Oberhausen. Erste Betriebe „schenken“ ihren Angestellten wertvolle Zeit für Freizeit und Familie. Was spricht für die Vier-Tage-Woche, was dagegen?
Weniger Arbeit bei gleichem Lohn: Von der vier-Tage-Woche erhoffen sich Experten einen Schub für die Suche nach Fachkräften. Mehr Freizeit schafft attraktive Arbeitsplätze und eine höhere Motivation, so die vereinfacht ausgedrückte Logik. Die Idee einer vier-Tage-Woche kommt, wenn auch langsam, in Oberhausen an. Erste Betriebe wie der Aufzugsservice Steck probieren das Modell bereits aus. Weitere überlegen, andere sind skeptisch. Eine Übersicht.
Dass es auch im kleinen Maßstab mit der Vier-Tage-Woche klappen kann, zeigt der Friseursalon Krey in Oberhausen-Osterfeld. „Bei unserer jüngsten Betriebsfeier im April ist das Thema Vier-Tage-Woche plötzlich irgendwie aufgekommen“, berichtet Chefin Manuela Krey. Schnell sei deutlich geworden, dass im kleinen Team des Friseursalons großes Interesse daran besteht: drei Vollzeitkräfte, eine Teilzeitkraft und eine Aushilfskraft zählen neben der Chefin dazu. Die Diskussion bei der Betriebsfeier entfaltete schnell Dynamik – und Manuela Krey entschied: „Wir machen das, wenn weiterhin der Umsatz stimmt.“
Seit 1. Juni 2023 ist die Vier-Tage-Woche in dem Friseurgeschäft an der Bottroper Straße nun unter den drei Vollzeitkräften Realität – und das bei vollem Lohnausgleich. Das heißt: Die drei Mitarbeiterinnen haben jeweils an einem Tag der bisherigen Arbeitswoche zusätzlich frei, müssen dafür aber an den anderen Tagen nicht länger arbeiten. Rund 1600 Euro netto verdient eine Vollzeit-Friseurin im Schnitt.
„Man hat einfach mehr Zeit für das Privatleben“
Melissa Meiers gehört zu den drei Vollzeit-Kräften, die von der neuen Regelung profitieren: „Ich finde das gut. Man hat einfach mehr Zeit für das Privatleben und kann den zusätzlichen freien Tag gut nutzen“, sagt sie. Teilzeitkraft Claudia Kronsbein erhält seit dem 1. Juni unterdessen etwas mehr Geld als zuvor, damit die Lohngerechtigkeit im Team bestehen bleibt.
„Die Zeiten haben sich verändert. Das Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben ist wichtiger geworden. Dieser Entwicklung müssen wir Rechnung tragen, um weiterhin gute Leute zu gewinnen“, sagt Firmenchefin Manuela Krey. Gerade in einem kleinen Team könne die Vier-Tage-Woche gut umgesetzt werden, ist sich die Unternehmerin sicher. Die Arbeitszufriedenheit steige und damit auch die Motivation, mit einer guten Leistung zum Unternehmenserfolg beizutragen.
Bei Bischoff haben die Beschäftigten mittwochs frei
Eher aus der Not geboren ist die „Viereinhalb-Tage-Woche“ bei Metzger- und Kreishandwerksmeister Jörg Bischoff. Sein Geschäft bleibt mittwochs geschlossen, die sechs Beschäftigten im Verkauf haben an diesem Tag frei. Aber: Er verkürzt die Arbeitszeit nicht. Vor der Umstellung war das Geschäft an sechs Tagen in der Woche geöffnet, montags bis freitags ganztägig und samstags halbtägig, das macht fünfeinhalb Arbeitstage. Weil ihm aber Arbeitskräfte fehlen, war dies nur zu leisten, indem seine Angestellten Überstunden machten. „Das kann man niemandem auf Dauer zumuten“, sagt Bischoff. „Jetzt arbeitet das Team an viereinhalb Tagen, schiebt keine 30 Überstunden mehr vor sich her und ist zufriedener als vorher“, meint Bischoff. Seine Hoffnung: „Dass sich herumspricht, dass man beim Bischoff mittwochs frei hat und sich wieder mehr junge Menschen bewerben.“
Die Volksbank Rhein-Ruhr, die in Oberhausen immerhin drei Filialen betreibt, hat ihren Mitarbeitern in den Geschäftsstellen bei gleichem Gehalt die wöchentliche Arbeitszeit um drei auf jetzt 36 Stunden gekürzt, um sich bei dringend benötigten Beratungs- und Servicekräften beliebter zu machen.
Chemiewerk: Viel Heimarbeit bei OQ Chemicals
Bei der Stadtsparkasse ist dies dagegen derzeit kein Thema. Das Geldinstitut biete seinen Mitarbeitern bereits „ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität“, wie Sprecher Frank Wrobel erläutert: Gleitzeit, mobiles Arbeiten an ein oder zwei Tagen in der Woche von zu Hause aus, Arbeitsplätze in Teilzeit.
Auch bei weiteren, großen Arbeitgebern in der Stadt ist derzeit nicht angedacht, den Mitarbeitern Arbeitszeit zu „schenken“ und auf mehr Produktivität zu hoffen. Bei OQ Chemicals, dem Betreiber des Ruhrchemie-Werkes in Holten, spüre man aber sehr wohl „den Wunsch nach Flexibilisierung der Arbeitszeit und mehr Fokus auf Work-Life-Balance“, erklärt Sprecher Thorsten Ostermann auf Nachfrage. In der Verwaltung arbeiten viele Mitarbeiter mittlerweile verstärkt von zu Hause aus, in der Produktion habe OQ bereits vor drei Jahren ein neues Fünf-Schichtsystem eingeführt, das mehr Flexibilität schaffen soll.
Experte: Vier-Tage-Woche im Einzelhandel kaum umzusetzen
Im Sterkrader Werk von MAN Energy Solutions hält man sich mit klaren Aussagen zur Vier-Tage-Woche noch zurück. Standortübergreifend entwickeln derzeit Projektgruppen Ideen für mehr Flexibilität, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist aus Unternehmenskreisen zu hören.
Kaum umzusetzen sei die Vier-Tage-Woche im Einzelhandel, sagt Marc Heistermann, Geschäftsführer des auch für Oberhausen zuständigen NRW-Handelsverbandes Ruhr. Die Personalplanung sei angesichts der fehlenden Arbeitskräfte ohnehin schwierig, denn man möchte seinen Kunden ja lange Öffnungszeiten vorhalten, um mit dem Onlinehandel wenigstens annähernd Schritt halten zu können. So sieht es auch Wolfgang Schmitz, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes: Es gebe Unternehmen, die nur wettbewerbsfähig bleiben können, wenn Anlagen gleichmäßig ausgelastet sind, Lieferungen schnell erfolgen oder Dienstleistungen zu festen Zeiten erbracht werden.