Oberhausen. Die kleinere Bühne im Theater Oberhausen ist auch Schauplatz der ersten Tanztheater-Uraufführungen, für Kindertheater und spannende Experimente.

Manche kennen den Raum noch als Malersaal, dann firmierte er betont sachlich als Saal 2 und jetzt als Studio: Die kleinere Bühne des Theaters Oberhausen ist der Ort (nicht nur) für Experimente und für Neuentdeckungen. Sieben Premieren der kommenden Spielzeit 2023/ ’24 sind hier zu erleben. Wir stellen alle im Überblick kurz vor. Für das Große Haus sind acht Neuheiten angekündigt, die wir in diesem Artikel „Neue Spielzeit in Oberhausen: Bunter und herzlicher“ präsentieren.

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Den Anfang als „kleine Bühne“ macht allerdings ein Spielort, der sonst eher für die politischen Mühen der Ebene steht – und dank einer aufwendigen Restaurierung für sieben Millionen Euro zum Stadtgespräch wurde: Im historischen Ratssaal steigt am Donnerstag, 21. September 2023, die Premiere von „And now Hanau“. Dieses Drama der rassistischen Morde vom 19. Februar 2020 hatte Tuğsal Moğul, der Autor und Regisseur, während der Ruhrfestspiele im Recklinghäuser Ratssaal uraufgeführt.

Es ist weniger ein Schauspiel, vielmehr eine eindrucksvolle Rechercheleistung, gemeißelt in die Form eines Tribunals gegen eklatantes und bis heute nur widerstrebend aufgeklärtes Behördenversagen. „Es hört einfach nicht auf“, war – aus zwingenden Gründen – ein leitmotivisch wiederholter Satz des Ensembles aus Oberhausener und Münsteraner Schauspielern.

Abrechnung im historischen Ratssaal: „And now Hanau
Abrechnung im historischen Ratssaal: „And now Hanau" ist das präzise recherchierte Tribunal der rassistischen Morde vom 19. Februar 2020. © Ruhrfestspiele | Bettina Stöß

Als erste Uraufführung im Studio am Will-Quadflieg-Platz folgt am 26. Oktober „No Shame in Hope“. Ihre drei Heldinnen, allesamt als „austherapiert“ entlassen aus einer Psychiatrischen Klinik, sammeln sich als Currywurst-Connaisseure am passenden Büdchen. Allerdings schreibt Svealena Kutschke hier keine komödiantische Revier-Folklore, sondern philosophiert – trotz ewig matschiger Pommes – ausgesprochen bissfest und „mit sehr lässigem Sprachwitz“, meint Chefdramaturgin Saskia Zinsser-Krys.

Torsten Bauer als emanzipierte Ost-Frau

Allround-Gitarrist Peter Engelhardt komponiert hoffentlich eine angemessene Fanfare: Denn mit der Uraufführung von „Zwei halbe Leben“ am 30. November 2023 inszeniert Gerburg Jahnke, Oberhausens berühmte Kabarettistin und Regisseurin, erstmals im Studio gegenüber ihrem angestammten Ebertbad ein eigenes Werk. Zudem ist es ein Herzensding für Torsten Bauer, als Dienstältester im Oberhausener Theater-Ensemble geboren am Tag des Mauerbaus: In einer fiktiven Familiengeschichte erkundet er den Weg einer selbstbewussten DDR-Erzieherin gen Südwesten – und wie diese Ost-Frau im Alter zurückblickt auf den zaghaften West-Feminismus.

Fanfaren für Gerburg Jahnke: Sie inszeniert mit „Zwei halbe Leben
Fanfaren für Gerburg Jahnke: Sie inszeniert mit „Zwei halbe Leben" erstmals ein eigenes Werk nicht fürs Ebertbad, sondern fürs Theater nebenan. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Für junges Publikum ab acht Jahren schreibt Esther Becker „Das Leben ist ein Wunschkonzert“ und bringt damit am 13. Januar 2024 endlich mal eine Heldin auf die Bühne, von der es im wahren Leben viele gibt, die aber leider viel zu selten beachtet werden: Anna ist eines jener Kinder, die für ihre suchtkranken Eltern sorgen, und die vor der Schulklasse, den Nachbarn und den Pizzaboten stets ihr wahres Elend verheimlichen müssen. Trotz des gewichtigen Themas verspricht Anne Verena Freybott vom „Open Haus" ein „leichtfüßiges Spiel" mit Witz – und mit einem Chor sprechender Schnecken.

Jugendliche tanzen ins „Multiversum"

Mit der Uraufführung von „Sauer" am 11. April 2024 im Studio prämiert das Theater Oberhausen die Autorin Asja Krsmanovic: Ihr Drama überzeugte die Fachjury des Festivals „New Stages South East". Das liebste Familienritual für die demente Großmutter ist das alljährliche Gemüse-Einlegen. Doch Akt für Akt, in dem sich diese Szene zu wiederholen scheint, fehlt ein weiterer Angehöriger: ein Kammerspiel von Verlust und Trauer, eingebettet in skurril-komische Situationen.

Dancing in the Rain: Kwame Osei und Kama Frankl-Groß erschaffen in der neuen Tanzsparte ein „Multiversum
Dancing in the Rain: Kwame Osei und Kama Frankl-Groß erschaffen in der neuen Tanzsparte ein „Multiversum". © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Und wo bleibt die neue Tanzsparte mit dem „New Wave"-Ensemble? Nun, Kama Frankl-Groß und Kwame Osei wollen am 3. Mai 2024 nicht weniger als ein „Multiversum" ins kleine Studio zaubern, noch dazu mit Oberhausener Jugendlichen. In Proben ab Jahresbeginn wollen sie gemeinsam die Vielfalt der Urban Arts erschließen.

„Der kleine Prinz" als Tanzperformance

Zudem planen die New Waver noch zwei weitere Produktionen fürs Studio, allerdings noch ohne feste Premierentermine: „Vagabund" variiert als Tanzperformance die Erkenntnis-Reise von Saint-Exupérys„Der kleine Prinz“ (angekündigt für Herbst). Und „Suits" spiegelt die Alltagswelt von People of Colour in Deutschland (angekündigt für Frühjahr 2024).

Nicht nur für Abonnenten: Theaterkasse ist wieder geöffnet

Die Theaterferien beendet die emsige Crew der Theaterkasse stets als Erstes: Sie ist wieder zur Stelle und gibt Tipps zum Theaterprogramm und zur Sitzplatzwahl, sei es am Will-Quadflieg-Platz, per Kartentelefon 0208 8578 184 oder per Mail an service@theater-oberhausen.de.

Nach erfolgreicher Einstands-Saison von Theater-Intendantin Kathrin Mädler ist nun auch ein Repertoire aufgebaut: Für einige gefragte Inszenierungen gibt’s also ein Wiedersehen im Studio. Zu den Wiederaufnahmen zählt im Herbst „Der neugierige Garten" für kleine Zuschauer ab 4 Jahren, aber auch Felicia Zellers Doku-Drama „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt", basierend auf Recherchen im Oberhausener Frauenhaus. „All das Schöne", ein beeindruckendes Solo für Anke Fonferek, hat Mädler als eigene Regiearbeit aus Memmingen mitgebracht.

Der Theaterbar bleibt Nick Hornbys erfolgreiches Ehedrama „State of the Union" als Wiederaufnahme erhalten: ein pointensattes Wortduell für Regina Leenders und Jens Schnarre.