Oberhausen. In der Künstlergalerie KiR zeigt die Malerin und passionierte Taucherin 50 Arbeiten: vom Hammerhai im Kleinformat bis zur Geometrie des Seetangs.
Jetzt müssten nur noch einige blaue und weiße, dazu silbrig-graue Ballons unter der Decke des tiefen Raums schweben und beim Blick durchs Schaufenster wäre die Galerie KiR vollends in ein Aquarium verwandelt. Die Ausstellung „Mein Meer“ versammelt rund 50 Gemälde, Radierungen und Kleinskulpturen von Marayle Küpper – und nur ein einziges Blatt zeigt kein Meereswesen. Doch selbst dieser kleine „Fehler“ passt genau.
„Alles selbst ertaucht“, sagt die Künstlerin munter. Mit ihrer Schwester Ricarda ist die gebürtige Mülheimerin mit Atelier in Duisburg an vielversprechenden Tummelplätzen der Meeresfauna unterwegs: „Gute Lichtverhältnisse enden bei 20 Meter Tiefe.“ In der Nordsee allerdings haben die Tauchschwestern stets Licht dabei. Nach Ricardas Fotografien entstehen jene ausdrucksvollen Fisch-Porträts, die vor meist schwarzem Hintergrund eben nicht „abgemalte“ Kamerabilder sind. „Die haben Persönlichkeit“, sagt Marayle Küpper – und meint damit jene Kois, die sie ganz bequem in Nachbars Garten porträtieren durfte.
So sind ihre Naturstudien eben keine wissenschaftlichen Arbeiten und Forschungsdokumente, wie etwa die Blumen und Schmetterlinge von Maria Sibylla Merian (1647 bis 1717). Küpper lässt in ihren von Sympathie getragenen Tierporträts vor allem die Augen tief blicken – von wegen „kalte Fischaugen“. Ihr fernöstlicher Mandarinfisch blickt verträumt aus der dunklen Tiefe. Die auch in der Natur strahlend bunten Minibarsche verlassen ihre Verstecke zwischen Geweihkorallen nur, um in 20-minütigen „Tänzen“, so erzählt’s die faszinierte Taucherin, die weniger bunten Mandarinfisch-Weibchen zu beeindrucken. „Sie sind superschnell“, staunte Marayle Küpper. „Fotografen scheitern meistens kläglich.“ Wie ausgeruht wirkt dagegen ihr großformatiges Gemälde.
Diese Fischporträts sind geradezu Charakterstudien
Etwas vergrätzt blickt dagegen die über den Betrachtern hinwegschwebende Meeresschildkröte. „Wir hatten sie geweckt“, sagt Marayle Küpper entschuldigend. Die bizarre Schönheit von Quallen vervielfacht die Malerin mit einer in exakter Reihe segelnden Vierer-Phalanx der transparenten Medusen. Und in kleineren Formaten feiern ihre Gemälde die ausgeklügelte Geometrie und Ornamentik von Seetang, Kelp und blauen Korallen. Denn nicht allein tropische Riffs sind fantastische Unterwasser-„Landschaften“. Die Kunst der Malerin ist es, im „großen Getümmel“ jene grafisch so faszinierenden Details heranzuzoomen.
Ein spezielles Kontrast-Programm im maritimen Sujet liefern die rund ums KiR-Klavier drapierten, ebenfalls hochformatigen Radierungen. Hier ist jedes Blatt ein Unikat, weil Küpper direkt die Druckplatte einfärbt. Und vom Seeteufel und Kugelfisch bis zum Hammerhai gilt hier: Diese Fischporträts sind geradezu Charakterstudien – die Marayle Küpper mit der ungemein sprechenden Mimik eines dicken Frosches bis zur Karikatur treibt. „Der erzählt so viel“, sagt die Künstlerin zu diesem „Ausreißer aus der Meereswelt“. Allerdings war an der Elsässer Straße 21 mal eine kleine Hommage für den Elsässer Tomi Ungerer (1931 bis 2019) und seinen bissigen Strich fällig.
Fragile Statik der stromlinienförmigen Wesen
So charmant wie Marayle Küpper zu jedem ihrer submarinen Bildnisse – vom Drückerfisch mit seinem respektheischenden Gebiss bis zum „hochnäsigen“ Fetzenfisch – eine Anekdote parat hat, so überzeugend gelingen ihr diese Charakterisierungen auch im 3-D-Metier von Speckstein und Alabaster, das sie erst während der Corona-Jahre für sich entdeckt hat: „Steine verlangen noch mehr Reduktion.“ Ihrem Seepferdchen lässt sich durchaus die Mühe ansehen, als kleiner Hengst die Eier ausbrüten zu müssen – „grumpy“, sagt dazu die Bildhauerin.
Die fragile Statik ist das größte Problem, will sie die stromlinienförmigen Wesen überzeugend aus dem Stein holen. Da macht es ihr der kompakte Kofferfisch noch am leichtesten. Doch der Mini-Skulpturenpark im KiR-Schaufenster ist ein so überzeugendes Entree in „Marayles Meer“ – da braucht es wirklich keine illusionistischen Luftblasen an der Galeriedecke.
Einstimmung auf die KiR-Jubiläumsschau
Die Galerie KiR im Europahaus, Elsässer Straße 21, zeigt die Ausstellung „Mein Meer“ von Sonntag, 13. August, bis Sonntag, 17. September, geöffnet mittwochs und freitags von 17 bis 19.30 Uhr, sonntags von 16 bis 19 Uhr. Zur Vernissage am Sonntag um 17 Uhr gibt Dr. Jobst Paul eine Einführung und musiziert die Saxophonistin Rita Flaßkamp.
Im KiR-Ausstellungskalender folgt anschließend die große Jubiläumsausstellung zu 20 Jahren Kunstinitiative Ruhr, zu der auch ein Katalog erscheinen soll.