Oberhausen. Im letzten Quartal bietet das Literaturhauses Oberhausen etliche Attraktionen: mit noch mehr Lesungen, gutem Lese-Rat und starkem Debattenstoff.

Lesen ließ sich bis vor wenigen Tagen natürlich auch entspannt im Garten oder Strandkorb. Und doch naht erst mit dem letzten Quartal des Jahres die beliebteste Schmökerzeit: Das Literaturhaus Oberhausen zeigt sich bestens gewappnet mit einem noch größeren Angebot und mit Tipps, speziell für die Zeit der guten Gaben.

Los ging es bereits im Gdanska Theater, Gutenbergstraße 8, am Freitag, 6. Oktober, mit einem gar nicht mehr so heimlichen „Bestseller“ des rührigen Vereins: Der Frauensalon widmete sich dann dem literarisch ungemein ergiebigen Thema „Töchter“. Eine „Concordia“-Statuette, wenn man so will die hübsche Tochter von Jörg Mazur, ist während der Salon-Abende stets dabei – mit dem ausdrücklichen Segen des Bildhauers.

Jörg Mazurs „Concordia“-Statuette, hier im Atelier des Bildhauers, ist auch an jedem Abend des Frauensalons im Literaturhaus anwesend.
Jörg Mazurs „Concordia“-Statuette, hier im Atelier des Bildhauers, ist auch an jedem Abend des Frauensalons im Literaturhaus anwesend. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Als Oberhausener Termin des Lit.Ruhr-Festivals liest am Freitag, 20. Oktober, um 19.30 Uhr im Gdanska die 33-jährige Lisa Roy aus ihrem Debütroman „Keine gute Geschichte“. Hartmut Kowksy-Kawelke meint hochgestimmt: „Da entsteht gerade eine neue Ruhrgebietsliteratur.“ Lisa Roy und die wenig älteren Annika Büsing und Hendrik Otremba erschaffen Figuren, „die nicht mehr an der Bude stehen und die alten Klischees reproduzieren“, so der Literaturhaus-Vorsitzende. Roys Heldin heißt zwar Arielle, ist aber alles andere als eine Märchenfigur: Sie ist aus Katernberg ‘rausgekommen, hat Karriere gemacht, und kehrt just in den Essener Norden zurück, als dort zwei Mädchen verschwinden: Aus dem Lebensrückblick wird ein Krimi.

Der Oberhausener Peter Coon stellt im Wunschcafé mit „Wagnis“ seine erste längere Erzählung vor.
Der Oberhausener Peter Coon stellt im Wunschcafé mit „Wagnis“ seine erste längere Erzählung vor. © Literaturhaus Oberhausen

Einen neuen literarischen Ort und einen neuen Autor aus Oberhausen präsentiert der erste von gleich vier November-Terminen: Der vor einigen Jahren aus Witten umgezogene Peter Coon liest am Freitag, 3. November, um 19 Uhr im „Wunschcafé“, dem früheren Pfarrhaus der evangelischen Kirche an der Kempkenstraße 43 in Schmachtendorf. Der für seine Kurzgeschichten bereits prämierte Autor legt mit „Wagnis“ seine erste längere Erzählung vor: Sein Held Frederik hat sich vor dem Krieg in Europa in ein einsames Waldgebiet geflüchtet. Doch ausgerechnet dort stürzt eine Kampfjet-Pilotin ab.

Der Literaturhaus-Service zum Weihnachtsgeschäft

Den schreibenden Nachwuchs pflegt das Literaturhaus mit Hingabe – und mit schulischen Workshops. Oberhausens beste junge Poeten blicken gespannt Freitag, 10. November, um 19 Uhr im Gdanska Konzertsaal entgegen, wenn es gilt die beiden Preise „Junges Oberhausen 2023“ zu verleihen: Über jeweils 500 Euro entscheiden eine Jury und das Publikums-Votum.

Beim Abend „Verführung zum Lesen“ am Mittwoch, 15. November, im Gdanska Theater sagt das Motto eigentlich schon alles: „Unser Service zum Weihnachtsgeschäft“, nennt Kowsky-Kawelke den Abend mit Gudrun Wermert-Heetderks und Heinz Schumacher, die zu zweit lohnende Lektüre empfehlen. Beim „literarischen Duett“ des Frühjahrs ist der Akzent etwas anders: Da setzt es auch mal Verrisse.

Teurer ist nur der „Lit.Ruhr“-Termin mit Lisa Roy

Für fünf der acht Termine des Literaturhauses gilt: Eintritt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro. Teurer ist mit 16 Euro, ermäßigt 12 Euro im Vorverkauf nur der „Lit.Ruhr“-Termin mit Lisa Roy und „Keine gute Geschichte“. Er beginnt um 19.30 Uhr, die anderen Lesungen starten jeweils um 19 Uhr (Einlass 18 Uhr). Beim Frauensalon, der „Verführung zum Lesen“ und dem Literaturkurs der Elsa-Gymnasiasten ist der Eintritt frei.

Den Vorverkauf fürs Literaturhaus im Gdanska übernimmt natürlich das Gdanska selbst, zudem gibt’s Karten in Sterkrade bei der Buchhandlung Wiebus und in Schmachtendorf bei Brinkmanns Tabakwaren.

Verwunderung, ja, auch Erstaunen, aber vor allem Empfehlungen gab’s aus der Literaturkritik für Eckhart Nickels „Spitzweg“, das der Autor am Freitag, 24. November, um 19 Uhr vorstellen wird. Sein Romanheld heißt zwar Carl, ist aber nicht der mild-satirische Maler des Biedermeier, sondern ein Abiturient, der seinen Snobismus in erlesener Sprache und luxuriösem Ambiente pflegt – wie ein junger Oscar Wilde des 21. Jahrhunderts. Doch in einem kühn konstruierten Kunstklau-Krimi (hier geht’s nun wirklich um ein Spitzweg-Gemälde) lässt der Romancier den wortmächtigen Ästheten in einer Mitschülerin seine Meisterin finden.

Einen jungen Dandy des 21. Jahrhunderts macht Eckhart Nickel zum – am Schluss düpierten – Helden seines Romans „Spitzweg“.
Einen jungen Dandy des 21. Jahrhunderts macht Eckhart Nickel zum – am Schluss düpierten – Helden seines Romans „Spitzweg“. © Fabian Zapatka

„Klassenbeste“ von und mit Marlen Hobrack schließt zwar als nächste Lesung am Freitag, 8. Dezember, um 19 Uhr im Gdanska Theater an – passt aber inhaltlich eher zu Lisa Roys Roman einer Aufsteigerin. Die freie Journalistin erzählt in ihrem Sachbuch von der eigenen Kindheit in Armut und stellt die so zentrale wie erschütternde Frage: Wie viele Absteiger und Nichtaufsteiger kommen auf einen Aufsteiger? Ist Deutschland etwa eine viel rigidere Klassengesellschaft als das dafür sprichwörtliche England?

Mit Schwung und Können: Literatur aus dem „Elsa“

Zum Finale des üppig bestückten Literaturhaus-Jahres geht’s um eine Nachwuchsförderung mit Tradition, so widersprüchlich das klingen mag. Seit Jahren schon erscheint beim Oberhausener Laufen-Verlag eine Anthologie-Folge unter dem Titel „Am Anfang schreibt man für den Papierkorb“ mit Texten aus dem Kurs für kreatives Schreiben am Elsa-Brändström-Gymnasium. Bereits zum dritten Mal präsentieren am Mittwoch, 13. Dezember, um 19 Uhr „Elsa“-Schülerinnen und Schüler mit Schwung und Können ihre poetischen Werke.

Jede Stimme zählt für den Engagement-Preis

Im Oktober zählt jeder Klick für das Literaturhaus Oberhausen, das sich um den 2023er Engagementpreis NRW beworben hat und als einer von zwölf Finalisten nominiert ist. Insgesamt vier Auszeichnungen werden im Dezember verliehen – darunter ein Publikumspreis, ermittelt durch Online-Abstimmung.

Bis zum 31. Oktober zählt jede Stimme fürs Literaturhaus auf der Seite engagiert-in-nrw.de/publikumsvoting-engagementpreis-nrw-2023. Der rührige kleine Verein hat so die Chance auf 5000 Euro, mit denen sich einige spannende Lesungen finanzieren lassen. „Erst vor kurzen haben wir erfahren“, so der Literaturhaus-Vorsitzende Hartmut Kowsky-Kawelke, „dass der ohnehin nicht happige Zuschuss der Stadt für das kommende Jahr gekürzt werden soll“.