Mülheim. Sie gelten als Helden des Alltags und greifen dort ein, wo andere zurückschrecken. Ein Mülheimer Experte blickt auf eine bewegte Historie zurück.

Von 1991 bis 2019 war Burkhard Klein fester Bestandteil der Mülheimer Berufsfeuerwehr. Zu deren 100. Geburtstag am 1. April erscheint seine Mülheimer Brandschutzchronik, die der ehemalige Feuerwehrchef ab 2020 im Stadtarchiv recherchiert hat. Die Lokalredaktion traf ihn zum Chronisten- und Zeitzeugengespräch.

Was sind die stärksten Erinnerungen an Ihre eigene Feuerwehrgeschichte?

Burkhard Klein: Besonders gerne erinnere ich mich an die Neugründung der Freiwilligen Feuerwehr 2001 und an die Eröffnung der neuen Hauptfeuerwache an der Duisburger Straße im Jahr 2010. Dramatische Erinnerungen verbinde ich mit dem Brand der Grillo-Villa 1993, mit dem Großbrand am Dickswall 2006 und mit unserem Großeinsatz nach dem Pfingststurm Ela 2014.

Warum leistet sich Mülheim erst seit 100 Jahren eine Berufsfeuerwehr?

Seit dem ersten Feuerschutzreglement von 1852 gab es in Mülheim immer wieder freiwillige Feuerwehren, die unter anderem aus der Turnerschaft hervorgingen. Die Turner waren fit und hatten keine Probleme beim Leitersteigen. Deshalb wollte sich die Stadt das Geld für eine Berufsfeuerwehr lange sparen. Sie scheiterte 1916 mit ihrem rechtswidrigen Plan, eine kommunale Berufsfeuerwehr von Firmen, Hauseigentümern und deren Feuerschutzversicherungen finanzieren zu lassen.

Fest der Rheinisch-Westfälischen Turnerfeuerwehr auf dem Rathausmarkt am 8. Mai 1869.
Fest der Rheinisch-Westfälischen Turnerfeuerwehr auf dem Rathausmarkt am 8. Mai 1869. © Privat | Stadtarchiv

Wer waren die ersten Mülheimer Berufsfeuerwehrleute?

Erster Feuerwehrchef war der in Karlsruhe zum Branddirektor umgeschulte Baurat Paul Sorge. Seine 17 Feuerwehrleute kamen zum Teil aus den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr oder als Quereinsteiger aus anderen Berufen. Auch ein Gärtner war unter ihnen. Alle Bewerber mussten eine handwerkliche Ausbildung mitbringen, weil das bei Einsätzen und Reparaturen hilfreich war. Das Handwerk der Brandbekämpfung lernten sie bei ihren ersten Einsätzen und täglichen Übungen in der Feuerwache an der Aktienstraße 58. Dort mussten sie sich zunächst den Platz mit der städtischen Gas- und Stromversorgung teilen.

Was war einer der ersten Großeinsätze der Berufsfeuerwehr in Mülheim?

Ende der 1920er Jahre brannte zum Beispiel die Holztribüne der Rennbahn am Raffelberg ab.

Und 1933 kamen dann die politischen Brandstifter der NSDAP.

Das war das dunkelste Kapitel der Mülheimer Feuerwehrgeschichte. Feuerwehrchef Paul Sorge musste seinen Posten für den obersten SS-Mann Mülheims, Alfred Freter, räumen. Und dieser Alfred Freter wurde dann in der Reichspogromnacht im November 1938 in der Synagoge am Viktoriaplatz zum Brandstifter.

Wurde er dafür nach 1945 zur Rechenschaft gezogen?

Nein. Ihm wurde zwar die Wiedereinstellung in die Mülheimer Berufsfeuerwehr verwehrt. Und Ende der 1950er Jahre stand er in Duisburg vor Gericht. Doch seine Brandstiftung in der Reichspogromnacht war damals schon verjährt, weil die Synagoge im November 1938 kein Gotteshaus mehr war, sondern sich seit Oktober 1938 im Besitz der Stadtsparkasse befand. Freter hat nach dem Krieg bei einer Duisburger Werksfeuerwehr gearbeitet.

1949: Dieses provisorisch zusammengebaute Löschfahrzeug war bis 1964 im Einsatz.
1949: Dieses provisorisch zusammengebaute Löschfahrzeug war bis 1964 im Einsatz. © Privat | Sammlung Harald Karutz

Und wie ging es für die Berufsfeuerwehr nach 1945 weiter?

Zunächst war die Not groß. Zum Teil haben sich die Kollegen damals ihre Löschfahrzeuge aus Schrott- und Ersatzteilen selbst zusammengebaut. Einige dieser Fahrzeuge waren bis Mitte der 1960er Jahre im Einsatz. Einen großen Sprung nach vorne machte die Berufsfeuerwehr im Jahr 1959/60. Damals wurde an der Aktienstraße 58, wo heute das Rotkreuzzentrum steht, eine neue Feuerwache errichtet. Sie wurde damals bei Feuerwehrausstellungen als vorbildlich präsentiert.

1967: Blick auf den Fuhrpark in der Feuerwache an der Aktienstraße 58. 
1967: Blick auf den Fuhrpark in der Feuerwache an der Aktienstraße 58.  © Privat | Stadtarchiv

Und wo haben Mülheims Feuerwehrleute nach Feierabend ihren Durst gelöscht?

Zum Beispiel im „Löschbogen“ an der Friedrich-Ebert-Straße. Das Lokal war nach dem Löschbogen unter der 1865 in Betrieb genommenen Eisenbahnbrücke benannt. Dort lagerten die frühen Feuerwehrfreiwilligen ihre Löschwasserschläuche.

Burkhard Kleins Mülheimer Brandschutzchronik ist unter dem Titel: „Von Spritzenmeistern, Gehülfen und Pümpern – Zu 100 Jahren Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr“ im Verlag Stumpf und Krossendey erschienen. Es ist ab 2. April für 29,50 Euro im Buchhandel erhältlich. Im Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße 37 wird er auch mit seinem Festvortrag am 15. April um 17 Uhr die Jubiläumsausstellung der Berufsfeuerwehr eröffnen.

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