Oberhausen. Die politische Forderung nach Schnellverfahren gegen Freibad-Gewalttäter hat für viel Aufsehen gesorgt. Was sagt die Oberhausener Justiz dazu?

Die jüngste Forderung des designierten CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann nach Schnellverfahren gegen Gewalttäter in Freibädern stößt auf klare Ablehnung an der Spitze des Oberhausener Amtsgerichts. „Die politische Forderung, gegen Gewalttäter noch am gleichen Tag eine Hauptverhandlung durchzuführen, ist aus meiner Sicht rechtspolitisch abzulehnen und zeugt von eklatanter Unkenntnis des Strafverfahrensrechts“, erklärt Christian Happe, Direktor des Amtsgerichts Oberhausen.

Linnemann hatte nach wiederholter Gewalt in Berliner Freibädern gesagt, wer mittags im Freibad Menschen angreife, müsse abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden – und das auch am Wochenende.

Den in diesem Zusammenhang vielfach verwendeten Begriff des „Schnellverfahrens“ möchte Amtsgericht-Direktor Christian Happe gar nicht erst verwenden: „Er weckt aus meiner Sicht negative Assoziationen eines nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführten Verfahrens mit eingeschränkten oder nicht vorhandenen Beschuldigtenrechten.“

Direktor des Amtsgerichts: „Beschleunigung steht im Spannungsfeld zu fairen Verfahren“

Genau solche Verfahren sollte es, so Christian Happe weiter, in einem Rechtsstaat jedoch nicht geben. Grundsätzlich sei es selbstverständlich erstrebenswert, die Dauer von Strafverfahren möglichst kurz zu halten. Happe unterstreicht: „Es ist in den allermeisten Fällen sehr sinnvoll, wenn die Strafe auf dem Fuße folgt.“ Die Beschleunigung stehe jedoch in einem Spannungsfeld zu fairen Verfahren. Die Grundsätze des fairen Verfahrens könnten aber nicht beiseitegelassen werden, zeigt sich Christian Happe überzeugt.

Die Strafprozessordnung regele bereits das beschleunigte Verfahren. Im Jahr 2022 seien beim Amtsgericht Oberhausen 25 beschleunigte Verfahren durchgeführt worden. Schwerpunkt des Tatvorwurfs seien dabei kleinere Diebstähle gewesen, die nicht selten von Beschuldigten ohne festen Wohnsitz begangen worden seien. Die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens sei dann zulässig, wenn der Sachverhalt einfach und eine klare Beweislage eine sofortige Verhandlung ermögliche. Dies sei zum Beispiel der Fall bei Ladendiebstählen mit einem Zeugen oder bei geständigen Angeklagten.

Christian Happe betont mit Blick auf die aktuelle Debatte: „Diese Voraussetzungen liegen bei den Gewalttaten in den Schwimmbädern in aller Regel nicht vor. Zum einen handelt es sich gerade nicht um einen einfachen Sachverhalt mit klarer Beweislage, sondern um eine häufig streitige Tumultlage mit vielen Beteiligten.“ Für die Erstellung einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft sei eine vorherige Vernehmung der Beschuldigten und der Zeugen durch die Polizei erforderlich. Eine Ladung von Zeugen erscheine im Schnellverfahren ebenfalls unmöglich. Eine Hauptverhandlung müsse öffentlich durchgeführt werden. Alle Amtsgerichte müssten dann am Wochenende geöffnet sein. Dafür sei in erheblichem Umfang zusätzliches Personal in allen Dienstzweigen der Amtsgerichte nötig.

Der Gerichtsdirektor: „Es müssten neben der Richterin oder dem Richter auch Wachtmeister/innen vor Ort sein, um die Sicherheit zu gewährleisten und zum Beispiel eine Eingangskontrolle durchzuführen. Das Gericht benötigt eine Protokollkraft und es muss ein Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend sein. Das Problem ist, dass dieses Personal zusätzlich an allen Wochenenden und Feiertagen vorgehalten werden muss, unabhängig davon, ob Verfahren anfallen oder nicht.“

„Tumulte in Schwimmbädern erfordern die Vernehmung von zahlreichen Zeugen“

Ein faires Verfahren setze weiterhin voraus, dass die Angeklagten die Möglichkeit haben, einen Verteidiger hinzuzuziehen. Hinzu komme, dass die Aufklärung entsprechender Tumultlagen in Schwimmbädern die Vernehmung von zahlreichen Zeugen in der Hauptverhandlung erfordere, soweit nicht eine Verlesung von Protokollen zulässig sei. Möglicherweise müssten auch noch Dolmetscher zum Termin hinzugezogen werden.

Der Direktor des Amtsgerichts Oberhausen unterstreicht: „Die Durchführung solch aufwändiger Hauptverhandlungen hat der Gesetzgeber bei den beschleunigten Verfahren gerade nicht vor Augen gehabt. Aus meiner Sicht sind solche Verfahren am Wochenende schon aus organisatorischen Gründen nicht durchführbar.“

Zudem sei noch zu berücksichtigen, dass das beschleunigte Verfahren bei Jugendlichen laut Gesetz unzulässig sei. Denn eine Ladung der gesetzlichen Vertreter und einer Beteiligung der Jugendgerichtshilfe sei dann nicht möglich. In beschleunigten Verfahren dürfe zudem höchstens eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden. Maßregeln der Besserung und Sicherung seien unzulässig.

Richterlicher Bereitschaftsdienst für eilige und unaufschiebbare Angelegenheiten

Unterdessen ist es keineswegs so, dass die Juristen am Wochenende nichts tun: Das Amtsgericht Oberhausen hält auch an Wochenenden von 6 bis 21 Uhr einen richterlichen Bereitschaftsdienst für eilige und unaufschiebbare Angelegenheiten bereit. Eine Öffnung des Hauses für öffentliche Hauptverhandlungen ist an Wochenenden allerdings nicht vorgesehen.