Oberhausen. Ein Konzert zwischen Lion King, Batman und Fluch der Karibik: Filmmusik-Weltstar Hans Zimmer hat sein Studio gegen die Konzert-Bühne getauscht.

Großes Kino für die Ohren: 10.000 Fans haben am Sonntag (23. April) in der ausverkauften Arena Oberhausen die neue Live-Tour von Filmmusik-Weltstar Hans Zimmer (65) bejubelt. Und der in Los Angeles lebende Maestro adelt sein „Guten Abend Oberhausen“ quasi selbst: „Das waren meine ersten deutschen Worte seit zwei Jahren.“

Großzügig gerundet, könnte man schrill einwerfen. Schließlich war der zweifache Oscarpreisträger ja erst vor gut einem Jahr in der Oberhausener Halle, um ein Konzert seiner wegen der Corona-Krise verschobenen Vorgänger-Tour nachzuholen. Erbsen zählten Fans in drei Konzert-Stunden aber nicht, sondern etliche Film-Ohrwürmer aus 40 Jahren.

Hans Zimmer im Konzert: Dunkler Ritter statt kleiner Nachtmusik

Das Ergebnis: Die Fans prämierten Melodien aus „James Bond“, „Dune“ und „Fluch der Karibik“ filmreif mit Ovationen und langem Applaus. Es fehlte nur noch der rote Teppich. Zur Konzert-Dramaturgie hätte ein solcher Teppich aber nicht gepasst: Hans Zimmer, gebürtig aus Frankfurt, in England aufgewachsen, inszeniert sein Extrakt aus 160 vertonten Hollywood-Kinofilmen als krachendes Spektakel samt bohrender Bässe, die mit Rock-Konzerten konkurrieren konnten. Die wenigen Gäste in vornehmen Anzügen oder im kleinen Schwarzen werden sich irritiert die Ohrmuschel geschüttelt haben. Erstaunlich unterschiedliche Konzertgänger starteten den Lauschangriff: Normalos, Nerds und Kuttenträger. Das Alter im Publikum - querbeet.

Seine bekannte Fledermaus-Suite aus „Batman Begins“, „Dark Knight“ und „Dark Knight Rises“ hat der Star-Komponist verfeinert und holprige Übergänge entschärft. Ein Synthesizer-Lehrstück, bei dem Zimmer in der Lederjacke, mit grandioser Lichtstimmung untermalt, sogar an legendären und heute dinosaurierhaft wirkenden Moog-Modulen die Stecker zieht. Dunkler Ritter statt kleiner Nachtmusik - sehr gerne!

An populären Superhelden arbeitet sich der ehemalige Synthesizer-Spezialist der englischen New-Wave-Vorreiter Buggles aber allzu gründlich ab. Cellistin Tina Guo verleiht dem wütenden „Wonder Woman“-Thema zwar ordentlich Feuer. Guthrie Govan liefert ein furioses Gitarren-Solo trotz gerissener Saite. Doch Zimmers beliebig geratene Soundtracks zu „Batman vs Superman“, „Man of Steel“ und „Wonder Woman 1984“ gehören höchstens ins filmmusikalische Mittelfeld.

Hans Zimmer widmet Top Gun 2 dem verstorbenen Regisseur Tony Scott

Ganz anders sieht es bei seinen Welthits zu „König der Löwen“ aus. Der südafrikanische Vocalist Lebo M. transportiert die Disney-Steppe stimmlich und stimmungsvoll wie eh und je. Die geschickte Montage aus brüllenden Songs und schnurrendem Orchester-Score trifft den Geschmack der 10.000 Fans völlig zurecht. Großer Jubel!

Auch das strudelartige Spitfire-Thema aus dem Weltkriegs-Drama „Dunkirk“ hat Zimmer weiterentwickelt. Seine füllige Interpretation der Top-Gun-Titelmusik von Harold Faltermeyer widmet er dem verstorbenen Regisseur Tony Scott, für den er an „Tage des Donners“ und „True Romance“ arbeitete. Auch hier hätte man sich fast schon mehr Spielzeit gewünscht.

Die perfekte Musik ist dem Großmeister aus seiner Sicht bislang nicht gelungen. „16 Versionen habe ich geschrieben“, sagt er gerade heraus über seinen asiatischen Klangteppich aus „Last Samurai“. „Und alle waren scheiße. Diese Fassung hier ist ganz gut geworden.“ Lacher!

Hans Zimmer startet eine druckvolle Reise von Top Gun bis Inception

Hans Zimmer sieht Konzerte sowieso nicht bierernst, sondern wie ein Abendessen mit dem Publikum. „So können wir locker ein bisschen plaudern.“ Und das gelingt sympathisch. Er hebt Solisten wie die Dead-can-Dance-Sängerin Lisa Gerrard oder den Flötisten Pedro Eustache verbal auf ein Podest. Letzterer nutzt für „Gladiator“ das armenische Blasinstrument Duduk. „Pedro spielt tolle Musik auf einem Stock. Trotz aller Technik, die wir hier auf der Bühne haben.“ Schmunzler!

Gegenüber der Vorgänger-Tour hat der Maestro wenige Filme ausgetauscht. Wenn man bedenkt, dass Perlen wie „Besser geht’s nicht“, „Black Rain“ oder „Backdraft“ weiter unerwähnt bleiben - bedauerlich. Hans Zimmer live bietet eine druckvolle Filmmusik-Reise, die spielend fesselt und mit der Gänsehaut-Ballade „Time“ aus Inception am Piano beinah dezent ihren Höhepunkt findet.

>>> Drei Fragen an den musikalischen Direktor Nick Glennie-Smith

Komponist Nick Glennie-Smith (71, „Der Mann mit der eisernen Maske“) arbeitet mit Hans Zimmer seit 40 Jahren zusammen. In Oberhausen stand er als Musikalischer Direktor auf der Konzert-Bühne.

Was ist der kniffligste Moment vor einem Tour-Start?

Das Orchester ist zum Glück sehr gut - darum halten sich knifflige Momente in Grenzen. (lacht) Wir mussten viel organisieren, etwa dass die Solo-Musiker aus aller Welt auch Zeit haben. Oder dass das Licht zur Musik passt. In Oberhausen haben wir vier Tage geprobt.

Wie viel Technik steckt im Konzert?

Hans Zimmer mag das Orchester, aber auch die Synthesizer. Instrumente sind seine Lieblingsspielzeuge. Aber selbst unsere Synthesizer klingen im Konzert sehr menschlich. So authentisch wie es nur geht. Zugleich zeigen wir kein einziges Kinobild.

Wie wählen Sie aus so viel Musik fürs Konzert aus?

Es ist wirklich schwierig. Hans hat früh seine Auswahl getroffen. Es gibt Musik, die du einfach spielen musst, wie „Fluch der Karibik“ oder „Gladiator“. Im Laufe der Jahre sind neue Filme hinzugekommen. Wir versuchen, eine ausgewogene Mischung aus Orchester, Chor und Elektronik zu treffen.