Oberhausen. Das Restaurant 60 Seconds to Napoli serviert neapolitanisch inspirierte Pizza, kann beim Testbesuch mit Essen und Service aber nicht überzeugen.

In Oberhausen gibt es zwar keinen brodelnden Vulkan Vesuv und keine mediterrane Meeresbucht, aber seit einiger Zeit 60 Seconds to Napoli. Das Restaurant hat den Anspruch, echte neapolitanische Pizza zu servieren und macht damit ein großes Qualitätsversprechen, das wir bei einem unangemeldeten und anonymen Besuch getestet haben.

Das Ambiente

Wir sind an einem Montag gegen 18 Uhr da. Das Restaurant ist gut besucht, aber nicht voll. Da es uns drinnen zu dunkel erscheint, entscheiden wir uns für einen Tisch auf der Außenterrasse direkt vor dem Restaurant. Hier draußen läuft ziemlich laute Musik. Insgesamt finden wir die Atmosphäre weder besonders unangenehm noch einladend. Beinahe sofort nachdem wir uns gesetzt haben, möchte eine Bedienung unsere Getränkebestellung aufnehmen, allerdings brauchen wir für unsere Auswahl noch etwas mehr Zeit – vor allem wegen der besonders ausführlichen Weinkarte.

Unsere Bestellung

Gastrokritik subjektiv und unabhängig

Die Gastrokritik entspricht dem subjektiven Geschmacksurteil der Tester. Bei unseren Restaurant-, Bistro- und Imbiss-Tests geben wir uns nicht als Journalisten oder Tester zu erkennen, bewerten unabhängig und bezahlen das Essen sowie die Getränke selbst – damit wir in unserem subjektiven Urteil nicht beeinflusst werden.

Unsere Erfahrungen bei diesen Gastro-Tests sind natürlich abhängig von der Tagesform der Gaststätten-Teams – mal hat etwa der Koch eine schlechte Stunde erwischt, mal die Bedienung eine besonders gute.

Wir entscheiden uns für einen Riesling (8,50 Euro für ein 0,15-Liter-Glas), den Ipanema Mocktail (acht Euro) und eine große Flasche Sprudelwasser (6,90 Euro). Das Essen bestellen wir gleich mit und nehmen einen kleinen Beilagensalat mit Balsamico-Essig und Olivenöl (sechs Euro), die vegane Salami-Pizza (15 Euro) und die „The Royal Lobster“-Pizza mit Hummer, gesalzener Butter, Frühlingszwiebeln und Siracha-Mayonnaise (25 Euro). Eine vegane Vorspeise hätten wir auch gerne gehabt, aber leider werden keine veganen Varianten angeboten.

Auf der Speisekarte stehen insgesamt sechs Vorspeisen, deren Preis von sieben bis 16 Euro reicht. Die Pizzen sind von neun bis 19 Euro erhältlich. Die 25-Euro-„Royal Lobster“-Pizza ist ein besonderes Angebot von Mai bis Juni. Die vegane Auswahl ist mit fünf veganen Pizzen (plus einer veganen Pizza im alle zwei Monate wechselnden Angebot) gut. Die Getränke kommen schnell. Eines der Gläser für das Sprudelwasser hat aber eine Macke am Trinkrand und wir müssen uns ein anderes bringen lassen.

Ipanema-Mocktail mit gefächerten Limettenstücken.
Ipanema-Mocktail mit gefächerten Limettenstücken. © Lisa Bresgott

Das Glas des Ipanema-Mocktails begeistert uns dagegen, denn die Musterung erinnert an die gefächerten Limettenstücke, die obenauf liegen und die Mischung des Limetten- und Maracujasafts mit dem Ginger Ale und dem Zucker ist gut abgestimmt. Acht Euro finden wir trotzdem etwas zu teuer für das eher kleinere Glas, von dem rund die Hälfte mit Eis gefüllt ist. Der Wein kann unseren gehobenen Erwartungen bei einem Preis von 8,50 Euro nicht standhalten. Der Geschmack ist lau und gewöhnlich. Letztlich stellt sich heraus: Statt des bestellten Rieslings hat man uns den preiswerteren „Good Vibes“ Riesling gebracht.

Die vegane Salami-Pizza

Wie echte neapolitanische Pizza gemacht wird, ist durch die italienische „Associazione Verace Pizza Napoletana“ (AVPN) in einem strengen Reglement festgelegt. Denn: Viele der Pizzerien, die heute mit „neapolitanischer Pizza“ werben, halten sich gar nicht an die dahinterstehende Tradition. Neapolitanische Pizza wird am besten mit Weizenmehl des Typs 00 gemacht, der Teig soll nur Mehl, Salz, Hefe und Wasser enthalten und muss lange gehen. Die Zutaten, wie die Tomaten oder der Mozzarella, sollen bestenfalls, und wo immer möglich, aus Kampanien bezogen werde. Daher finden sich auf der 60-Seconds-Speisekarte auch Angaben wie „San Marzano Tomatensauce D.O.P.“. Das „D.O.P.“ steht für „Denominazione d’Origine Protetta“ und entspricht der deutschen geschützten Ursprungsbezeichnung.

Der Teig der Pizzen wird mit den Händen geformt und soll in der Dicke 0,25 Zentimeter im Inneren betragen (plus, minus zehn Prozent Abweichung sind erlaubt), der Rand soll eine Dicke von einem bis zwei Zentimeter haben. Die Pizza wird bei einer Temperatur von 485 Grad und nur kurz im Ofen gebacken. Nach Regularien der AVPN 60 bis 90 Sekunden, bei 60 Seconds to Napoli, wie der Name schon sagt, 60 Sekunden.

Die vegane Salami-Pizza.
Die vegane Salami-Pizza. © Lisa Bresgott

Wir sind sehr gespannt auf die Pizzen und müssen nicht lange warten. Allerdings kommt erneut Enttäuschung auf, als die vegane Salami-Pizza serviert wird, die drei große schwarze Blasen am Rand hat und dadurch nicht appetitlich aussieht. Auch das Basilikum in der Mitte sowie die Unterseite des Randes ist zum Teil verkohlt. Hier hat man sich wohl an 90 statt 60 Sekunden Backzeit orientiert. Die Blasen lassen sich aber wegschneiden und um die zu schwarzen Randteile essen wir herum. Uns ist es wichtig, die Pizza nicht wegschmeißen zu lassen, deshalb verlangen wir keine neue.

Die „Royal Lobster“-Pizza

Die „The Royal Lobster“-Pizza hingegen sieht sehr gut aus. Die gesalzene Butter und die Siracha-Mayonnaise bieten zusammen mit dem Hummerfleisch eine außergewöhnliche und überzeugende Geschmackskombination. Der Rand ist bei beiden Pizzen locker und oben knusprig – wie Brot. Der Teig ist sehr lecker und auch die Tomatensauce schmeckt viel hochwertiger, als wir es bisher von einer Pizza kannten. Positiv hervorzuheben ist bei der veganen Pizza außerdem die besondere Qualität der veganen Salami und des veganen Büffelmozzarellas. Beides schmeckt deutlich besser als die Ersatzprodukte aus Supermärkten. Die Salami hat eine angenehm feste Konsistenz und der Mozzarella ist, genau wie es sein soll, weich und mild.

Öffnungszeiten und Angebote

Öffnungszeiten: 60 Seconds to Napoli hat täglich von 11.30 bis 24 Uhr geöffnet.

Zweimonatige „Specials“: Besondere Sparmenüs oder eine Kinderkarte gibt es nicht, dafür aber alle zwei Monate wechselnde neuartige Pizza-Kreationen. Im Angebot von Juli bis August stehen neben sechs Pizzen auch noch zwei Salate sowie ein Spaghettieis und ein Zitronen-Tiramisu auf der Speisekarte.

Pizzerien-Register der „Associazione Verace Pizza Napoletana“: Wer zertifiziert-traditionelle neapolitanische Pizza ausprobieren möchte, kann auf der Internetseite der AVPN ein Register aller ausgezeichneten Pizzerien einsehen. In Deutschland backen derzeit fünf Pizzerien neapolitanische Pizza nach dem AVPN-Zertifikat. Die Internetadresse lautet: https://www.pizzanapoletana.org/en/associati.

Manko bei beiden Pizzen ist nach unserer Meinung allerdings die Dicke des Innenbodens, die je nur rund einen Millimeter beträgt. Die Pizza ist so dünn, dass uns alle Stücke, die wir abschneiden, sofort auseinanderbrechen und auf dem Teller ineinanderfallen. Der Innenteil von jedem Stück ist mit ein oder zwei Gabeln aufgegessen und nur noch der, zwar wirklich leckere, aber durch den fehlenden Pizza-Innenteil doch zu üppige Rand, bleibt ohne Belag oder Sauce übrig.

Kleiner Beilagensalat aus Wildsalat, Tomate, Gurke und Zwiebeln.
Kleiner Beilagensalat aus Wildsalat, Tomate, Gurke und Zwiebeln. © Lisa Bresgott

Der kleine Beilagensalat besteht aus Wildsalat, Tomate, Gurke und Zwiebeln. Zu dieser Basis kommen noch ein paar Oliven, die den ansonsten sehr einfach gehaltenen Salat geschmacklich deutlich aufwerten. Alle Zutaten sind frisch, Preis-Leistung passt für uns angesichts dessen, dass die Oliven die einzig teurere Zutat im Salat sind, aber nicht zusammen.

Die Bedienung

Als wir fertig sind und ein Kellner uns fragt, wie es geschmeckt hat, geben wir offen zu verstehen, dass die vegane Salami-Pizza zu dunkel gebacken wurde. Der Kellner bietet uns daraufhin ein Gratis-Dessert an. Das ist eine schöne Entschädigung und die Enttäuschung über die Pizzen wiegt nur noch halb so schwer, nachdem wir uns für den veganen Erdbeer-Crumble entschieden haben (regulär acht Euro).

Die Bedienung bei 60 Seconds to Napoli ist uns insgesamt als sehr sachlich aufgefallen. Als wir die Macke am Glas gemeldet haben, entschuldigte sich die Kellnerin nicht. Das Mineralwasser, das wir schon in dieses Glas gefüllt hatten, haben wir nicht neu bekommen. Auch die Frage nach unserer Getränkebestellung direkt am Anfang des Restaurantbesuchs kam sehr schnell – wir hatten noch nicht einmal beide die Karte in der Hand. Außerdem haben wir beim Hinausgehen aus dem Restaurant gesehen, dass am Eingang verschiedene Flaschen mit Öl bereitstanden, die wohl für die Pizza gedacht waren. Gerade den Rand hätten wir gerne damit genossen, das Öl ist uns aber leider nicht angeboten worden.

Das Dessert

Erdbeer-Crumble als Dessert.
Erdbeer-Crumble als Dessert. © Lisa Bresgott

Das vom Haus spendierte Dessert kommt, wie die Pizzen, nach nur kurzer Wartezeit. Der Crumble ist angerichtet in einer kleinen Glasschüssel. Unten in der Schüssel sind weiche Kekse, darauf eine dicke Schicht Vanillecreme, auf dieser ein Keks-Crumble und darauf sind in Sternform fünf Erdbeerscheiben gelegt. Hier hätten wir uns mehr Erdbeeren gewünscht als nur eine Garnitur und haben bei dem Namen des Desserts auch etwas anderes erwartet. Die Vanillecreme ist im Zusammenspiel mit den Keksen ziemlich süß und kompakt, was die Frische und Säure der Beeren harmonisch aufgelockert hätte. Die Creme schmeckt nur wenig nach Vanille, die Kekse, insbesondere die weichen unter der Creme, gefallen uns sehr gut.

Unser Fazit

Neapolitanisch-inspirierte Pizza hatten wir vor 60 Seconds to Napoli noch nie probiert und sind von der Andersartigkeit zur sonst üblichen Pizza im Grunde begeistert. Bedauerlicherweise waren aber das Essen und der Service nur durchwachsen. Es waren schöne Geschmacksmomente dabei, dennoch bleibt uns vor allem ein negativer Eindruck in Erinnerung. Das unappetitliche Bild der veganen Salami-Pizza und der zu dünne Innenteil der Pizzen. Der falsche Wein, die eher reservierte Bedienung und die Preise, die wir – bis auf die der Pizzen, vorausgesetzt mit etwas dickerem Boden – zu hoch finden, für das, was geboten wurde.

Was bei uns ebenfalls für einen Beigeschmack sorgt: Auf seiner Internetseite gibt die Restaurantkette an, offiziell zertifiziertes Mitglied der „Associazione Verace Pizza Napoletana“ zu sein. Diese Zertifizierung ist mittlerweile jedoch aufgehoben. Das bestätigen auf Anfrage der Redaktion sowohl die AVPN als auch Adrian Kuras, Chef der Restaurantkette, der vor allem Kostengründe dafür nennt. Die Frage der Redaktion, wieso 60 Seconds to Napoli sich online weiterhin mit einer angeblichen AVPN-Zertifizierung schmücke, ließ der Geschäftsführer zunächst unbeantwortet.

Auf nochmalige Nachfrage erklärte Adrian Kuras dann: „Wir haben kein Interesse daran, weil uns die AVPN-Mitgliedschaft einfach nichts gebracht hat. Ja, richtig, es sind 1200 Euro plus 300 Euro pro Jahr. Wenn Sie das auf zehn Läden umrechnen, kommt da eine richtig hohe Summe zusammen.“ Die AVPN-Zertifizierung stehe noch auf der Internetseite, weil diese mit dem gesamten Content hinterherhinke – „Beim nächsten Update wird das definitiv behoben sein.“

Die AVPN hat in ihrer Antwort an die Redaktion hingegen angegeben, dass die Zertifizierung der Restaurantkette aufgehoben worden sei, weil 60 Seconds to Napoli die Regularien nicht mehr einhalten würde. Entsprechende Kontaktversuche seien unbeantwortet geblieben.

Dass das AVPN-Zertifikat – neben dem Kostenfaktor, der für die expandierende Pizzeria-Kette bezahlbar sein sollte – auch die Chance bietet, sich als Pizzeria aktiv an der Erhaltung und Wertschätzung neapolitanischer Pizzatradition zu beteiligen, scheint für 60 Seconds to Napoli keine Überlegung zu sein.

Insgesamt haben wir für zwei Personen mit je zwei Getränken (Wein und Mocktail und die geteilte Wasserflasche), dem Beilagensalat, zwei Hauptgerichten und einem geteilten Dessert 67,40 Euro bezahlt. Inklusive dem regulären Preis für den Erdbeer-Crumble wären es 75,40 Euro gewesen.