OBERHAUSEN. . Die erste Oberbürgermeisterin einer Großstadt starb heute vor 40 Jahren. Eigentlich wünschte sich die Stadtmutter eine stille Beerdigung

Tagelang beherrschte ab dem 3. Februar 1979 ein Thema die Gespräche in der Stadt und den Inhalt der Tageszeitungen: Am Morgen des 2. Februar war Oberbürgermeisterin Luise Albertz tot in ihrer Wohnung gefunden worden, der Totenschein nannte als Sterbedatum und -zeit den Donnerstag, 1. Februar, 23 Uhr. Das ist nun 40 Jahre her, aber Luise Albertz ist immer noch wirksam und spürbar in dieser Stadt – und ihre Popularität ist ungebrochen. Eine Erinnerung.

An diesem trüben Freitagmorgen des Jahres 1979 war Hanni Beltermann, Sekretärin der Oberbürgermeisterin, beunruhigt: Die stets frühe und pflichtbewusste „Pfunds-Chefin“, als die sie Luise Albertz später bezeichnete, kam nicht, meldete sich auch nicht am Telefon.

Cheffahrer Günther Urban wurde losgeschickt, und nachdem auch auf mehrfaches Klingeln keine Reaktion erfolgt war, griff er zum Schlüssel und fand den leblosen Körper der 77-Jährigen. Der nebenan in der Grillostraße wohnende Amtsarzt, Dr. Clauspeter Faer­ber, wurde gerufen und stellte den Tod fest.

Die Nachricht verbreitete sich sofort

Noch bevor der unverzüglich einberufene Ältestenrat unter Vorsitz von Bürgermeister Friedhelm van den Mond zusammentrat, hatte sich die Nachricht verbreitet, das Bild vom „Lauffeuer“ war mal berechtigt.

Beileidsbekundungen trafen ein aus Bundespräsidial- und Bundeskanzleramt, Bundestag, Landtag, Städtetag, den Zentralen der Parteien, von Gewerkschaftsbund und Einzelgewerkschaften, von Kirchen und Glaubensgemeinschaften, aus Industrie, Handel und Handwerk, aus sozialen Organisationen und – natürlich – der ganzen Bürgerschaft.

Ihren letzten Willen hatte die „Frau Oberbürgermeister“, wie Luise Albertz über sich bisweilen sprach, ihrem langjährigen Mitstreiter Willi Meinicke an die Hand gegeben, der von 1947 bis 1978 Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion war.

Luise Albertz wünschte sich keine großen Trauerfeierlichkeiten und eine stille Beerdigung. Dem Ältestenrat war klar, dass man einerseits letzte Verfügungen zu respektieren hat, andererseits der Zuneigung zur „Stadtmutter“ Rechnung tragen musste. Also gab es am Beerdigungstag vormittags eine Kranzniederlegung vor der „Trauernden“ an der Gedenkhalle, in der Kondolenzbücher ausgelegt waren, in die sich laut Zeitungsberichten tausende Mitbürger eintrugen.

Der Ort war gut gewählt, denn die 1962 eröffnete Gedenkhalle zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus war die erste Einrichtung ihrer Art in der Bundesrepublik. Und die erste Oberbürgermeisterin einer Großstadt in der Bundesrepublik hatte das Projekt mit der ihr eigenen Energie vorangetrieben und durchgesetzt.

Die Beisetzung erfolgte nachmittags auf dem Westfriedhof. Rund 250 geladene Gäste folgten dem Sarg, an der Spitze Luises Schwester Dine, die in Schweden lebte, eingerahmt von Hanni Beltermann und Willi Meinicke, dahinter Ministerpräsident Johannes Rau zwischen Herbert Wehner und Professor Carlo Schmid, Granden der SPD.

Carlo Schmid, einer der „Väter des Grundgesetzes“ und Wegbegleiter seit Luises ersten Tagen im Bundestag, hielt die Grabrede. „Luise Albertz war nicht nur ein sehr guter Sachwalter des Gemeinwesens, sondern auch ein guter Mensch. Selbst das Sachlichste wurde unter ihren Händen menschlich.“

>>> SIE WAR DIE „MUTTER DER BEDRÄNGTEN“

Im Jahre 1916 begann für die am 22. Juni 1901 in Duisburg geborene Luise Albertz nach der Volksschulzeit eine Lehre bei der Stadtverwaltung Oberhausen. Dort arbeitete sie bis 1923 als Buchhalterin.

Laut den Oberhausener Adressbüchern war sie zwischen 1931 und 1938 als Stenotypistin tätig; andere Quellen sprechen von einer Tätigkeit als Filialleiterin der SPD-Zeitung „Neueste Nachrichten“ in Duisburg (bis 1933) und anschließender Tätigkeit als Devisenbuchhalterin.

Mit Kriegsausbruch 1939 kehrte sie „dienstverpflichtet“ in die Stadtverwaltung zurück (Sozialamt), die sie 1944 nach der Verhaftung ihres Vaters Hermann (ermordet 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen) verlassen musste. Ins Rathaus kehrte sie 1945 zurück – unter anderem als Sekretärin des ersten Oberbürgermeisters Karl Haendly, der von den Alliierten ernannt worden war.

 Von 1949 bis 1969 gehörte sie dem  Deut schen Bundestag an. Zu Willy Brandt hatte sie ein sehr herzliches Verhältnis.      
 Von 1949 bis 1969 gehörte sie dem Deut schen Bundestag an. Zu Willy Brandt hatte sie ein sehr herzliches Verhältnis.       © Stadtarchiv

Am Wiederaufbau der SPD nahm Luise Albertz (seit 1914 über die Sozialistsche Arbeiterjugend Mitglied der SPD) aktiv teil.

Im November 1946 wurde sie erste gewählte Oberbürgermeisterin und blieb das bis 1948. Erneut Oberbürgermeisterin wurde Luise Albertz 1956 und blieb es bis zu ihrem Tode am 1. Februar 1979.

Darüber hinaus gehörte sie von 1947 bis 1950 dem Landtag und von 1949 bis 1969 dem Deutschen Bundestag an, wo sie sich als Vorsitzende des Petitionsausschusses den Beinamen „Mutter der Bedrängten“ erwarb.

>>> DIE SPD GEDENKT IHRER AM SONNTAG

Anlässlich ihres 40. Todestages am Freitag, 1. Februar, erinnern der SPD-Unterbezirk und die Fraktion im Rat der Stadt an die langjährige Oberbürgermeisterin und Bundestagsabgeordnete Luise Albertz. Am Sonntag, 3. Februar, werden die Sozialdemokraten um 11 Uhr am Grab der beliebten und populären Politikerin auf dem Westfriedhof ihrer gedenken.

Sie galt als eine der bekanntesten SPD-Politikerinnen im Deutschland der Nachkriegszeit. Die Tochter des von den Nazis ermordeten sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Hermann Albertz hat Oberhausen geprägt in den harten Jahren der Nachkriegszeit, in der schwierigen Zeit der Kohle- und Stahlkrise, schreibt die SPD in ihrer Pressemitteilung.