OBERHAUSEN. . Britta Costecki fordert mehr Frauen in Führungspositionen. Für Hilfen wie das Frauenhaus fordert sie mehr finanzielle Unterstützung vom Land

Sie ist Gleichstellungsbeauftragte und Leiterin des Büros für Chancengleichheit, kurzum: Britta Costecki mischt bei vielen Stadt-Themen mit. Im Interview sprach sie mit Redaktionsleiterin Denise Ludwig über die Frauenquote, Männer und Gender-Stadtplanung.

Oberhausen hat im vergangenen Gender-Ranking der Heinrich-Böll-Stiftung mit Platz 6 von über 70 gar nicht so schlecht abgeschnitten. Läuft bei der Gleichstellung also alles gut in Oberhausen?

Ich glaube, in der Studie ist positiv bewertet worden, dass wir zwei Bürgermeisterinnen und zwei weibliche Beigeordnete haben. Dies ist schon einmal eine gute Grundlage. Ich bezweifele aber, dass wir deswegen in Gender-Fragen weiter sind als andere Städte.

Was also muss in Oberhausen in Fragen der Gleichstellung besser werden?

Oberhausen hat eine Besonderheit: Seit dieser Legislaturperiode gibt es den Gleichstellungsausschuss. Der bezieht sich konkret auf die Gleichstellung zwischen Frau und Mann. Die Politik hat damit die Möglichkeit, das Thema Gleichstellung zu begleiten. Und wir als Gleichstellungsstelle haben damit auch mehr Möglichkeiten, Themen zu transportieren. An dieser Stelle muss die Verwaltung manchmal erinnert werden, dass die Themen auch im Gleichstellungsausschuss besprochen werden sollen. Wir setzen aber auch externe Impulse, von denen wir hoffen, dass die Stadt und die Politik sie annehmen. Dazu gehört zum Beispiel das Thema Gender-Stadtplanung, Frauen im Sport oder Sicherheit im öffentlichen Raum.

Wie muss man sich eine Gender-Stadtplanung vorstellen?

Stadtplanung kann man heute nicht mehr von dem männlichen Otto-Normal-Bürger in einem gewissen Alter aus betrachten. Man muss sich stattdessen überlegen: Wie wirkt eine Einrichtung eines Parks auf Frauen, auf Männer, auf Jung, auf Alt. Oder: Was braucht eine Stadt, wenn man weiß, dass Frauen oft weniger mobil sind als Männer, weil meist derjenige über das Auto verfügt, der erwerbstätig ist.

Funktioniert eine solche Gender-Stadtplanung in Oberhausen?

Das Planungsdezernat und die Beigeordnete Sabine Lauxen legen eine sehr hohe Aufmerksamkeit auf diese Themen. Auch der Gleichstellungsausschuss hat das Thema sehr ernst genommen.

Im Gleichstellungsausschuss sitzen auch viele engagierte Männer.

Ja, sie sind sehr engagiert. Überhaupt: Wir hätten ohne diesen Ausschuss keine Prostitutionsberatung, die Solwodi durchführt, gesichert. Derzeit engagiert man sich für die Fortführung des Verhütungsmittelfonds, die Aufmerksamkeit für das Frauenhaus ist stark gestiegen. Und: Die Signale aus dem Ausschuss sind immer sehr parteiübergreifend, das finde ich sehr schön.

Kommt die Männerarbeit zu kurz?

In der Gleichstellungsstelle kommt sie zu kurz, weil sie als klassisches Frauenbüro aufgestellt ist – sowohl personell als auch ressourcenmäßig. Wir gehen vereinzelt in die Themen hinein, beispielsweise in die Väterarbeit, die aber letztlich auch den Frauen zugute kommt. Dabei sollen Väter mobilisiert werden, sich stärker der partnerschaftlichen Rollenverteilung zu widmen. Das würden wir gern stärker thematisieren.

Wir haben bei der Stadtverwaltung zum Beispiel die Möglichkeit, verschiedene Arbeitszeitmodelle zu nutzen. 37 Prozent der Belegschaft sind Männer, aber den höchsten Teilzeitanteil gibt es mit 93 Prozent bei den Frauen. Der Wille bei den Männern ist da, aber bei der Umsetzung wird es schwierig.

Das ist ein Grund, warum wir hauptsächlich Frauenarbeit machen: Die Themen, die wir bearbeiten, sind immer noch geprägt durch Ungleichheiten zuungunsten der Frau. Obdachlosigkeit, Suizid, Vorsorge – das sind große Männerthemen. Da gibt es viel Stoff. Um den zu bearbeiten, muss man es aber auch wollen und muss es aufstellen.

Ihr Büro müsste also besser ausgestattet werden?

Das Büro müsste gezielt ausgestattet werden und die Gremien müssen es wollen. Im Gleichstellungsausschuss kommt immer mal wieder die Frage auf, was für Jungen oder Männer getan wird. Ich finde es aber auch legitim, Projekte nur für eine bestimmte Zielgruppe anzubieten. Nachdem wir festgestellt haben, dass Mädchen im Jugendparlament unterrepräsentiert sind, haben wir einen Workshop angeboten. Nach politischer Diskussion sollte er nicht nur für Mädchen angeboten werden, sondern auch für Jungen. Doch die jüngste Wahl zum Jugendparlament hat gezeigt: Es sind noch weniger Mädchen im Jugendparlament vertreten als zuvor. Obwohl es fast 39 Prozent Kandidatinnen gab, sind nur 21 Prozent gewählt worden. Entweder muss man dann tatsächlich mal nur ein Angebot für Mädchen machen oder die Rahmenbedingungen flankieren, indem man Vorgaben macht.

Sie befürworten die Frauenquote?

Ja.

Warum?

Weil es nicht ohne geht. Ich finde es schade, dass der Gesetzgeber insbesondere im öffentlichen Dienst, nicht deutliche Schritte geht. Das Landesgleichstellungsgesetz fordert zwar deutlichst auf, Frauen einzustellen und zu fördern, aber es gibt keine klaren Sanktionsmöglichkeiten.

Die sie aber fordern?

Ja. Nichts ist wichtiger als Vorbilder. Mit Frauen in Führungspositionen motiviert man auch andere. Nur so können sich auch Rahmenbedingungen verändern. Nehmen wir das Beispiel Präsenzkultur in Unternehmen: Es ist ein Trugschluss zu denken, dass diejenigen, die zuletzt das Licht ausmachen, die beste Arbeit bringen. Und es ist ein Trugschluss, dass man Führungspositionen nicht aufteilen kann – zum Beispiel eine Stelle für zwei Personen. Es sind viele Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Auf der anderen Seite müssen es die Frauen auch wollen. Und sie wollen es nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Sie spüren, dass es noch eine Präsenzkultur gibt, dass es wenig Verständnis für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt. Frauen sagen oft bewusst: Das ist es mir nicht wert.

Wie viel Prozent der Stadtverwaltung sind Frauen?

62 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, aber nur 24 Prozent der Bereichsleitungen sind weiblich, 30 Prozent der Fachbereichsleitungen.

Welche Frauenquote hätten Sie gern?

Ich würde eine Quote passend zum Anteil der Frauen in der Gesellschaft empfehlen (lacht). Im Gleichstellungsplan werden wir Zielquoten zum Beispiel bei den Bereichsleitungen bis zum Jahr 2021 benennen. Dabei haben wir eine Fluktuationsanalyse zu Grunde gelegt, also eine Berechnung, wie viele Führungskräfte in dieser Zeit gehen und was realistisch erreichbar ist. Wir setzen dementsprechend dort eine Quote von 35 Prozent.

Wo muss sich Oberhausen noch verbessern?

Es tut sich viel. Es engagieren sich viele Frauen und Männer für das Thema Gleichstellung und es nimmt zu. Zu erwähnen ist der Zonta-Club, der sich für die Belange notleidender Frauen einsetzt. Es gibt das Frauenplenum und einen guten Zusammenschluss von Institutionen und Gruppen überhaupt. So viele Aktive – das tut dieser Stadt sehr gut.

Aber es gibt doch sicherlich etwas, was besser werden muss.

Ich hätte gern eine Sicherstellung der Finanzierung von grundsätzlichen Hilfsstrukturen – zum Beispiel des Frauenhauses. Wenn man mit Pauschalsummen arbeiten könnte, würde man viel mehr Kraft in sinnvollere Arbeit stecken, als in die Einzelprüfung der Mietzahlungsmöglichkeiten der zu schützenden Frauen. Das gilt auch für die Frauenberatungsstelle oder für den Verhütungsmittelfonds von Pro Familia – ständige Einzelprojektanträge, Fördernachweise lähmen und bringen keine Planungssicherheit für diese wichtige Arbeit.

Wir sind in Oberhausen: Wer soll das bezahlen?

Für das Frauenhaus und die Beratungsstellen sehe ich das Land in der Pflicht. Ich finde es finanziell auch katastrophal, dass man vom Bund ein Prostituiertenschutzgesetz auflegt – welches ich inhaltlich gut finde – und die Kommunen ab dem zweiten Jahr hinsichtlich der Finanzierung der Schutzstrukturen für die Prostituierten komplett alleine lässt.

Sehen Sie weitere Verbesserungsmöglichkeiten?

Mich hat der Bericht zum teils mangelnden Sicherheitsgefühl in Oberhausen sehr schockiert. Weit über 50 Prozent der Frauen hegen ein hohes Angstgefühl. Unabhängig davon, wie die Sicherheitslage tatsächlich ist. Es geht nicht, dass Frauen sagen, sie nutzen den ÖPNV bei Dunkelheit selten oder nie aufgrund der Sicherheitslage. Wir müssen es hinbekommen, dass man sich als Frau in dieser Stadt gut und sicher bewegen kann ohne belästigt zu werden oder das Gefühl zu haben. Das Thema Belästigung wird mir zu sehr heruntergespielt – zum Teil von Frauen selbst.

Das Büro für Chancengleichheit gibt es seit rund sieben Jahren. Was macht das Büro so besonders?

Es ist der effektive Zusammenschluss von fünf Themenfeldern: Alter, Ehrenamt, Inklusion, Familie und Gleichstellung. Das bietet enorme Möglichkeiten. Ein Beispiel aus dem Bereich Gleichstellung und Inklusion: Im vergangenen Jahr gab es die Neueinrichtung von Frauenbeauftragten in Behindertenwerkstätten. Da haben die Bereiche Inklusion und Gleichstellung zusammen gearbeitet, um für das Thema zu werben.

Mit welchen Themen beschäftigt sich eine Frauenbeauftragte in Behindertenwerkstätten?

Das ist unterschiedlich. Gewalt und Belästigung gegen Frauen mit Behinderung ist ein Thema, das haben uns die Frauen vor Ort nochmal bestätigt.

Was macht das Büro für Chancengleichheit Ihrer Meinung so besonders?

Das Besondere ist die Kombination der anderen Themenfelder mit der Gleichstellung im Büro für Chancengleichheit und die Führung durch die Gleichstellungsbeauftragte. Dieses Konstrukt wird von den Kolleginnen schon bundesweit beachtet. In anderen Städten sind die Gleichstellungsbeauftragten auch immer mehr aufgefordert, zusätzliche Themen wie Inklusion oder gleichgeschlechtliche Lebensweisen mitzudenken.

Die Position der Gleichstellungsbeauftragten ist aufgewertet worden?

Das sehe ich so. Als Gleichstellungsbeauftragte sitze ich im Verwaltungsvorstand, im Rat der Stadt, in den politischen Gremien. Das ist für das Büro positiv, weil man sich früh einbringen kann.

In Ihrem Büro arbeiten nur Frauen?

Nein, wir haben einen Mann! Im Strategiemanagement. Aber im Gleichstellungsbüro arbeiten in der Tat nur Frauen.