Oberhausen. Beim ADFC-Fahrradklima-Test schneidet Oberhausen besonders schlecht ab. Zu recht? Wir machen eine Test-Tour durch das Stadtgebiet.

Ausreichend minus! In Oberhausen bewerteten 837 Radfahrer ihre Stadt mit einer 4,3 (in Schulnoten) im ADFC-Fahrradklima-Test 2022, der am 24. April 2023 veröffentlicht wurde. Verdient Oberhausen diese schlechte Note? Wir machen den Praxis-Check und fahren mit Burkhard Schmidt, Sprecher des ADFC für Oberhausen, und dem Vorstandsmitglied Norbert Marißen quer durch Alt-Oberhausen.

Station 1: Wohnpark Bebelstraße

Start der kleinen Radtour ist am Wohnpark Bebelstraße. Hier ist der Idealzustand für alle Verkehrsteilnehmenden zu sehen: Reine Gehwege, dazu ein breiter Radfahrstreifen auf der Fahrbahn, auf dem Zweiräder sich gefahrlos überholen können, mit einer durchgezogenen Linie, die von Autofahrern – theoretisch – nicht überfahren werden darf. Nur 200 Meter weiter an der Kreuzung zur Parallelstraße sind Zweiräder wieder mit der harten Realität konfrontiert. Der markierte Streifen wird vor der Unterführung sehr schmal, die Autos fahren in einer leichten Kurve dicht vorbei. Kein Wunder, dass die Kategorie „Breite der Radwege“ trotz des Ausbaus auf der Bebelstraße im ADFC-Test insgesamt mit einer 4,9 sehr schlecht bewertet wurde.

Station 2: Marktstraße

Auf der unteren Marktstraße sehen wir unseren Falschparker Nummer 1, mitten auf dem Radweg. Wir warten ein wenig, um zu sehen, dass er zum Zigarettenkauf im Laden war. In der Helmholtzstraße gibt es trotz Falschparker Nummer 2 und 3 Lob vom ADFC. Die Helmholtzstraße ist wie viele andere Einbahnstraßen für Zweiräder in Gegenrichtung „geöffnet“. „Das ist sehr sicher“, bestätigt Burkhard Schmidt, „die entgegenkommenden Radfahrer werden gesehen, deshalb gibt es kaum Unfälle in geöffneten Einbahnstraßen“.

Station 3: Havensteinstraße

Klimatest für Radler alle zwei Jahre

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der größten Befragungen zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit. Er wird vom Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und fand 2022 zum zehnten Mal statt. Rund 245.000 Radfahrer haben bei diesem Durchgang abgestimmt.

DasAktionsbündnis „Oberhausen sattelt um“ hat zu Juli-Beginn mit einer Fahrrad-Kundgebung für bessere Radwege in Oberhausen demonstriert.

Wir biegen in die Havensteinstraße und fahren auf dem Schutzstreifen (mit der gestrichelten Linie, der von Autos benutzt werden darf, wenn der Radverkehr nicht gefährdet wird). Es ist sehr eng und für uns trotz raumgreifender SUVs knapp zu schaffen, aber „weniger Geübte und Ältere haben in solchen Situationen dicht neben den Autos Angst“, weiß Norbert Marißen. „Fahren im Mischverkehr“ heißt dies im ADFC-Klimatest und wurde in Oberhausen mit einer 4,5 bewertet, kurz vor „mangelhaft“.

Station 4: Schwartzstraße

Wir fahren die Schwartzstraße in Richtung Rathaus. Der schmale Radweg zwischen parkenden Autos und Bäumen ist lebensgefährlich. Bei einer sich plötzlich öffnenden Autotüre bleibt die Wahl zwischen Tür und Baum, „Dooring-Unfälle“ nennen Experten dies. „Aus diesem Grund,“ lobt Burkhard Schmidt überraschenderweise die Verkehrsführung, „ist dieser Radweg nicht zwingend zu benutzen“. Es fehlt das blaue Schild, das es zur Pflicht macht. „Doch mache das mal den Autofahrern klar, die hupen, weil es doch einen Radweg gibt.“ „Fahren auf Radwegen und Radfahrstreifen“ ist die Kategorie des ADFC-Tests und wurde mit 4,6 benotet.

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Falschparker Nummer 4 steht auf der Schwartzstraße dort, wo ständig auf dem Radweg geparkt wird. Morgens vor der Fasia-Jansen-Gesamtschule, ab mittags vor der Pommesbude. Gerade mal 170 Knöllchen der insgesamt 60.000 Verwarnungen für Falschparker, also 0,3 Prozent, gab es 2022 für Parken auf Radwegen. Kein Wunder, dass der Punkt „Falschparkerkontrolle auf Radwegen“ mit einer 5,1 die schlechteste aller Noten im ADFC-Test erhielt. „Das falsche Signal“, findet Burkhard Schmidt, „korrekt parken, aber zu lange, wird sofort bestraft, die gefährliche Behinderung auf Radwegen wird kaum geahndet“.

Station 5: Liebknechtstraße

Auf der Liebknechtstraße findet sich eine der vereinzelten Oasen für Radfahrer, zwar im Mischverkehr, aber mit genug Platz und einem deutlich markierten Schutzstreifen. Selbst das kurze Halten ist laut Straßenverkehrsordnung dort verboten. Hier kommt es zum Showdown mit einem Lieferdienstfahrer. Der Wagen steht mitten auf dem Radweg, obwohl die Parkbucht daneben großzügig frei ist. Auf die Frage, warum er nicht eben eingeparkt habe, kommt es zu unschönen Antworten. „Leider typisch“, verzweifelt Burkhard Schmidt an der Uneinsichtigkeit von Autofahrern, „nicht mal ein Schuldbewusstsein, dass man Radfahrer behindert.“

Sehen auch Verbesserungen in Oberhausen: Norbert Marißen und Burkhard Schmidt.
Sehen auch Verbesserungen in Oberhausen: Norbert Marißen und Burkhard Schmidt. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Station 6: Westfield Centro – Das Fazit

Am Westfield Centro angekommen, eher gestresst als durch das Radfahren entspannt, ziehen wir eine Bilanz. Warum gibt es seit Jahren die stetige Verschlechterung im ADFC-Fahrradklima-Test von 3,5 im Jahr 2012 auf 4,3 heute? Die Ansprüche der Menschen sind gestiegen, sind sich die beiden Rad-Experten sicher, E-Bikes haben viel verändert, den Radverkehr schneller gemacht und glücklicherweise auch viele Senioren wieder auf zwei Rädern mobil gemacht. Hinzu kommt die stetig wachsende Zahl an Autos, unzählige und für Radfahrer schlecht organisierte Baustellen. Trotzdem: „Objektiv“, sagt Norbert Marißen, „hat sich viel verbessert, aber das Auto hat in Oberhausen immer noch Priorität, das machen andere Städte wie Leipzig besser. Wir brauchen ein anderes Denken, weg vom Auto.“ Dem stimmt Burkhard Schmidt zu: „Es gibt Leuchttürme und echte Verbesserungen, aber nur vereinzelt und nicht vernetzt.“