Oberhausen. Hohe Einkaufspreise, Energie- und Lagerkosten machen Oberhausener Betrieben zu schaffen. Einige Chefs denken daran, Deutschland zu verlassen.
Pandemie, Ukraine-Krieg, Energie-Preisschock – bisher hat sich die deutsche Wirtschaft und vor allem die Deutsche Börse mit ihrem Kursindex Dax erstaunlich robust gezeigt. Doch im ersten Halbjahr 2023 ist die Wirtschaftskraft geschrumpft, die Konsumlaune der Deutschen ist im Juni wieder gesunken, die NRW-Unternehmen, vor allem Industriebetriebe, blicken mit Sorge auf die Auftragslage und das Exportvolumen ist in einem Jahr um über fünf Prozent gesunken.
Die über 500 Beschäftigten der Sparkasse Oberhausen spüren bei ihren tagtäglichen Geschäften mit ihren Kunden die Bremsspuren für Firmen und Privatkunden. In den Geschäftszahlen des Marktführers vor Ort spiegeln sich die Sorgen und Ängste der Bürger, aber auch deren Hoffnungen und Zuversicht wider. Nach Interpretation der nüchternen Ziffern und Balken ihrer Statistiken kommt laut Sparkassenvorstand Oberhausen bisher noch glimpflich durch die Wirtschaftskrise, die offiziell bereits durch die zweimalige Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts in den ersten beiden Quartalen 2023 als „Rezession“ eingestuft wird.
Die gefährlichen Krisen-Warnzeichen schlagen noch nicht aus
„Wir sehen ein deutlich positiveres Bild als die Medienberichte über Rezession und Auftragsentwicklung vermuten lassen“, sagt Sparkassen-Vorstandsvize Thomas Gäng nach dem ersten Halbjahr 2023. Denn die gefährlichen Krisen-Warnzeichen schlagen noch nicht aus: „Die Zahl der Kunden, die ihre Kreditraten nicht bezahlen können, sind sehr gering. Der Dispo-Kredit auf dem Konto wird von Privatleuten nicht stärker in Anspruch genommen als bisher – und das gilt auch für unsere gewerblichen Kunden. Die Rating-Kennziffern für die Kreditkunden sind trotz aller Krisen stabil. Wir erblicken also keine Liquiditätsengpässe.“
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Und doch kann diese Momentaufnahme trügen. Denn gleichzeitig beobachten die Sparkassenfachleute, dass Privatleute und Unternehmen unter großem Druck stehen. Nicht nur durch die hohen Preissteigerungsraten und Energiekosten, sondern auch durch die neue Erkenntnis, die das Heizungsgesetz auslöste: Wer das Klima schützen und Energie sparen will, muss seine Immobilien, seine Hallen, seine Fabrik teuer sanieren. „Die Leute halten ihre Groschen zusammen. Wir nehmen eine große Verunsicherung wahr, der Handlungsspielraum ist bei vielen enorm eingeschränkt, selbst bei gut situierten Kunden“, beobachtet der Oberhausener Sparkassen-Chef Oliver Mebus. Zusätzlich sparen können viele nicht mehr: Die Kundeneinlagen, also die Spargelder, sind vom Rekordniveau 2,25 Milliarden Euro im Vorjahr bereits leicht auf 2,24 Milliarden Euro gesunken – um etwa zehn Millionen Euro (minus 0,4 Prozent).
Die Rahmenbedingungen führen zu deutlich höheren Kosten für Oberhausener Betriebe – nicht nur aufgrund höherer Einkaufspreise von Waren. Durch die Lieferengpässe der vergangenen Jahre gewarnt, stellen Firmen ihren Geschäftsbetrieb um: Ihr Lagerbestand wächst kostenträchtig, das Risiko einer „Just-in-Time“-Produktion wollen weniger Firmen eingehen. Die weiterhin hohen Strom- und Gaspreise in Deutschland lassen die Eigentümer insbesondere von Produktionsbetrieben grübeln. „Unternehmen denken darüber nach, den Standort zu wechseln – wegen der hohen Energiekosten hierzulande“, sagt Mebus. Die höheren Aufwendungen seien jetzt in vielen Branchen angesichts des harten internationalen Wettbewerbs bei den Kunden nicht mehr durchsetzbar.
Betriebe verzichten auf Investitionen, Privatleute stellen ihre Wünsche zurück
Und so halten sich Firmen bei ihren Investitionen zurück, Privatkunden stellen Konsumwünsche zurück, Familien verzichten auf das Wagnis einer eigenen Immobilie: Das Firmenkreditgeschäft der Sparkasse geht zurück (minus 27 Prozent an Neuzusagen prognostiziert für 2023), die Zahl neuer Ratenkonsumkredite (minus 26 Prozent) sinkt und die Menge an Baudarlehen (minus 50 Prozent) ist regelrecht eingebrochen.
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Die Vollbremsung im zweiten Halbjahr 2022 auf dem Wohnungsmarkt fiel so brutal aus, dass Mebus und Gäng nun schon zufrieden sind, dass man überhaupt noch eine erkleckliche Anzahl an Immobilienkrediten herausgibt. „Das Geschäft ist nicht tot“, versichert Mebus. „Unsere Kunden konzentrieren sich nun häufig auf Sanierungen ihrer Immobilien.“
Dafür benötigt man allerdings deutlich kleinere Summen als bei Hauskäufen. So prognostiziert der Vorstand eine Halbierung der Immobilienkredite in diesem Jahr: Waren es 2022 noch 138 Millionen Euro neue Kredite, so werden es 2023 wohl nur 70 Millionen Euro sein. Der Kombi-Schock aus hohen Haus- und Wohnungspreisen, Rekord-Handwerker-Preisen plus schnell auf etwa 4,0 Prozent gestiegene Zinsen trifft die Immobilien-Interessenten hart. Da mag der Sparkassenvorstand noch so oft (und zu Recht) beteuern, dass der Kreditzins im historischen Langfristvergleich weiter auf relativ geringem Niveau ist.