Mülheim. Streit um die Zahl der Sitze in Mülheims Stadtrat: Die SPD befürchtete Nachteile für die Stadtteile im Norden. Wer ihr beisprang, wer nicht.
Im Streit um die Zahl und Neuordnung der künftigen Kommunalwahlbezirke gibt es nach einem Votum des Mülheimer Stadtrates Gewinner und Verlierer. Oder doch nicht?
Mit einer harmlos klingenden Beschlussvorlage war die Stadtverwaltung in die Ratssitzung gegangen: Der Stadtrat sollte sein Votum erneuern, zur Kommunalwahl 2025 wieder mit 27 Wahlbezirken und damit 54 Ratsmandaten (27 Direktkandidaten und 27 weitere Ratsmitglieder nach Stimmenproporz) ins Rennen zu gehen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl könnte Mülheim laut Gesetz mit 29 Wahlbezirken hantieren, hatte sich einst aber selbst zur Sparsamkeit verpflichtet und auf 27 reduziert.
Mülheims SPD fürchtet um den Verlust eines Wahlbezirks im sozial schwachen Norden
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Was die Folgen des Einfrierens auf 27 Wahlbezirke sein könnten, hat die Verwaltung bisher öffentlich nicht kundgetan, die SPD ist aber nach Modellrechnungen auf die Barrikaden gebracht. Um der Vorgabe zu entsprechen, dass jede Stimme bei der Kommunalwahl annähernd gleiches Gewicht hat, müssen wohl Bezirke neu zugeschnitten werden, damit sie nicht mehr so unterschiedlich groß sind wie zuletzt. Die Befürchtung der SPD: Der sozial schwächere Norden - mit traditionell vergleichsweise besseren SPD-Ergebnissen - könnte einen Bezirk verlieren, der Süden rechts der Ruhr, wo zuletzt CDU und Gründe dominierten - einen dazugewinnen.
Die SPD hatte nun gefordert, die Zahl der Wahlbezirke auf 29 zu erhöhen, um angestammte Bezirke am Leben zu halten - und fand dafür Unterstützung der FDP. Insbesondere stößt sich SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Wietelmann an dem Plan der Verwaltung, die Zuschnitte der künftigen Bezirke an der Zahl der Wahlberechtigten dort auszurichten und nicht an der Gesamtzahl der dort lebenden Menschen. „Die Ratsmitglieder kümmern sich um alle Menschen in der Stadt und fragen nicht, ob sie denn wahlberechtigt sind“, warb Wietelmann dafür, den Norden mit einer relativ hohen Zahl nicht wahlberechtigter Menschen, insbesondere auch einer hohen Anzahl von Kindern, nicht zu benachteiligen.
FDP unterstellt der schwarz-grünen Ratskoalition „taktisches Kalkül“
„Taktisches Kalkül“ bei den Festsetzungen zur Kommunalwahl warf FDP-Fraktionschef Peter Beitz der Ratskoalition von CDU und Grünen vor, die von einer Neuordnung profitieren könnten. In Zeiten der Politikverdrossenheit seien die Pläne nicht förderlich, weil in ihnen eine „Ignoranz der Bevölkerung“ stecke.
Mülheims zuständige Rechtsdezernentin Anja Franke verwies in der Ratssitzung auf ein Urteil des NRW-Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2019, das Niederschlag finden werde in einem neuen Kommunalwahlgesetz. Nicht nur sei im Urteil eindeutig beschieden, dass sich die Größe der Wahlbezirke nicht nach der Einwohnerzahl, sondern nach der Zahl der Wahlberechtigten auszurichten habe. Im NRW-Gesetzentwurf dazu ist zudem festgelegt, dass die Zahl der Wahlberechtigten in einem Wahlbezirk maximal nur noch 15 statt bisher 25 Prozent vom Mittel in der Gesamtstadt abweichen sollen.
In sechs Mülheimer Wahlbezirken besteht Handlungsbedarf
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In sechs Mülheimer Wahlbezirken besteht nach Zahlen zum 31. Dezember 2023 demnach Handlungsbedarf. Für die Bezirke Eppinghofen-Nordwest, Eppinghofen-Ost und Mellinghofen sind zu wenige Wahlberechtigte je Mandat ausgemacht, für die Bezirke Heißen-Mitte, Holthausen-Süd und Kahlenberg zu viele, um die 15-Prozent-Grenze einzuhalten.
Mit einer Erhöhung der Kommunalwahlbezirke auf 29 hoffte nun die SPD, alle Wahlbezirke im Norden der Stadt sichern zu können. In geheimer Abstimmung im Stadtrat fand sie aber wohl nur die zuvor angekündigte Unterstützung der FDP und scheiterte. CDU, Grüne und Rechtsdezernentin Franke waren derweil bemüht, die Unterlegenen zu beschwichtigen. „Es droht keine Benachteiligung von Stadtteilen“, warf CDU-Fraktionschefin Christina Küsters der SPD Polemik vor. Ihr Antrieb sei wohl eher, dass „ein SPD-Stadtverordneter Sorge hat um sein Ratsmandat“.
Neue Zuschnitte für Wahlbezirke: Jetzt muss der Wahlausschuss entscheiden
Dezernentin Franke betonte, dass die nötigen Verschiebungen bei den Wahlbezirken folgend erst im Wahlausschuss des Stadtrates zu beraten seien. Dabei werde zu berücksichtigen sein, dass räumliche Zusammenhänge - etwa in der diskutierten Papenbusch-Siedlung im Wahlbezirk Mellinghofen - gewahrt bleiben. Sie machte auch deutlich, dass das Wahlgesetz Ratsmitglieder nicht als ausschließliche Repräsentanten ihrer Wahlbezirke sehe, sondern der gesamten Stadt.
In diesem Sinne appellierte auch CDU-Ratsherr Eckart Capitain, „den Norden nicht gegen den Süden auszuspielen“. Es sei doch gelebtes Selbstverständnis aller Ratsmitglieder, Politik für alle Mülheimer zu machen. Und schließlich wollte CDU-Mann Siegfried Rauhut der SPD noch die Sorge um einen Nord-Wahlbezirk nehmen: „Laut meiner Berechnung gibt es gute Argumente dafür, nichts zu ändern.“ An dieser Prognose wird ihn die SPD messen.