Oberhausen. Unternehmen suchen Personal. Beim Azubi-Speed-Dating in der Riesen-Arena am Centro Oberhausen zeigt sich, wer die Macht auf dem Arbeitsmarkt hat.
Veronika Pflaum hat das erste Blind Date hinter sich. Soeben durfte sich die 18-Jährige zehn Minuten bei einem Unternehmen vorstellen. Wenn es gut läuft, bekommt sie vielleicht eine Ausbildungsstelle. „Ich bin da eher entspannt und sehe das eher als Übung“, sagt die junge Frau in der Konzert-Arena am Centro Oberhausen. Anfangs sei sie nervös gewesen, aber dann sei das Gespräch „locker-flockig“ weitergegangen. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so angenehm ist.“
Um jungen Menschen Ausbildungsstellen zu vermitteln, verfolgen Arbeitsagentur und Jobcenter Oberhausen alternative Ansätze. Einer davon: Ein vom Bildungsträger Kolping organisiertes Azubi-Speed-Dating in der großen Rudolf-Weber-Arena. In kürzester Zeit können Bewerberinnen und Bewerber am Mittwoch (17. Mai) eine Vielzahl von Unternehmen kennenlernen. Am Ende des Tages könnte es ein „Match“ geben.
Azubi-Speed-Dating: 667 offene Stellen für 63 Bewerber
Fraglich ist nur, wer am Ende das größere Glück hat. Normalerweise werben Stars wie Helene Fischer im Eventtempel in der Nähe des Centros um die Herzen der Fans. Am Mittwoch stehen im Haupteingang in einer Reihe dreißig Tische. 29 Unternehmen haben ihre Personaler platziert. Der letzte Tisch ist ein Matchpoint. Dort können sich die Bewerberinnen und Bewerber überlegen, ob sie nicht noch eine andere Firma kennenlernen wollen.
Theoretisch liegen 667 offene Stellen in Oberhausen und Umgebung auf den Tischen. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber beträgt nur einen Bruchteil: 63 Jugendliche und Arbeitslose, die in einem dreitägigen Seminar auf das Speed-Dating vorbereitet wurden.
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Das derzeit auf dem Arbeitsmarkt herrschende Machtverhältnis unterstreicht der Eindruck auf dem Flur der Arena. An den Tischen sitzen keine strengen Personalleiter mit Anzug und Krawatte und einem eisigen Blick. Es sind junge Menschen, die bei einem Becher Kaffee auf den nächsten Interessenten warten: Freundlich, offen und entspannt empfangen sie die potenziellen Auszubildenden.
Ausbildung abgebrochen – aber trotzdem optimistisch
Senih Can läuft mit einer Tasche den Flur entlang. Er trägt seine Bewerbungsunterlagen bei sich und ist guter Dinge. „Könnte sein, dass dies was wird“, sagt er nach einem Bewerbungsgespräch. „Ich habe Hoffnung bekommen.“ Der 19-Jährige hat nach der Realschule eine Ausbildung als Elektriker angefangen. Nach eineinhalb Jahren bat er um die Aufhebung seines Vertrags. „Ich habe gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ich möchte lieber mit den Händen und dem Kopf arbeiten.“ Er würde gerne eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen. Er ist optimistisch: „Man muss an sich glauben.“
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Can ist ein Beispiel für ein Phänomen, dass Arbeitsmarkt-Experten seit längerem beobachten. Früher hätten sich Unternehmen in vielen Bereichen die besten Bewerber aussuchen können, heute seien sie froh, wenn sich genügend melden, sagt ein Kolping-Vertreter. Das hat zur Folge, dass auch diejenigen genommen werden, die früher aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt wurden. Unternehmen können nicht mehr aussieben. Und Auszubildende müssen nicht mehr durchhalten, denn woanders gibt es oft genug freie Ausbildungsstellen oder Arbeitsplätze.
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Arbeitsmarkt ändert sich: Unternehmen müssen suchen – und sich bewerben
Die Kräfte auf dem Arbeitsmarkt haben sich verschoben. Das fordert von den Unternehmen ein Umdenken. Sie müssen aktiv Bewerberinnen und Bewerber suchen – sie bewerben sich für viele Berufe quasi bei den jungen Leuten. Zwar gibt es immer noch heiß umkämpfte Bereiche wie die Kfz-Mechatronik, dafür herrscht in anderen Bereichen ein erheblicher Mangel an interessierten und fähigen jungen Menschen. Dieses Dilemma spüren etwa Autohändler, die händeringend nach Lageristen suchen.
Veronika Pflaum will sich genau anschauen, was zu ihr passt. Die 18-Jährige hat sich nach der zehnten Klasse Zeit genommen. „Ich finde es wichtig, dass man weiß, was man mag.“ Sie interessiert sich für den Bereich Hotel. Mit den Arbeitszeiten im Gastgewerbe hat sie kein Problem. Aber der Arbeitgeber muss zu ihr passen. Nicht anders herum.