Oberhausen. . Vor 85 Jahren, im Juni 1933, nahm die so genannte „Gleichschaltung“ Fahrt auf. Die Macht der Nazis wuchs. Mitgliedsbestand der NSDAP explodierte
Zwar war Oberhausen nie eine Hochburg des Nationalsozialismus, und selbst in den letzten halbwegs demokratischen „Märzwahlen“ des Jahres 1933 erreichte die NSDAP nur eine hauchdünne relative Mehrheit vor dem gleichstarken Zentrum, der SPD und der KPD sowie einigen anderen Kräften. Aber das Tempo, mit dem die Nazis gleich nach der „Machtergreifung“ begonnen hatten, ihre Ziele umsetzen zu wollen, kann noch heute atemlos machen.
Vor allem die so genannte „Gleichschaltung“ nahezu aller Bereiche des Lebens, des öffentlichen Lebens auf jeden Fall, schlug die Bevölkerung offenbar in ihren Bann. Als im Juni 1933 nach Gesang- und Sport- und Lehrer- und Schüler- und Krieger- und Müttervereinen auch noch die Katholiken vom Papst und ihren Bischöfen per Konkordat mit Nazi-Deutschland mehr oder minder in die Knie gezwungen waren, verebbte auch hier der halböffentlich gezeigte Widerstand.
Partei wuchs auf 17 Ortsgruppen an
Und die Macht der Nazis wuchs. Seit der „Märzwahl“ war der Mitgliedsbestand der örtlichen NSDAP explodiert. Anfang der 30er Jahre hatte er unter der Dreistelligkeit gelegen, war dann Jahr für Jahr gewachsen und stellte die Braunhemden ab dem späten Frühjahr 1933 vor organisatorische Probleme. Mitte Juni teilte der „Generalanzeiger“ – neuerdings bemüht, der NSDAP keinerlei Angriffsfläche zu bieten – in einer an prominenter Stelle platzierten Meldung mit, dass die Partei sich neu organisieren müsse. In 17 Ortsgruppen, von denen jede „mindestens 400 Pg.“ („Pg.“ stand für „Parteigenossen“) aufwies, war Oberhausens NSDAP fortan zusammengefasst. Das macht mindestens 6800 Köpfe aus, vermutlich waren es weit mehr.
Einen besonders hohen Organisationsstand erreichte die Partei in der Stadtmitte, wo die alte „Ortsgruppe Stadtmitte“ in vier Gruppen aufgeteilt wurde: Altmarkt, Galgenberg, Adolf-Hitler-Platz (heute Friedensplatz), Blücherplatz. In der Innenstadt, an der heutigen Goebenstraße 97, lag das Hauptquartier der Braunhemden.
Geteilt wurde die OG Alstaden in Süd und Nord, der Oberhausener Osten erhielt eine OG Lipperheidebaum, Osterfeld gab’s nun mit einer Ost- und einer West-Gruppe, und in Sterkrade tummelten sich die Ortsgruppen Sterkrade-West, Holten, Königshardt, Sterkrade-Nord und Sterkrade-Mitte.
Tageszeitungen wurden drangsaliert
Die beiden weiter erscheinenden „neutralen“ Tageszeitungen - „Ruhrwacht“ mit katholischem, „Generalanzeiger“ mit protestantischem Hintergrund – wurden drangsaliert. Für die Ruhrwacht fand schon ab dem frühen Frühjahr eine „Vorzensur“ statt, der der Generalanzeiger ab Mitte Juni auch ausgesetzt wurde. Ihm und seinem „Schriftleiter“ Dr. Gottfried Junge half dagegen keinerlei Beteuerung, sich in Zielen wie der Schaffung eines „neuen deutschen Menschen“ von niemandem übertreffen zu lassen. Auch diese Zeitung musste auf „jüdische Inserate“ verzichten und wurde immer kleiner, während die „Nationalzeitung“ und der „Völkische Beobachter“ wuchsen.
Das Stadttheater übrigens kündigte als erste Premiere der neuen Saison „Schlageter“ an, ein Drama um den antifranzösischen Bombenleger von 1923, von den Nazis zum deutschen Helden hochstilisiert.
Es wurde dunkel über Oberhausen, das „Tausendjährige Reich“ hatte Gestalt angenommen.