Oberhausen. Eine bundesweit einzigartige Stuckdecke mit Schlagaluminium und bleiverglaste Fenster – Oberhausen hat nun einen teuren beeindruckenden Ratssaal.
Die Schlussabrechnung ist noch nicht da, doch nach vier Jahren andauernden Modernisierungsarbeiten des alten Ratssaals im Oberhausener Rathaus ist klar, dass der Steuerzahler dafür mehr als sieben Millionen Euro aufbringen muss. In ein einziges Zimmer des 1930 von Stadtbaumeister Ludwig Freitag errichteten Rathauses an der Schwartzstraße wurde damit der Wert von 15 bis 20 Einfamilienhäusern gesteckt.
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Aber das ist nicht irgendein Zimmer – sondern hier im zweiten Stock entscheiden die Ratspolitiker über die Geschicke aller Menschen der Stadt. Entstanden ist für die Millionensumme deshalb im demokratischen Zentrum der Stadt ein Raum, der auch so manchen äußerst kritischen Besucher zu beeindrucken vermag. Schon auf den ersten Blick ist zu spüren: Hier haben sich Denkmalschützer, Architekten, die gewählten Ratspolitiker und die Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Daniel Schranz nicht lumpen lassen. Wo die hoch verschuldete Stadt sonst gezwungenermaßen nach der möglichst günstigen Lösung sucht und dabei in der Vergangenheit oft Aspekte wie architektonische Schönheit vernachlässigt hat, strebten die Fachleute hier im Rathaus nach historischer und zugleich moderner Perfektion.
Feierliche Eröffnung des renovierten Oberhausener Ratssaals am 21. August 2023
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Der Öffentlichkeit wird der Ratssaal feierlich mit der Verleihung der zweithöchsten städtischen Auszeichnung am Montag, 21. August 2023, übergeben: In einer Sondersitzung würdigt die Stadt den früheren Oberbürgermeister Burkhard Drescher (SPD) und Altbürgermeisterin Gretel Kühr (CDU) mit der Glückauf-Bronze. Alle Bürger können sich spätestens am Tag der Demokratie, am Freitag, 15. September, in mehreren Führungen vom aufwändigen Bauwerk überzeugen. Dabei können sie sich erklären lassen, wohin der dicke Millionenbetrag verschwunden ist.
Obwohl viel Geld unsichtbar für die Allgemeinheit in den Bauten und in der Technik hinter Paneelen und unter Fußböden steckt, erkennt man auf den ersten Blick im Ratssaal: Das hier war alles ganz schön teuer. Am auffälligsten und zugleich beeindruckendsten ist hier die bundesweit einzigartige Stuckdecke mit silbernem Schlagaluminium sowie orangenen und anthrazitfarbenen Farbtönen – sie dominiert jetzt den Raum, sorgt für eine beinahe festliche Atmosphäre. Das Prunkstück war zu einem Drittel komplett zerstört und irgendwann durch schnöde Gipskartonplatten abgehängt worden – niemand erinnerte sich mehr an das architektonische „Art-déco“-Kleinod. Dabei greift die Stuckdecke die Ziegelornamente der backsteinexpressionistischen Außenfassade auf. Mühsam analysierten die Denkmalschützer die Originalfarben der Decke, bauten die Stuckateure die rechteckig verlaufenden Einrahmungen der Deckenverzierung wieder auf. Kosten: 476.000 Euro.
Die Original-Fenster mit ihren Farben waren ebenso in Vergessenheit geraten, sogar durch Fotos nicht mehr zu rekonstruieren. Die schmalen deckenhohen Fenster wurden durch die Hallenser Kunsthochschul-Professorin Christine Triebsch im historisierenden Stil mit Bleiverglasung entworfen; eine spezialisierte Glasmaler-Firma aus Paderborn fertigte die neuen Fenster an, die nun einen wunderbaren Blick auf den Grillopark bieten. Die Architekten ermöglichten auch einen kleinen Durchgang zum davor liegenden repräsentativen Rathaus-Balkon. Fenster-Kosten: 405.000 Euro.
Holzverkleidungen mit optimierter Akustik
Die noch rechts und links der Fenster im Original vorhandene Holzvertäfelung der Wände wurde optisch fortgesetzt im gesamten Ratssaal – mit akustisch optimierten Verkleidungen. So sind Reden und Aussagen selbst ohne Mikrofon ausgezeichnet zu verstehen.
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Die modern geschwungenen Stühle für die 60 Abgeordneten werden auf Schienen montiert, um schnell aufstehen zu können – aus Brandschutzgründen. Denn im Grunde ist der ehrwürdige Saal für so viele Menschen, die sich zu einer Ratssitzung versammeln, nach heutigen Maßstäben zu klein, wenn man nur auf den Brandschutz schaut. Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kann mit einer kleinen Hebebühne sogar auf das Podium der Stadtspitze gelangen. Und natürlich gibt es erstmals seit Jahrzehnten eine Klimaanlage, die den Saal energieeffizient belüftet, der früher im Sommer so hitzig und stickig war.
Als Bürger kann man wahrscheinlich nun nur noch hoffen, dass die neue angenehme Ratssaal-Atmosphäre zu besseren Entscheidungen der Politik für Oberhausen führt. Dass die Millionen-Investition nicht nur im Stadtgebiet zu Kritik führen wird, wissen die Verantwortlichen natürlich. Und sie wissen auch, dass die Politik niemals diese Sanierung durchgewunken hätte, hätte man zu Beginn der Modernisierungspläne den Kostenrahmen gekannt. Damals, 2018, sollte der Ratssaal nur ein wenig behindertengerechter und technisch moderner hergerichtet werden – für 500.000 Euro. Doch allein die Schadstoffbeseitigung kostete am Ende 815.000 Euro. Und man ahnte 2018 auch nicht, dass die Ratsleute auf einem statisch so instabilen und dünnen Boden arbeiteten, dass der jederzeit hätte durchbrechen können: Er war nur fünf Zentimeter dick. Allein diese Reparatur schlug mit 354.000 Euro zu Buche.