Oberhausen. Viele Langzeitarbeitslose kennen diese neue Regelung noch nicht, doch sie bringt bares Geld: Wer einen Kurs besucht, erhält bis zu 150 Euro mehr.
- Seit 1. Januar 2023 hat das Bürgergeld die alten Vorschriften des Hartz-IV-Gesetzes (Sozialgesetzbuch II) abgelöst.
- Was viele nicht beachtet haben: Das Gesetz hat zwei Stufen, die in diesem Jahr gezündet wurden.
- Seit 1. Juli 2023 erhalten Langzeitarbeitslose eine finanzielle Belohnung, wenn sie Kurse oder eine vollständige Ausbildung absolvieren. Zusätzlich zum Bürgergeld gibt es dann mindestens 75 Euro mehr im Monat.
Ob Handwerk, Pflege oder Gastro: In vielen Branchen fehlen Arbeitskräfte. Von der neuen, seit 1. Juli 2023 geltenden Stufe des Bürgergeldes erhofft sich Uwe Weinand, Chef des Oberhausener Jobcenters, wichtige Impulse, um Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu schließen.
Als zu Jahresbeginn 2023 das Bürgergeld die bisherigen Zahlungen von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und Sozialgeld ablöste, sah das Gesetzespaket gleich einen weiteren Schritt vor: Seit Anfang Juli können die Bezieherinnen und Bezieher zusätzlich Geld im Monat bekommen, wenn sie sich weiterbilden. 75 Euro stehen monatlich für diejenigen bereit, die sich durch Kurse, Lehrgänge oder Seminare zusätzlich für den Job qualifizieren. Das Doppelte, also 150 Euro, erhalten Bürgergeldempfänger, die beispielsweise einen Berufsabschluss nachholen oder eine Umschulung absolvieren. Es gibt diese Unterstützung sogar auch für solche Kurse, die vor dem Stichtag 1. Juli begonnen haben.
Rund 5670 Menschen in Oberhausen gehören zu den Langzeitarbeitslosen
Die Gelder sind allerdings nur für Langzeitarbeitslose vorgesehen. Deren Zahl liegt in Oberhausen bei rund 5670 Personen. Das ist rund die Hälfte all derer, die derzeit als erwerbslos gemeldet sind. „Um die Betroffenen für eine Stelle zu motivieren, braucht es nun mal Anreize“, sagt Weinand. Finanzielle Hilfen seien durchaus eine geeignete Methode, um Menschen den Weg in den Arbeitsmarkt zu bahnen.
Erst im Juni hatte der Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz bei der Arbeitsmarktkonferenz mit NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann von einer paradoxen Situation gesprochen: Auf der einen Seite gebe es die Langzeitarbeitslosigkeit und auf der anderen Seite den Fachkräftemangel. Der Situation müsse und wolle man sich stellen, betonte Schranz während des Treffens.
Wenn nun Tausende von Menschen seit Jahren keinen Arbeitsplatz mehr haben, keinen finden oder sich auch nicht bemühen, dann seien dafür mehrere Gründe ausschlaggebend, sagt Uwe Weinand. Da können gesundheitliche oder psychische Momente ebenso eine Rolle spielen als auch fehlende berufliche Voraussetzungen. Rund ein Viertel der Oberhausener Langzeitarbeitslosen hat keinen Schulabschluss und über 70 Prozent keinen Berufsabschluss.
Gesetz hat gerade in Oberhausen Wirkung gezeigt
Dass es aber trotz mancher Hürden und Widrigkeiten gelingen kann, die Menschen in Lohn und Brot zu bringen, stellt das seit viereinhalb Jahren existierende Teilhabechancengesetz unter Beweis. „Gerade in Oberhausen entfaltet dieses Gesetz seine Wirkung“, beobachtet Weinand. Das Prinzip: Erwerbslose werden unbefristet sozialversicherungspflichtig eingestellt. Das Jobcenter übernimmt in Teilen oder sogar vollständig die anfallenden Lohnkosten für den Arbeitgeber in einem Beschäftigungszeitraum von zwei oder fünf Jahren.
Viele Arbeitslose haben seit über vier Jahren keinen Job
Von den Langzeitarbeitslosen (länger als ein Jahr ohne Arbeitsplatz) in Oberhausen haben rund 2100 seit vier Jahren und mehr keine Stelle. Die weiteren Daten: ein bis zwei Jahre: 1633, zwei bis drei Jahre: 837, drei bis vier Jahre: 819.
Nicht mehr nur Frauen und Männer ab Mitte 50 gehören zu den Langzeitarbeitslosen. Die Staffelung sieht wie folgt aus: 15 bis 25 Jahre: 78, 25 bis 35 Jahre: 1068, 35 bis 45 Jahre: 1532, 45 bis 55 Jahre: 1586, 55 Jahre und älter: 1154. Der Anteil der Männer liegt bei 2977, der von Frauen bei 2441.
In Oberhausen sind auf diese Weise seit 2019 rund 600 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, im Laufe der Zeit haben 700 Menschen solche Stellen inne gehabt oder sind darin noch tätig. Wenn jemand aus diesem Programm vorzeitig ausscheidet, landet er nicht automatisch wieder in Arbeitslosigkeit. Beispielsweise sind nach Daten des Jobcenters rund die Hälfte der 50 Leute, für die im vergangenen Dezember der geförderte Job-Zeitraum endete, beschäftigt geblieben – und zwar in einem sozialversicherungspflichtigen Job.
Beispiele, wie das Teilhabechancengesetz im Alltag funktioniert, gibt es nach den Aussagen von Weinand zuhauf. So hat man es geschafft, einen jungen Mann, der noch nie eine Ausbildung hinter sich gebracht hat, bei einem Sanitärhandel unterzubringen, der ihn inzwischen auch übernommen habe. „Zusätzlich bekam er einen Führerschein finanziert.“ Eine Frau Anfang 50 hat als Pflegerin in einem Seniorenheim angefangen, später sogar eine Stationsleitung übernommen. In der städtischen Bauverwaltung begann eine Langzeitarbeitslose, Hausakten zu sortieren, eine Aufgabe, die lange Zeit brach lag. Die Oberhausener Straßenreinigung hat zusätzliche Kräfte gewonnen und ebenso das Oberhausener Gebäudemanagement für die Grünpflege auf Friedhöfen.
Coaching gehört zum Markenkern des Programms
Das Markenzeichen des Programms sei aber gar nicht unbedingt die finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber. „Vielmehr gehört zu jeder Stelle ein Coach, ein Begleiter, der sowohl dem Beschäftigten als auch dem Unternehmen zur Seite steht“, ist die Erfahrung des Jobcenter-Leiters. Es gebe immer eine Vielzahl an Fragen zu klären, von Einzelheiten im Tagesablauf bis hin zu den Aufgaben, die am Arbeitsplatz zu erfüllen sind. Aufgrund der vielen guten Erfahrungen mit dem Coaching hat der Gesetzgeber seit 1. Juli eine solche Begleitung für alle Langzeitarbeitslosen des Jobcenters geschaffen.
Daher sieht Weinand auch in der nächsten Stufe des Bürgergelds reichlich Potenzial. Die Menschen bekommen zum einen für die Weiterqualifizierung mehr Geld aufs Konto, zum anderen auch Unterstützung im Beruf. Als vorteilhaft wertet es Weinand auch, dass Qualifizierung Vorrang habe. Es komme nicht allein darauf an, Erwerbslose in einen Job zu bringen. Vielmehr müsse man zuerst die Betroffenen weiterbilden, um Langzeitarbeitslose auch in qualifizierte Berufe bringen zu können. Das Oberhausener Jobcenter arbeitet dafür eng mit zahlreichen Weiterbildungsträgern zusammen.
- Sie wollen keine Nachrichten aus Oberhausen verpassen? Dann bestellen Sie unseren kostenlosen abendlichen Newsletter: Hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung
- Sie möchten mehr Nachrichten und Geschichten aus Oberhausen lesen? Hier geht’s zur WAZ-Stadtseite Oberhausen
- Sie interessieren sich für Familien-Nachrichten aus dem Ruhrgebiet? Dann melden Sie sich für unseren kostenlosen Newsletter an: Hier geht’s zur Anmeldung
- Die WAZ Oberhausen finden Sie auch auf Facebook: Hier geht’s zur Facebookseite