Oberhausen. Die saubere Emscher lockt Vögel an, die sich früher dort nie haben blicken lassen: Ein Oberhausener Fachmann erforscht das neue Emscherparadies.
Seit dem 1. Januar 2022 ist die Emscher abwasserfrei. Die einstige Köttelbecke wandelt sich zu einem sauberen Fluss. Mit jedem Tag wächst seitdem die Vielfalt der Tierwelt am Emscherufer. Diplom-Biogeograf Tobias Rautenberg (39) aus Oberhausen bestätigt das aus fachlicher Sicht und persönlicher Anschauung: „Hier kann man jetzt Vögel sehen, die sich vorher nie an der Emscher blicken ließen.“
Am 1. Januar 2023 hat Tobias Rautenberg, der hauptberuflich für die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet arbeitet, als Privatmann ein spezielles Projekt gestartet: Der Wissenschaftler versucht, auf rund zehn Quadratkilometern in der Umgebung seines Wohnortes in Buschhausen so viele verschiedene Vogelarten wie möglich zu beobachten und zu dokumentieren. Das Gebiet umfasst dabei Buschhausen, angrenzende Teile von Lirich, Biefang und Holten sowie kleine Randbereiche von Duisburg-Röttgersbach und Duisburg-Neumühl. Und mittendrin: die renaturierte Emscher auf ihrem Weg durch das nordwestliche Oberhausen.
Stockente, Bachstelze und Gebirgsstelze erobern das Emscherufer
Ein halbes Jahr nach dem Start seines Projekts stellt Tobias Rautenberg mit Blick auf die Tierwelt fest: „Ich bin bisher 217 Mal losgezogen und habe insgesamt über 300 Stunden beobachtet. Dabei habe ich bisher 123 Vogelarten nachweisen können und davon sind 23 zuvor noch nicht innerhalb dieses Bereichs dokumentiert worden.“
Zu den beobachteten Vögeln gehören Arten wie Steppenweihe, Schwarzmilan, Baumfalke, Mittelspecht, Grünschenkel, Wasserralle, und Mantelmöwe. Gerade die nun abwasserfreie Emscher entwickele sich inzwischen prächtig, so dass dort bereits Arten wie Stockenten, Bachstelzen und Gebirgsstelzen erfolgreich brüten sowie Nahrungssucher und Durchzügler wie Eisvogel, Zwergtaucher, Gänsesäger und Krickente vorzufinden seien.
Übrigens: Nicht nur die saubere Emscher, auch die Friedhöfe haben nach den Erkenntnissen des Oberhausener Experten jede Menge Natur und zunehmende Artenvielfalt zu bieten. Der Mittelspecht und Jungvögel des Waldkauzes sind hier beispielsweise zu bestaunen. „Und das alles mitten im Ruhrgebiet!“, freut sich Tobias Rautenberg, den die Redaktion direkt am Buschhausener Emscherufer in der Nähe des Grünen Pfads sprechen konnte.
Gebänderte Prachtlibelle schwirrt über den Emscherwellen
Mit griffbereitem Fernglas und einer speziellen kleinen Super-Zoom-Kamera macht der Oberhausener sich hier regelmäßig auf den Weg. Ein Graureiher zieht gerade majestätisch seine Runden über dem glitzernden Emscherwasser. Eine Entenfamilie hat es sich in der Uferzone gemütlich gemacht. Wo früher der herbe Duft des Emscherabwassers für Naserümpfen sorgte, genießen jetzt die Revier-Radler die frische Sommerluft. In der Emscher sind sogar Wasserpflanzen zu erkennen und die Gebänderte Prachtlibelle schwirrt über dem Fluss.
In anderen Ruhrgebietsstädten wie Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund und über die Grenzen der Region hinaus hat die Idee von Tobias Rautenberg unterdessen schon Anklang gefunden. So sind nach seinen Angaben bereits über 70 Vogelbeobachter/innen aus weiten Teilen Deutschlands und sogar aus der Schweiz und Österreich mit dabei und versuchen, in ihrer jeweiligen Heimat auf ebenfalls zehn Quadratkilometern so viele Vogelarten wie möglich zu beobachten. Die Vielfalt dieser wohnortnahen Exkursionen und der so dokumentierten Ergebnisse soll später eventuell in einem wissenschaftlichen Aufsatz für das interessierte Publikum dargestellt werden.
Schwarm von 186 Störchen am Himmel über Buschhausen entdeckt
Bis dahin will Tobias Rautenberg allerdings noch möglichst viele Patrouillengänge an der Emscher und im nordwestlichen Oberhausen unternehmen. Gerade erst hat er einen Schwarm von 186 (!) Störchen am Himmel über seinem Wohnhaus in Buschhausen entdeckt und per Kamera und Computer fachlich fundiert dokumentiert: „So etwas hat es hier früher nicht gegeben!“
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