (SPD) ist jedenfalls über diese Argumentation empört. „Dass XXXLutz Rück zum Stahlwerksgelände zieht, war schon vor dem Finke-Kauf von Segmüller bekannt und öffentlich in der Diskussion. Das sind für mich Ausflüchte.“ Man solle aber nicht in die Vergangenheit schauen, sondern jetzt die Zukunft gestalten. „Es kann nicht sein, dass Segmüller einfach ankommt, eine wichtige Immobilie kauft, diese jahrelang leer stehen lässt und einfach nichts tut. Wir halten uns die Möglichkeit offen, eine neue Steuer für Immobilienbesitzer einzuführen, die ihre Gebäude leer stehen und vergammeln lassen.“

Der SPD-Politiker hat schon beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages recherchiert, ob Kommunen eine solche Leerstandssteuer, wie im kanadischen Vancouver üblich, einführen dürfen. Die Antwort ist positiv: Das ist möglich, eine solche Steuer verstößt nicht gegen europäisches Recht. Die Folge: „Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Leerstand, vor allem wenn er allein aus Spekulationsgründen bestand, unattraktiver wird.“